Die 5900 Steuerberater und 1965 Wirtschaftsprüfer sitzen am Puls der österreichischen Wirtschaft und kennen die Sorgen der Unternehmer bestens. Sobald die gesetzlichen Stundungen mit Ende März 2021 auslaufen, erwartet Herbert Houf, Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW), das Anrollen einer Insolvenzwelle.
Maximal 36 Monate haben die Unternehmen dann Zeit, ihre Steuerschulden in Raten abzustottern. „Es wird nicht allen gelingen, einen überzeugenden Rückzahlungsplan vorzulegen“, befürchtet Houf. Betroffen seien vor allem Gastronomie, Hotellerie, Reisebüros und die tourismusnahe Industrie. Schwer von der Pandemie getroffen seien auch der Handel sowie der Automotiv-Sektor mitsamt den Zulieferern.
Um die Pleitewelle abzumildern, fordern die Steuerberater mehr Zeit für die Abwicklung von Insolvenzen. Sinnvoll seien befristete staatliche Fortführungsgarantien, sodass die Insolvenzverwalter mehr Spielraum für eine Weiterführung hätten und nicht vorschnell zusperren würden. Zudem müsse mehr Eigenkapital in die Unternehmen fließen, statt staatlicher Förderungen. Houf urgiert steuerliche Erleichterungen für Risikokapital bei der Verrechnung von Verlusten. Der etwaige Entfall an Steuereinnahmen wiege die Direktförderungen locker auf.
Kein Überblick
Die Hilfsmaßnahmen der Regierung seien grundsätzlich „gut, richtig und wichtig. Aber das Wie ist verbesserungsfähig“. Mittlerweile haben oft nicht einmal mehr die Steuerberater einen Überblick, so komplex und miteinander verflochten seien die Förderungen. Als Beispiel nennt Houf die Frage: Fixkostenzuschuss oder Umsatzersatz? Oder den „Lockdown-Umsatzersatz II“ für indirekt betroffene Unternehmen. Über dieser Richtlinie hätten selbst die Experten der Kammer ein Wochenende lang gebrütet. Die Regelwerke „werden immer komplexer und der Zeitdruck ist enorm“. Die große Bitte an die Regierung: „Nicht noch mehr Komplexität, nicht noch 17 verschiedene, neue Instrumente“.
Die Unternehmen bräuchten dringend Planbarkeit, „es kann nicht sein, dass Regierung etwas ankündigt und dann gibt es wochenlang keine konkreten Lösungen. Das löst bei den Betroffenen Unbehagen aus. Die Regierung müsste den Unternehmen und den Menschen mehr mittel-bis langfristige Perspektiven geben und dafür Druck aus der Ankündigungspolitik nehmen“.
Sorgen macht Houf sich auch um den Staatshaushalt. Die milliardenschweren Hilfsprogramme würden, nicht nur in Österreich, keinen budgetären Spielraum zulassen. Er plädiert für eine dringende Konsolidierung nach der Krise und will sich gar nicht vorstellen, „was passiert, wenn die nächste Krise passiert und wir sind noch nicht konsolidiert“.
Ausnahmezustand
Dass die Steuerberater jetzt zu den Gewinnern der Pandemie gehören, will Houf nicht bestätigen. Man sei weit davon entfernt, sich zu beklagen, argumentiert der KSW-Chef, doch durch den hohen Zeitdruck, die Komplexität und die Erwartungshaltung der Kunden befinde sich der Berufsstand „in einem Ausnahmezustand der Sonderklasse“. Steuerberater mit Kunden in den stark betroffenen Branchen hätten ebenfalls Umsatzrückgänge, teilweise werde auf Kredit gearbeitet. Qualität sei bei den aktuellen Rahmenbedingungen nur unter höchster Anstrengung möglich.
Kommentare