Corona-Hilfspaket: Woher Österreich 50 Mrd. Euro kriegt
„Koste es, was es wolle.“ So lautet der Leitspruch der Bundesregierung, um das vom Coronavirus wirtschaftlich gebeutelte Land wieder fit zu bekommen. Erst Anfang der Woche hat die Koalition die Coronahilfen von 38 auf 50 Milliarden Euro aufgestockt. Nach Jahren des Nulldefizit-Dogmas scheint also Geld doch in Hülle und Fülle vorhanden zu sein. Wieso ist ein hohes Defizit nun plötzlich kein Problem, und woher kommen all diese Milliarden?
Prinzipiell ist für Budget und Staatsfinanzen das Finanzministerium zuständig. Mit der Abwicklung der Finanzierung des Bundes ist eine seit 1993 tätige Tochter, die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA), betraut – auch für jene der Bundesländer, der ÖBB und der Bundesimmobiliengesellschaft. Die OeBFA sorgt für die Aufnahme von Geldern und deren Rückzahlung. Dies geschieht vorrangig über die Ausgabe (oder Aufstockung bereits laufender) Staatsanleihen.
Neue Schulden
Normalerweise nimmt die OeBFA jährlich im Durchschnitt 30 Milliarden an neuen Schulden auf. Eine ähnliche Größenordnung wäre ursprünglich auch für heuer geplant gewesen. Nun werden es 60 Milliarden Euro sein – „mindestens“, wie OeBFA-Sprecher Christian Schreckeis betont. Das bis dato höchste Finanzierungsvolumen ist natürlich Corona-bedingt. Spitzenreiter war zuvor das Jahr 2017 (siehe Grafik), in dem die Abwicklung der KA Finanz, die Bad Bank der einst notverstaatlichten Kommunalkreditgruppe, viel Geld verschlang.
Weniger Zinszahlungen
Die Neuverschuldung des Bundes ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Betrag, den die OeBFA am Kapitalmarkt aufnehmen muss. Die Schulden rollieren, sprich, alte Finanzierungen laufen aus und müssen bedient werden – ebenso wie laufende Zinszahlungen. Hier profitiert Österreich massiv von den Niedrigzinsen im Euroraum.
Betrug die durchschnittliche Verzinsung für Österreichs Staatsschulden 1990 noch 8,7 Prozent, waren es zehn Jahre später 5,3 Prozent. Im Vorjahr waren es gar nur noch 2 Prozent. Dadurch hat sich Österreich seit 2008 schon mehr als 70 Milliarden Euro an Zinszahlungen erspart.
„Die Risiken für den Staat sind viel geringer als vor 20 Jahren“, sagt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. Obwohl der Schuldenstand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt deutlich zulegen wird – laut Prognose des Finanzministeriums von 70,4 auf heuer 81,4 Prozent. Die EU-Defizitregeln geben eigentlich 60 Prozent vor. „Wir müssen uns davon verabschieden, dass der Schuldenstand zum BIP eine sehr wesentliche Größe ist“, sagt Bruckbauer zum KURIER. „Auch Staaten mit mehr als 200 Prozent wie Japan leben im Wesentlichen sehr gut damit.“ 200 Prozent heute seien wie 100 Prozent in den 1980er-Jahren.
Es komme jedoch auf drei Faktoren an: neben den Zinszahlungen auf die Bereitschaft der Gläubiger, auslaufende Schulden wieder zu refinanzieren. Dies ist in Österreich gegeben. Der Staat verfügt über gute Bewertungen der internationalen Ratingagenturen, die der Republik eine gute Bonität zuschreiben. Und nicht zuletzt spielt auch eine Rolle, wie sehr die Bürger bereit sind, dem eigenen Staat Geld zu borgen. Hier zeigt die Gläubigerstruktur, dass mehr gehen könnte. Aber Bruckbauer relativiert: „Bei diesen geringen Zinsen ist das egal.“
Enorme Entlastungen
Wichtiger sei das Engagement der Zentralbanken, allen voran der EZB. „Die Zentralbanken bringen eine enorme Entlastung“, sagt der Experte. „Sie haben unendlich viel Geld und nehmen auf alle Fälle Schuldpapiere ab.“
Konkret funktioniert der Investmentprozess so: Die OeBFA verlautbart so genannte Auktionstermine (heuer sind bei Bundesanleihen 12 geplant). Zu diesen werden die neuen Anleihen (oder Aufstockungen bestehender Papiere) den Investoren angeboten.
Daran teilnehmen dürfen nur berechtigte Institute (Primärhändler). Über diese können interessierte Investoren Gebote platzieren. Je nach Interesse und Geboten entwickeln sich dann die tatsächlichen Emissionsrenditen. Wiederholt lagen diese in der Vergangenheit im negativen Bereich. Sprich: Die Geldgeber sind sogar bereit, etwas zu zahlen, wenn sie in heimische Staatspapiere Geld anlegen. Sicherheit geht ihnen also vor Rendite.
„Die wichtigste Anleihe ist die 10-jährige“, klärt OeBFA-Sprecher Schreckeis auf. Denn ihre Konditionen werden zum Vergleich mit gleich lang laufenden Anleihen anderer Staaten herangezogen. In der Regel sind die Laufzeiten von Staatsanleihen einige Jahre, wobei es auch Papiere gibt, die erst in 30 oder 50 Jahren enden. Österreich preschte vor drei Jahren sogar mit einer 100-jährigen Anleihe vor. Das Interesse – vor allem großer Pensionsversicherungen, die das Papier zur Absicherung erwerben – war riesig.
Ausblick
Bruckbauer macht sich um die Finanzierungsfähigkeit des heimischen Staatshaushalts auch in den nächsten Jahren keine Sorgen. „Natürlich geht das nicht unendlich, sonst hätten wir das immer schon so gemacht. Irgendwann schlägt die Realität zu, aber davor sind wir noch sehr weit weg.“ In den nächsten 18 bis 24 Monaten werde der Staat jedenfalls weiterhin diesen Ausgabekurs fahren. „Wir haben ein Freispiel. In der jetzigen Situation geht das. Die Wachstumsprogramme werden sich von selbst tragen.“
Zugleich warnt der Ökonom in dieser Situation vor einer Überregulierung, etwa durch Verstaatlichungen. Und auch strukturelle Probleme sollten jetzt angegangen werden. „Nutzen wir die Chance.“
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