Fachkräftemangel: IT-Spezialisten für KMU kaum noch leistbar

Viele neue Jobs entstanden im IT-Umfeld
Software-Entwickler können sich die Jobs derzeit aussuchen. Kleinere Betriebe haben das Nachsehen.

Das Loch zwischen Jobangebot und -nachfrage in der Informationstechnologie (IT) wächst sich zum Krater aus: Allein in Deutschland gibt es laut Branchenverband Bitkom 82.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte, um 50 Prozent mehr als im Vorjahr. In Österreich können laut Wirtschaftskammer aktuell zumindest 5000 IT-Stellen nicht besetzt werden.

Ursache für die Vakanzen sind nicht nur fehlende Qualifikationen, sondern auch das gestiegene Gehaltsniveau. So geben 76 Prozent der von Bitkom befragten Unternehmensvertreter an, dass die Bewerber zu viel Gehalt forderten. Besonders Klein- und Mittelbetriebe könnten im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht mehr mithalten. Das sei auch in Österreich so, bestätigt Peter Lieber, Präsident des Verbandes Österreichischer Software Industrie (VÖSI), dem KURIER: „Wir haben ein Diva-Problem in der Branche. Es gibt zu wenige Spezialisten. Und einige sind so von sich überzeugt, dass sie völlig überzogene Gehaltsforderungen stellen.“

Fachkräftemangel: IT-Spezialisten für KMU kaum noch leistbar

VÖSI-Chef Peter Lieber

Einstieg ab 3000 Euro

Allein in den vergangenen zwei bis drei Jahren seien die Gehälter für IT-Spezialisten um ein Drittel in die Höhe geschnellt. HTL-Absolventen werden Einstiegsgehälter von 3000 Euro brutto im Monat geboten, mit etwas Berufserfahrung sind 4000 bis 6000 Euro drin. Besonders gefragt: Security- und Daten-Experten sowie die Kombination aus technischen und betriebswirtschaftlichen Qualifikationen.

Abwerbungen

IT-Kräfte mit guter Ausbildung werden von globalen Konzernen abgeworben oder gehen nach Deutschland, wo das Gehaltsniveau noch um ein Drittel höher ist. Kleinere Betriebe, aber auch Forschungseinrichtungen können da schwer mithalten. „Viele unserer Mitarbeiter könnten in der Privatwirtschaft locker das Doppelte verdienen“, weiß Helmut Leopold, Chef des Center for Digital Safety & Security am Austrian Institute of Technology (AIT). Ein interessantes Arbeitsumfeld, „coole Projekte“ und gute Arbeitsbedingungen sollen die Forscher am Institut halten. „Reich wird man bei uns nicht.“

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel sieht Leopold vor allem die Schulen gefordert, die teilweise veraltetes Wissen lehren würden. „Software ist heute überall, die Software-Entwicklung viel komplexer und vernetzter als vor 20 Jahren.“ Komplexe Systeme würden andere, breitere Qualifikationen benötigen. Es gehe längst nicht mehr nur ums Programmieren von Codes, sondern um die gesamte Architektur und wie diese sicher aufgesetzt werden kann.

Coding-Lehre zu spät

Skeptisch sind die beiden Experten daher, was den von der Regierung neu eingeführten Lehrberuf „Coding/Applikationsentwicklung“ betrifft. „Der Lehrberuf kommt für unsere Branche 20 Jahre zu spät und wird das Personalproblem nicht lösen“, meint Lieber. Programmierleistungen würden heute in der Ukraine für sieben Euro pro Stunde zugekauft. Zum Vergleich: In Österreich beginnen die Stundensätze bei rund 50 Euro, in der Slowakei bei 40 Euro.

In der von Ein-Personen-Unternehmen (EPU) dominierten IT-Branche gibt es zudem kaum Ausbildungsbetriebe. Ein hausgemachtes Problem, das durch den Start-up-Hype noch größer wurde. 68.000 Betriebe im Bereich Unternehmensberatung/IT bilden gerade einmal 850 Lehrlinge aus. Der Software-Verband VÖSI hat aktuell 45 Mitgliedsbetriebe, darunter große Unternehmen wie Microsoft, IBM, Atos oder Raiffeisen Informatik, aber auch kleinere Spezialisten.

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