Corona-Jobkrise: Immer mehr Frauen länger arbeitslos
Frau A. ist froh, endlich wieder in ihrem erlernten Beruf als Schneiderin arbeiten zu können. Die Mutter von drei Schulkindern suchte monatelang vergeblich eine Stelle am derzeit angespannten Wiener Arbeitsmarkt.
Jetzt absolviert sie ein Job-Training in der „Kümmerei FAIRtigung Textil“. Der mit AMS-Mitteln finanzierte sozial-ökonomische Betrieb in Wien-Wieden kooperiert mit lokalen Designern und Start-ups. Sechs Monate kann Frau A. dort bleiben und sich weiterqualifizieren. Eine Kassa-Schulung habe sie schon gemacht, erzählt sie dem KURIER. Jetzt hofft sie, wieder eine reguläre Stelle im Handel zu finden. Für 30 Stunden, denn mehr sei ob der Betreuungspflichten nicht drin.
Längere Arbeitslosigkeit wird für immer mehr Frauen zur bitteren Realität. Wie die aktuelle Langzeitarbeitslosenstatistik zeigt (siehe Grafik), verfestigt sich die Arbeitslosigkeit bei Frauen derzeit stärker als bei den Männern.
Arbeitslosigkeit verfestigt sich
Ende August (aktuellste Zahl) war fast jeder zweite Arbeitslose, konkret 42 Prozent, länger als sechs Monate beim AMS vorgemerkt. 18 Prozent länger als ein Jahr. 121.000 Menschen wurden in der Statistik als „langzeitbeschäftigungslos“ geführt, sind also schon mindestens ein Jahr vorgemerkt, wobei kurze Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit hier anders als beim Status „langzeitarbeitslos“ unberücksichtigt bleiben.
Bei Frauen war der Anstieg mit 27 Prozent größer als bei den Männern mit 23 Prozent. Woran liegt das?
Mehr Auswahl
In der Corona-bedingt angespannten Arbeitsmarktlage gibt es generell wenig Arbeitsaufnahmen und die Betriebe haben eine größere Auswahl, fordern zum Teil hohe Flexibilität ein. „Wenn Arbeitgeber die Wahl haben, Mann oder Frau mit Betreuungspflichten, nehmen sie zu 100 Prozent den Mann“, weiß Swantje Meyer-Lange, Geschäftsführerin von arbeitplus Wien. Der Dachverband vertritt rund 60 sozial-ökonomische Betriebe, die langzeitbeschäftigungslose Menschen beraten, qualifizieren und beschäftigen.
Corona-Fallen
Corona-Maßnahmen wie Homeschooling oder Quarantäne würde Mütter stärker treffen und ihre Chancen bei Bewerbungen schmälern. „Männer werden bei Bewerbungsgesprächen grundsätzlich nie nach Betreuungspflichten gefragt. Da sind wir Lichtjahre von der Gleichberechtigung entfernt“, so Meyer-Lange. So lange die Corona-Krise anhält, sei der Zenit bei der Arbeitslosigkeit noch lange nicht erreicht.
Qualifizierung
Meyer-Lange verweist auch darauf, dass die Hälfte der langzeitarbeitslosen Frauen über keine ausreichende Qualifikation verfügt. Kommen Betreuungspflichten dazu, wird jedoch auch die Weiterbildung schwierig, weil dafür oft nicht ausreichend Zeit bleibt. Für über 50-Jährige seien langjährige Ausbildungen auch weniger sinnvoll, hier bräuchte es mehr niederschwellige Jobs etwa in Städten und Gemeinden. „Je mehr sich die Arbeitslosigkeit verfestigt, desto schwieriger die Re-Integration“, so die Expertin. „Wir müssen aufpassen, dass uns die Betroffenen nicht in Resignation abrutschen.“
„Hausfrauisierung“
Durch die Corona-Mehrfachbelastungen würden Mütter derzeit vermehrt die schwierige Jobsuche gleich ganz aufgeben und dem Arbeitsmarkt fernbleiben, weiß man beim AMS zu berichten.
Eine diesbezügliche Anfrage der SPÖ beim Arbeitsministerium ergab, dass im ersten Quartal 2020 die Zahl der weiblichen Nicht-Erwerbspersonen gegenüber dem Vorjahr um 20.000 auf 826.100 angestiegen ist. Einfach ganz zu Hause zu bleiben könnten sich – besonders in Wien – viele Mütter gar nicht leisten, meint Meyer-Lange. Auch bei Frau A. ist dies keine Option, zumal ihr Mann ebenfalls auf Jobsuche ist.
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