Per 19. Jänner waren in Österreich laut Daten des Gesundheitsministeriums und der Stadt Wien gut 142.000 Menschen als Kontaktpersonen 1 in Quarantäne. Zusätzlich gibt es über 161.000 mit Covid-19 infizierte Personen. Mehr als 303.000 Personen sind daher von Quarantänemaßnahmen betroffen. Ein Umstand, der Arbeitgebervertretern Sorgen bereitet: Sie bangen um die Arbeitskraft des Unternehmens, wenn viele Menschen gleichzeitig ausfallen.
Rechtlich sieht es aktuell so aus, dass das arbeitgebende Unternehmen nicht einseitig Homeoffice anordnen kann, wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer symptomlos mit Covid-19 infiziert sind. Genau das will der Wirtschaftsbund, eine Teilorganisation der ÖVP, jetzt ändern, wie die Organisation gestern via Aussendung mitteilte.
Forderung im Detail
"Infiziert bedeutet nicht gleich krank, deshalb fordern wir die Teilarbeit für alle, die ihrer Arbeit von zuhause aus weiter nachgehen können“, argumentierte gestern Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. Auch für Kontaktpersonen in Quarantäne müsse eine Weiterarbeit in der Quarantäne via Homeoffice individuell vereinbart werden, heißt es in der Aussendung weiter.
Egger fordert daher: "Künftig soll nicht die Quarantäne automatisch von der Arbeit befreien, sondern wie auch sonst üblich, die Krankschreibung durch den Arzt." Die Letztentscheidung über die Arbeitsfähigkeit solle aber "natürlich weiterhin beim Arzt" liegen. "Dennoch gilt es rechtliche Rahmenbedingungen für alle Infizierten zu schaffen, die weiterhin arbeiten wollen und das auch können."
Freiwilligkeit als Faktor
Die Arbeiterkammer zeigte sich heute auf Nachfrage des KURIER irritiert über diese Forderung. "Grundsätzlich verstehe ich nicht ganz, wozu diese Forderung sachlich dienlich sein soll", sagt Silvia Hruška-Frank, Bereichsleiterin Soziales bei der Arbeiterkammer.
Was das Homeoffice angeht, habe man "gemeinsam als Sozialpartner" das entsprechende Gesetz auf den Weg gebracht. Und darin sei die Freiwilligkeit als wichtiger Faktor verankert. "Ich weiß nicht, warum man das jetzt in Frage stellt", so Hruška-Frank.
Bei der Bezeichnung von leichten Symptomen sei sie sowieso kritisch. "Die entscheidende Frage ist, ob jemand arbeitsfähig ist. Wir wissen ja, dass das keine banale Erkrankung ist."
Vielmehr gebe es ein ganz anderes Problem: "60 Prozent der Menschen sagen", dass sie Homeoffice machen, anstatt Pflegefreistellung zu nehmen, 56 Prozent geben auch an, dass sie Homeoffice machen, wo sie früher im Krankenstand gewesen wären, erkärt die Expertin mit Verweis auf Daten aus einer Befragung der IFES im Auftrag der Arbeiterkammer, die Ende 2020 publiziert wurde.
Die Menschen, die direkt vor Ort an der Arbeitsstätte fehlen, erwische man mit der Durchsetzung dieser Forderung ohnehin nicht. Wiewohl ja unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Symtomfreiheit für 48 Stunden), in manchen systemrelevanten Berufen auch positiv Getestete an die Arbeitsstätte kommen können, etwa bei Kranken- und Kuranstalten.
Vorschlag "vollständig" abgelehnt
Ähnlich kritisch sieht der Österreichische Gewerkschaftsbund ÖGB die Forderung des Wirtschaftsbundes: "Generell muss Homeoffice von beiden Seiten schriftlich vereinbart werden, also vom ArbeitnehmerIn und Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann daher Homeoffice in keinem Fall anordnen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme aus dem ÖGB gegenüber dem KURIER. "Es kann auch niemand einseitig im Homeoffice bleiben, weil er oder sie Angst davor hat, in der derzeitigen Situation die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen."
Außerdem erhalte der Arbeitgeber für die Ausfallszeit einen vollen Ersatz vom Bund. "Wenn ArbeitnehmerInnen nun im Homeoffice arbeiten müssen, dann bekommt der Arbeitgeber einen Ersatz, obwohl es keinen Ausfall gibt", heißt es weiter. Der ÖGB lehnt den Vorschlag daher "vollständig ab".
Industrie unterstützt
Sehr wohl etwas abgewinnen kann dem Wirtschaftsbund-Vorstoß die Industriellenvereinigung. Es gelte, die Produktion aufrecht zu erhalten, um Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität des Landes aufrecht zu erhalten.
"Das muss auch während der aktuellen Omikron-Welle gelten. Umso wichtiger ist daher eine pragmatische Lösungen für berufstätige Menschen, die sich in Quarantäne begeben müssen oder einen symptomlosen Verlauf haben. Die Industrie unterstützt daher den Vorstoß des Wirtschaftsbundes, dass die Quarantäne keine automatische Befreiung von der Arbeit bedeutet, sondern wie bisher die Krankschreibung durch den Arzt", heißt es von der Industriellenvereinigung.
WK ebenso dafür
Auch die Wirtschaftskammer steht dem Vorstoß des Wirtschaftsbundes wohlwollend gegenüber: "Wenn im Falle einer Corona-Infektion keine Symptome vorhanden sind, ist aus unserer Sicht die Vereinbarung von Homeoffice durchaus sinnvoll."
Das wäre unter diesen Umständen eine "Win-Win-Situation", wenn "der Arbeitnehmer nicht aus dem Arbeitsalltag gerissen wird, keine Kollegen für ihn einspringen müssen und es in den durch die Omikron-Welle ohnehin schon stark belasteten Unternehmen nicht zu noch mehr Personalausfällen kommt".
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