IT-Expertin zur Personalkrise: "Mehr Wissen von außen zulassen"

IT-Expertin zur Personalkrise: "Mehr Wissen von außen zulassen"
Ohne Anwerbung von IT-Fachkräften aus Drittstaaten werde es nicht gehen, meint Country Managerin Martina Sennebogen.

Die akute Fachkräftekrise im Technologiesektor sei im Inland allein nicht zu lösen, ist Martina Sennebogen, Country Managerin von Capgemini Österreich, überzeugt. Sie plädiert im KURIER-Gespräch für mehr Kooperation zwischen den Unternehmen und gezielte Anwerbung ausländischer Spezialisten.

Die 40-Jährige Kärntnerin leitet seit Jahresbeginn die lokale Niederlassung des global agierenden Technologie-Beratungs- und Engineering-Unternehmens. Zuvor war sie elf Jahre lang bei Microsoft Österreich in unterschiedlichen Funktionen tätig. Capgemini beschäftigt hierzulande 250 Mitarbeitende. Zu den Kunden zählen vor allem Großunternehmen aus dem Finanz-, Industrie- sowie öffentlichen Sektor.

Gute Auftragslage, zu wenig Personal

„Die Auftragslage ist nach wie vor gut, aber ein wenig verhaltener als noch vor einigen Monaten“, erzählt Sennebogen. Vor allem jene Unternehmen, die die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zu spüren bekommen, würden bei Neuinvestitionen bremsen und nur noch unbedingt nötige IT-Projekte umsetzen. Cybersicherheit sei eines der Hauptthemen in den Betrieben.

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G’riss um Spezialisten

Nach wie vor könnten viele IT-Aufträge wegen Personalmangels aber gar nicht ausgeführt werden. Die Folge sei ein regelrechtes G’riss um Spezialisten, das letztlich niemanden helfe.

„Ich halte nichts davon, dass die Betriebe jetzt IT-Experten gegenseitig abwerben. Das ist keine gesunde Entwicklung“, sagt Sennebogen. Damit würden die Gehälter in die Höhe getrieben, aber die Personal-Engpässe nicht gelöst. Vielmehr sollten die Betriebe bei der Aus- und Weiterbildung – vor allem bei der Lehre – enger zusammenarbeiten, um für die IT-Branche insgesamt mehr Arbeitskräfte zu bekommen.

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Know-How fehlt

Ohne ausländische Fachkräfte werde es ohnehin nicht gehen, glaubt die Firmenchefin. „Es gibt Technologie-Know-How, das es in Österreich so einfach nicht gibt, beispielsweise im Bereich 5G“. Unternehmen müssten mehr Mut haben und „Wissen von außen zulassen“.

Sennebogen selbst stellte erst kürzlich einen Experten für die digitale Transformation aus Indien ein. Sechs Monate habe der gesamte Rekrutierungsprozess über die Rotweißrot-Karte gedauert. Das vergleichsweise viel zu lange Visum-Prozedere, aber auch fehlende Willkommenskultur, was Sprache und Kultur anbelangt, würden die Anwerbungen erheblich erschweren. „Da kann man von anderen Ländern, die schon weiter sind, viel lernen“, weiß Sennebogen. So seien etwa ethnisch gemischte, englischsprachige Führungsteams bei globalen Unternehmen längst keine Besonderheit mehr, im heimischen Mittelstand aber noch immer undenkbar. „Führungskräfte und Experten aus Drittstaaten müssen ja nicht auf Dauer hierbleiben“, argumentiert die Managerin, „es reichen ein paar Jahre, in denen sie hier sind und ihr Wissen weitergeben“.

Aber müssen IT-Arbeitskräfte in Zeiten von Remote-Work – arbeiten, ohne vor Ort präsent sein zu müssen, Anm. – überhaupt noch ins Land geholt werden? „Ja“, ist Sennebogen überzeugt. Trotz fortschreitender Digitalisierung könnten auch in Zukunft bei Weitem nicht alle Tätigkeiten remote erledigt werden. Der Faktor Mensch könne nicht so einfach durch Maschinen ersetzt werden.

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