Coronavirus-Krise: Chinas Motor startet stotternd
Die wegen des Coronavirus staatlich verordnete Zwangspause ist beendet: Am Montag fuhren viele Betriebe in China nach den unfreiwillig verlängerten Neujahrsferien ihre Produktion wieder hoch.
Das gilt auch für die österreichischen Unternehmen. Von Normalität kann aber noch keine Rede sein. Die Behörden haben strenge Auflagen erteilt: Der Konzern müsse die Körpertemperatur seiner rund 1.100 Mitarbeiter messen, diese hätten Schutzmasken zu tragen, heißt es bei Miba. Der oberösterreichische Autoindustriezulieferer hat in Suhou bei Shanghai und Shenzhen nahe Hongkong wieder aufgesperrt. „Es wird auch kontrolliert, die nehmen das schon ernst“, sagte ein Sprecher.
Bei der chinesischen Schwester des Luftfahrtzulieferers FACC sind die Bänder ebenfalls angelaufen: Schaden sei noch nicht entstanden. China-Dienstreisen bleiben aber tabu, man hält stattdessen Videokonferenzen ab.
Der Feuerfestkonzern RHI Magnesita sieht nur gedämpfte Auswirkungen. Das Dolomitwerk in Chizhou sei in Teilbetrieb, alle anderen Werke arbeiteten normal.
Beim börsennotierten Lebensmittelkonzern Agrana stehen zwei von drei Werken in China still. Xianyang, wo Fruchtsaftkonzentrat hergestellt wird, hat bereits die behördliche Genehmigung, der Betrieb läuft am 17. Februar an. Der Standort Changzhou, wo Fruchtzubereitungen erzeugt werden, wartet auf grünes Licht, will aber diese Woche loslegen. In Dachang bei Peking werden seit 3. Februar wieder Fruchtzubereitungen produziert. Von 380 überwiegend lokalen Mitarbeitern ist laut Agrana keiner am Virus erkrankt. Ein internes Dienstreiseverbot im Konzern für Reisen von und nach China bleibt dennoch aufrecht.
Angespannte Lieferketten
Die Schwierigkeit: Je länger Werke geschlossen blieben, umso stärker fällt der Dominoeffekt aus. Nach und nach müssten auch andere Fabriken die Produktion drosseln oder einstellen, weil sie keine Rohstoffe und Vorlieferprodukte erhalten. Das macht dem Faserhersteller Lenzing zu schaffen, der zwei von drei Anlagen in seinem Werk in Nanjing kurzfristig heruntergefahren hat. Schuld sind Lieferengpässe bei Rohstoffen und geringere Nachfrage.
Ähnliche Probleme haben speziell Unternehmen der Elektronik- und Autobranche. Bei Fiat Chrysler würden Lieferengpässe die europäischen Werke in zwei bis vier Wochen treffen. Nissan legte die Fertigung im südjapanischen Kyushu temporär still und Renault setzt in Südkorea vier Tage aus, weil Teile fehlen. Apple-Zulieferer Foxconn muss das Werk in Shenzhen auf Geheiß von Chinas Behörden geschlossen halten. Am Standort Zhengzhou sind bisher nur 10 Prozent der Belegschaft zurück in der Arbeit.
Firmen müssten sich die Grundsatzfrage stellen, ob sie nicht auf sicherere Lagerbestände und mehrere Lieferanten setzen sollten, rät Robert Kromoser von Kearney Österreich. Angesichts von Handelskriegen, Wetterkapriolen, Kritik am CO2-Ausstoß langer Transporte und Risiken wie Corona werde kluges Risikomanagement immer wichtiger.
Sorgen, aber keine Panik bei Anlegern
Chinas Wirtschaft traf die Lungenkrankheit in einer heiklen Phase: Der Volksrepublik machte ohnehin schon der Exporteinbruch wegen des Handelskrieges mit den USA zu schaffen. Just als sich die Lage bei den wechselseitigen Strafzöllen dank des vorläufigen Handelsdeals zu entspannen schien, verpassten die Quarantäne-Maßnahmen der Wirtschaft den nächsten Schlag. Zudem ließ die grassierende – für den Menschen ungefährliche – Schweinepest die Fleischpreise und die Inflation stark steigen.
Wie so oft hält die Regierung in Peking mit Geldspritzen dagegen. Chinas Notenbank pumpte 240 Milliarden Dollar in den Markt, um die Schäden für die Wirtschaft abzumildern. Mehr als 300 Firmen – darunter bekannte Namen wie Handyhersteller Xiaomi oder Uber-Rivale Didi Chuxing – sollen günstige Kredite im Ausmaß von mehr als 8,2 Milliarden Dollar erhalten haben, berichtete Reuters.
Hälfte weniger Handys
An den Finanzmärkten war am Montag zwar Verunsicherung wegen der Coronavirus-Epidemie zu spüren, von Panikreaktionen war allerdings nichts zu bemerken.
Leichte Skepsis signalisiert auch die monatliche Umfrage der Beratungsfirma Sentix unter 1.086 Anlegern im Euroraum. Diese zeigte im Februar einen moderaten Rückgang der Konjunkturerwartungen von 7,6 auf 5,2 Punkte an – nach drei Anstiegen in Folge. Die Börsenindizes Eurostoxx50, der deutsche DAX und der Wiener ATX schlossen am Montag im Minus.
„Die entscheidende Frage bleibt, ob die Epidemie in zwei oder drei Wochen ihren Höhepunkt erreicht haben wird“, sagte Jochen Stanzl vom Brokerhaus CMC Markets. „Denn am Ende hilft alles Geld der Notenbanken nicht, wenn Firmen geschlossen bleiben, Lieferketten unterbrochen werden und der Konsum in hohem Maße darunter leidet.“So würden in China im ersten Quartal um 50 Prozent weniger Smartphones verkauft werden als Anfang des Vorjahres, erwartet eine Studie des Analysehauses Canalys. Das liege neben Lieferverzögerungen daran, dass derzeit viele Händler geschlossen haben.
Coronavirus: Tod von Arzt bringt Peking unter Druck
Weniger Wachstum
Dass die Lungenkrankheit der Wirtschaft schadet, steht somit außer Zweifel. Wie sehr, darüber tappen die Experten aber im Dunkeln. Naturgemäß ist China am stärksten betroffen. Die US-Investmentbank Goldman Sachs senkte ihre Wachstumsprognose im ersten Quartal 2020 von zuvor 5,6 Prozent auf 4 Prozent. Wenn der asiatische Wachstumsmotor ausfällt, so leidet darunter die globale Konjunktur: Die Experten von Capital Economics bezifferten die Belastungen für die Weltwirtschaft durch den Ausbruch auf 280 Milliarden Dollar (255 Milliarden Euro) im aktuellen Quartal. „Wenn wir richtig liegen, bedeutet dies, dass die weltweite Produktion erstmals seit 2009 nicht wachsen wird.“
Weniger Wachstum heißt weniger Ölbedarf: Der Preis für Nordsee-Rohöl der Sorte Brent fiel und ist so billig wie vor gut einem Jahr. Anfang Jänner lag der Preis noch bei rund 70 US-Dollar.
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