Brunner appelliert an Experten: "Kredite leichter möglich machen"

Brunner appelliert an Experten: "Kredite leichter möglich machen"
Der Finanzminister glaubt weiter an die Koalition mit den Grünen. Kickl als Kanzler kann er sich nicht vorstellen, dafür aber lockerere Kreditregeln

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist stolz auf das Erreichte und ist optimistisch, was weitere Reformen der Koalition bis zum Wahltermin Herbst 2024 angehen.

KURIER: Herr Minister, wie steht es um den Wirtschaftsstandort Österreich? Wir sind zuletzt in einem wichtigen Ranking abgerutscht, Wirtschaftskammer und WIFO haben mit Hinweis auf die Energiepreise Alarm geschlagen. Christoph Leitl würde sagen, der Standort ist abgesandelt. Was sagen Sie?

Magnus Brunner: Wir sind gerade im Vergleich nicht so schlecht unterwegs. Die Schreckensszenarien, die uns vor einem Jahr prophezeit wurden, sind nicht eingetreten. Das Wachstum ist bescheiden, aber doch vorhanden und liegt über dem europäischen Durchschnitt. Deutschland ist in einer leichten Rezession, wir liegen besser. Auch die Beschäftigungssituation ist durchaus positiv. Wir suchen sogar dringend nach Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Das ist die eine Seite. Aber selbstverständlich bemühen wir uns den Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten.

Und zwar?

So wie Bundeskanzler Nehammer vergangene Woche zu einem Hochtechnologie-Gipfel eingeladen hat, um das Thema Halbleiter und Mikrochips weiter zu bringen. Das ist ganz entscheidend für unseren Standort, viele Arbeitsplätze hängen daran. Österreich nimmt hier eine Vorreiterrolle in Europa ein und diese Rolle sollte man noch ausbauen. Aber auch im Arbeitsmarktbereich wollen wir einiges angehen. Zum Beispiel: Wie können wir es gestalten, dass ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsleben bleiben.

Video: Ausführliche Sommergespräch mit Finanzminister Magnus Brunner

In der Koalition ist es derzeit offenbar schwer, Prioritäten zu setzen. Da fallen eher die Misstöne auf, Stichwort: Präfaschismus. Wenn schon bei Türkis-Grün nichts mehr weiter geht, wäre es nicht verantwortungsvoller zu sagen, okay, Schlussstrich, wir setzen im Frühjahr Neuwahlen an?

Nein, überhaupt nicht. Es geht viel weiter. Vom Regierungsprogramm haben wir aktuell zwei Drittel abgearbeitet. Wir haben die Spendenabsetzbarkeit neu aufgestellt, wir haben ein Start-up-Paket geschnürt. Und ja, ein paar Themenkomplexe sind noch offen. Aber wir haben noch mehr als ein Jahr Zeit bis zur nächsten Wahl. Über den Sommer wird natürlich weitergearbeitet. Wenn man sich anschaut, was alles erledigt wurde, in meinem Bereich die Steuerreform oder die Abschaffung der kalten Progression, da ist schon sehr viel weiter gegangen.

Vieles wird dennoch im Parteienstreit untergehen. Droht nicht in Wahrheit ein verlorenes Jahr bis Herbst 2024?

Das hoffe ich nicht, das wäre auch nicht sinnvoll. Wir sind unterschiedliche Parteien, haben unterschiedliche Zugänge, aber das ist eigentlich auch das Wesen einer Koalition.

Fallen Ihnen drei konkrete Reformen ein, die Türkis-Grün noch umsetzen wird?

Ja, selbstverständlich. In meinem Bereich das Vorsorgedepot, wo wir unserem Koalitionspartner auch schon stark entgegen gekommen sind. Im Energiebereich müssen wir noch einiges auf den Boden bringen. Oder das Informationsfreiheitsgesetz. Da gibt es einige Themen, wo die Verhandlungen bereits laufen.

Die Inflation ist zuletzt etwas gesunken, aber es bremst sich ja nur der Preisanstieg ein, es wird bis auf Benzin nichts billiger. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Anti-Teuerungs-Hilfen auslaufen zu lassen?

Es ist der richtige Zeitpunkt jene Hilfen auslaufen zu lassen, die die Inflation antreiben. Beispielsweise haben wir bei der Pendlerpauschale die Erhöhung wieder auf den normalen Stand zurück gefahren. Aber die Senkung der Energieabgaben werden wir beibehalten. Das schauen wir uns im Detail an. Der wichtigste Punkt ist aber schon Gesetz und erledigt: Die Steuerzahler profitieren vor allem von der Abschaffung der kalten Progression. Da geht es 2024 um 3,5 Milliarden Euro, die die Steuerzahler weniger zahlen müssen.

Neben der Inflation ein zweites Ärgernis sind die steigenden Zinsen und damit teureren Kredite. Werden Sie auf ihre Beamten Druck machen, dass die strengeren Kreditvergaberegeln wieder gelockert werden?

In dem entscheidenden Finanzmarktstabilitätsgremium sitzen unabhängige Experten und nicht weisungsgebundene Beamte. Ich kann da also keinen Druck ausüben. Aber mein Appell an die Experten ist, die strenge Verordnung weiter zu lockern. Im April ist da ein erster Schritt geglückt. Das hat geholfen, ist aber noch zu wenig. Ich hoffe daher auf weitere Lockerungen, um Kredite wieder leichter möglich zu machen.

Sind die vielen großen Brocken und Themen der Zukunft nicht am ehesten mit den Sozialpartnern und im Rahmen einer großen Koalition zu lösen?

Die Koalitionsfrage stellt sich jetzt überhaupt nicht. Das entscheiden die Wähler im nächsten Jahr. Dem kann und will ich nicht vorgreifen.

Bundeskanzler Nehammer hat deutlich gemacht, dass er mit Herbert Kickl nicht zusammen arbeiten will. Halten Sie Kickl auch für ein „Sicherheitsrisiko“?

Ich bin froh, dass der Bundeskanzler so eine klare Aussage getätigt hat. Ich kann mir einen Bundeskanzler Kickl einfach nicht vorstellen. Das ist für mich ganz klar. Kickl hat mit seinen sicherheitspolitischen Aussagen Linien überschritten und das Fass zum Überlaufen gebracht.

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