Chinas Firmen halten sich in Russland zurück

Ukraine lifts coronavirus lockdown
Westliche Sanktionen gelten als Bremse. Finanzsanktionen und Hightech-Exportverbot wirken sich aus.

Als der Westen nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 Sanktionen gegen Russland verhängte und sich etwa deutsche Firmen zurückzogen, sprangen chinesische Firmen rasch in die Bresche. Doch derzeit halten sich Chinas Firmen weitgehend zurück - obwohl viele westliche Unternehmen wie Apple, Nike oder die Modekette H&M ihre Geschäfte in Russland einstellen oder aussetzen.

Verantwortlich dafür ist vor allem das Ausmaß der westlichen Sanktionspakete - und hierbei die Technologie-Exportverbote und der Ausschluss vieler russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift.

Partnerschaftsabkommen mit Russland

Auf den ersten Blick wirkt die Zurückhaltung chinesischer Unternehmen überraschend. Schließlich gibt es eine klare politische Rückendeckung für das Russland-Geschäft. Die chinesische Regierung hatte nur wenige Wochen vor dem Einmarsch Moskaus in die Ukraine ein weitreichendes Partnerschaftsabkommen mit Russland geschlossen.

Und die Führung in Peking hat zudem deutliche Position nach der Invasion bezogen: Sie macht die NATO-Erweiterung für den Konflikt verantwortlich, kritisiert die westlichen Sanktionen und nicht etwa den russischen Angriffskrieg. Auch in den sozialen Medien zeigt die chinesische Öffentlichkeit eine überwältigende Unterstützung für den russischen Angriff, den Moskau als "Spezialoperation" bezeichnet.

Kritik an chinesischen Unternehmen

Dennoch scheinen etliche chinesische Firmen nicht zu wissen, wie sie reagieren sollen, ob sie in die Offensive gehen sollen oder sich zurückziehen müssen. Wie heikel die Stimmung ist, bekam der chinesischer Fahrdienstvermittler Didi Chuxing zu spüren: Nach der Ankündigung des Uber-Rivalen, sich aus Russland zurückzuziehen, wurde die Firma in sozialen Medien in China beschuldigt, dem Druck der USA auf Moskau nachzugeben.

Später nahm Didi Chuxing die Entscheidung ohne Angabe von Gründen wieder zurück. Auch der weltgrößte PC-Hersteller Lenovo wurde in China heftig kritisiert, als ein weißrussischer Nachrichtensender ohne nähere Belege berichtete, dass das Unternehmen seine Lieferungen nach Russland einstellen werde.

Die Entscheidung ist auch angesichts der relativ geringen Größe des russischen Markts für chinesische Firmen schwierig. "Für die meisten Unternehmen ist der russische Markt einfach zu klein, als dass sich das Risiko lohnen würde, von den entwickelten Märkten abgeschnitten oder selbst sanktioniert zu werden", schreibt Dan Wang, Analyst bei Gavenkal Dragonomics.

US-Geschäft sehr wichtig und EU-Binnenmarkt viel größer als russischer Markt

"Die großen chinesischen Firmen achten genau darauf, ob sie durch ihr Engagement irgendwelche Sanktionsregeln verletzten. Denn für viele ist das US-Geschäft sehr wichtig", sagt auch der Geschäftsführer des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Michael Harms, zu Reuters. Auch der EU-Binnenmarkt ist ein Vielfaches größer als der russische.

Ein Beispiel ist der Smartphone- und der Auto-Markt. Laut dem Marktforschungsunternehmen IDC belief sich der russische Smartphone-Markt im vergangenen Jahr auf 31 Millionen Geräte, was nur ein Zehntel des chinesischen Inlandsmarkts ausmacht. Im Bereich der Smartphones konkurrieren chinesische Marken wie Xiaomi und Honor mit dem Marktführer Samsung und Apple um den Absatz in Russland. Auch chinesische Autohersteller wie Great Wall und BYD haben in den vergangenen Jahren den russischen Markt ins Visier genommen haben.

Durch die Entscheidung, in Russland zu bleiben, könnten chinesische Unternehmen zwar dort Marktanteile gewinnen. Aber wie lange sie dort noch verkaufen können, ist angesichts der eskalierenden Sanktionen und vor allem der Exportbeschränkungen für Hightech-Produkte eine große Frage, so Analysten.

Chips

Denn die chinesischen Smartphone-Hersteller verwenden Chips, die zumindest teilweise mit Technologie aus den USA entwickelt wurden. Dies könnte dazu führen, dass sie sekundären Sanktionen gegen Russland unterliegen. Die "Foreign Direct Product Rule" besagt, dass Produkte mit einem bestimmten Prozentsatz an Technologie mit US-Ursprung nicht ohne eine ordnungsgemäße Lizenz an die betroffenen Parteien geliefert werden dürfen. Die USA, die EU und Japan haben aber Lieferverbote für Hightech-Komponenten ausgesprochen, die sich in vielen Produkten finden.

Lieferketten

"Chinesische Unternehmen müssen also intuitiv und technisch einschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die von ihnen hergestellten Produkte und die damit verbundenen Vorleistungen und Anlagen von diesen komplexen Vorschriften erfasst werden", sagt Nathan Bush, der bei der Anwaltskanzlei DLA Piper in Singapur im Bereich Handels- und Kartellrecht tätig ist. Chinesische Firmen würden angesichts der "teuflisch komplizierten" Natur der Regeln für ausländische Direktprodukte wahrscheinlich erst einmal eine Pause einlegen, um die Anfälligkeit ihrer Lieferkette zu bewerten.

Nur hält Ostausschuss-Geschäftsführer Harms dies für ein Übergangsphänomen. "Es gibt den Trend, dass chinesische Firmen für westliche Firmen einspringen", betont er und verweist darauf, dass es jenseits des Hightech-Bereiches viele andere Geschäftsbeziehungen gab. "Wegen der Zahlungsprobleme können in Russland nur noch eingeschränkt Waren oder Zulieferungen aus Westeuropa bezogen werden - auch in Bereichen, die gar nicht unter die Sanktionen fallen", sagt er. Das lasse russische Kunden nach China blicken. "Wir haben einen ähnlichen Effekt nach 2014 gesehen."

Kommentare