Covid-Wirtschaftshilfen: Steuerberater völlig überlastet
Die Telefone läuten pausenlos, der eMail-Ordner quillt über: In den Steuerberatungskanzleien herrscht seit Montag wieder Ausnahmezustand. Just in der Zeit, wo Schlussrechnungen und Jahresabschlüsse gemacht werden müssen, schlagen die Covid-Wirtschaftshilfen wieder auf. Anstatt die wirtschaftlichen Begleitmaßnahmen rechtzeitig vorzubereiten, stolperte die Politik diesmal eher desorientiert in den vierten Lockdown.
Viele Betriebe wissen daher nicht, welche Hilfen sie wie lange beantragen können oder sollen, es herrscht allgemeines (Rechts-)Chaos.
„Die Kolleginnen und Kollegen sind nicht mehr am Limit, sondern schon teilweise über dem Limit“, schildert Herbert Houf, Präsident der Kammer für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW), die aktuelle Stimmungslage in seiner Zunft.
Seit Beginn der Pandemie herrsche Dauerstress. Wegen Serverüberlastungen könnten Covid-Hilfsansuchen mitunter nur mitten in der Nacht gestellt werden. „Um Fristen nicht zu versäumen, stellen sich Kollegen den Wecker für 2 oder 5 Uhr früh.“
Mitarbeiter würden scharenweise kündigen, weil sie die Arbeitsbelastung nicht mehr aushalten. Manche hatten seit Beginn der Pandemie keinen Urlaub. Dazu kämen viele Covid-bedingte Ausfälle. Das wiederum wirke sich „dramatisch auf die Kanzleien aus“, die jetzt schon unter akutem Fachkräftemangel stöhnen. Österreichweit gibt es fast 1.000 offene Stellen.
Die aktuellen, verlängerten Covid-Hilfsmaßnahmen wie Kurzarbeit, Ausfallsbonus, Verlustersatz oder Härtefallfonds seien unwirksam, wenn sie gar nicht oder zu spät umgesetzt werden. „Wenn die Hilfsprogramme helfen sollen, dann muss es Rahmenbedingungen dafür geben, um alles richtig, korrekt und fristgerecht erledigen zu können“, fordert Houf Nachbesserungen. Es sei bereits fünf nach zwölf. „Wenn wir keinen Kollaps des Systems wollen, müsse die Politik über ideologische Grenzen hinweg den Druck herausnehmen.
Konkret fordert der Branchenvertreter folgende Maßnahmen:
- Großzügigere Fristen
Angesichts der chaotischen Lage brauche es eine „großzügige und rechtzeitige Fristenregelung“ für die Abwicklung aller Covid-Hilfsprogramme, die Einreichung von Jahresabschlüssen, Steuererklärungen oder statistischer Meldungen. Es sei nicht einzusehen, dass Antragsfristen zum Teil am Wochenende enden. Außerdem seien die IT-Systeme oft gar nicht in der Lage gewesen, die Flut an Anträgen zu verarbeiten.
Weiters sollen Fristversäumnisse nicht auch noch bestraft werden. „Jetzt, wo alle am Anschlag sind, hat niemand ein Verständnis dafür, dass geringste Verwaltungsübertretungen auch noch geahndet werden“, meint Houf. Hier müsste es Bagatellgrenzen geben. Am besten wäre eine „generelle Amnestie“ und Nachfrist für versäumte Fristen, bis sich die Lage normalisiere.
- Weniger Bürokratie
Allein der Antrag auf Kurzarbeit umfasst 26 Seiten. Das sei unnötig, da viele Daten beim Bund oder der Sozialversicherung ohnehin schon vorliegen würden. Teilweise müssten aufwendige Gutachten erstellt werden, hier könnten die formalen Erfordernisse gelockert werden.
- Mehr Rechtssicherheit
„Wir sind überschüttet von Richtlinien, bei denen monatelang über Auslegungsfragen diskutiert wird“, berichtet Houf. Die vielen Fragen & Antworten werden ständig überarbeitet, das Einhalten von Fristen dadurch zusätzlich erschwert. Es könne ob dieser Voraussetzungen auch nicht sein, dass Firmen von weiteren Hilfen ausgeschlossen werden, wenn sie wegen Fristversäumnis eine Verwaltungsstrafe erhalten haben.
Auch Steuerberater sind erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt, wenn bei den Anträgen inhaltlich etwas nicht stimmt oder Fristen nicht eingehalten werden.
Überförderung
Trotz der Bürokratiehürden sei die Kurzarbeit „die tragende Säule“ der Covid-Wirtschaftshilfen und auch am wirksamsten zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Der im ersten Lockdown rasch eingeführte Umsatzersatz habe hingegen teilweise übers Ziel geschossen, meint der Steuerexperte. „Ich selbst habe Fälle von Gastro-Firmen, die dank staatlicher Hilfe das beste Jahr hinter sich haben, weil sie nahezu ohne Kosten 80 Prozent des Umsatzes machten.“ Für kurzfristige Überbrückung sei die Hilfe richtig gewesen, aber nicht punktgenau. Der Ausfallsbonus habe sich da besser bewährt. Man brauche aber auch Förderungen für die Zeit danach, wie etwa die Investitionsprämie.
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