Belvedere-Finanzchef: "Erst in drei Jahren wieder normale Lage"
Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) will jetzt „Nägel mit Köpfen machen“ und einen Fahrplan vorlegen, wie kulturelle Veranstaltungen im Juli und August – unter der Voraussetzung niedriger Infektionszahlen – stattfinden können. Das sagte Lunacek gestern, Dienstag, im Ö1-Morgenjournal.
Langsam aber sicher aufsperren werden ab Freitag die Museen, die seit Mitte März geschlossen sind. Eines ihrer Hauptprobleme ist wie in der Wirtschaft generell Liquidität. Hier will Lunacek Abhilfe schaffen, wie sie sagte.
Langsamer Neustart
Wie der Neustart funktionieren und das Geschäft – wenn überhaupt – wieder laufen soll, darüber sprach der KURIER mit Wolfgang Bergmann. Der langjährige Medienmanager ist seit Jänner 2017 kaufmännischer Geschäftsführer des Belvedere.
Am Freitag öffnet das Belvedere in Wien schrittweise wieder seine Pforten. Das Untere Belvedere macht für die laufende Ausstellung „Into the Night“ noch einmal für zwei Wochen auf. Am 1. Juni öffnet das Belvedere 21 am Arsenal und ab 1. Juli dann das Obere Belvedere.
KURIER: War der Lockdown notwendig?
Wolfgang Bergmann: Ja. Es gab dazu keine Alternative.
Das Belvedere sperrt jetzt also endlich wieder auf. Zufrieden?
Jetzt beginnen eigentlich erst die Probleme.
Welche Probleme denn?
Wir wissen nicht, wie die Besucherzahlen aussehen werden. Und wir wissen nicht, wann die internationalen Reisebeschränkungen aufgehoben werden. Wir fahren im Nebel.
Das Belvedere hat jährlich 1,7 Millionen Besucher. Die meisten sind Touristen. Können Sie da die wichtigsten Herkunftsländer nennen?
Im Schnitt sind 80 Prozent der Besucher Touristen. Die meisten kommen aus Südkorea, gefolgt von den Italienern und den Deutschen.
Hat man in der Vergangenheit also zu sehr nur auf die Karte Tourismus gesetzt?
Ich höre diese Kritik immer wieder. Aber die Realität ist doch die: Internationale Besucher haben den Großteil des kulturellen Programms finanziert. Hätten wir darauf verzichten sollen? Auf das internationale Interesse sollten wir eigentlich stolz sein.
1,7 Millionen Besucher jährlich zählte das Belvedere zuletzt. Der Großteil davon sind Touristen: nämlich 80 Prozent. Der Großteil davon kommt aus Südkorea, Italien und Deutschland
30 Millionen Euro Umsatz erzielte das Belvedere zuletzt.
300 Beschäftigte zählt das Belvedere aktuell. Rund 200 davon befinden sich derzeit noch
in Kurzarbeit.
Und wann wird sich die Lage im Museumsbetrieb Ihrer Meinung nach wieder normalisieren?
In drei Jahren!
Drei Jahre? Ernsthaft?
Frühestens. Selbst wenn die Reisebeschränkungen aufgehoben werden, wird sich international die Reise- und Kulturlust aufgrund der globalen Wirtschaftskrise in Grenzen halten. Um in dieser Zeit den Betrieb aufrechterhalten und die Mitarbeiter weiter voll beschäftigen zu können, brauchen wir zusätzliche Unterstützung.
Deshalb wollen Sie also eine Verdreifachung der jährlichen Basisabgeltung vom Bund von 9 auf 27 Millionen Euro?
Ich habe gesagt, dass wir bei einem Komplettausfall der internationalen Einnahmen, eine Verdreifachung der Basisfinanzierung bräuchten. Das ist übrigens der Wert den das Kunsthistorische Museum hat. Den Komplettausfall wird es aber nicht dauerhaft geben. Es ist aber jetzt eine substanzielle Hilfe notwendig, bis wir wieder normale Verhältnisse haben. Die Alternative wäre ein Personalabbau samt dramatischer Reduktion von Programm und Ausstellungsfläche. Es ist aber wohl sinnvoller, Jobs zu finanzieren, statt Arbeitslose.
Aber ein Defizit mit OK des Eigentümers sollte ja kein Problem sein.
Ja, wenn es das OK gibt. Das liegt aber noch nicht vor. Als Geschäftsführer darf ich schon aus rechtlichen Gründen nicht einfach mit sehendem Auge ein Defizit zulassen. Deshalb braucht es vom Bund eine zugesagte Defizitabgeltung. Die muss übrigens vorher und nicht nachher am Konto sein, sonst müssten wir mangels Liquidität Insolvenz anmelden.
Sie sehen die Weiterführung der Kurzarbeit kritisch. Warum eigentlich?
Die Personalkosten machen fast die Hälfte unseres Budgets aus. Die Kurzarbeit hat also in der Schließzeit kurzfristig eine wichtige Kostenentlastung gebracht. Aber in weiterer Folge finanziert sie letztlich das Niederlegen von Arbeit anstelle des Aufrechterhaltens der Institutionen. Jetzt brauchen wir andere Lösungen. Für das gleiche Geld, das die Kurzarbeit den Staat kostet, kann er auch Leistung bekommen.
Sie hätten also für die meisten der 200 von 300 Beschäftigten, die Sie auf Kurzarbeit haben, jetzt eine Beschäftigung?
Ja, leider keine, die Umsätze bringt, aber eine die unsere Präsentation verbessert. Außerdem werden wir aufgrund der neuen Sicherheitsbestimmungen mehr Personal für weniger Besucher brauchen.
Wie funktioniert die Wiedereröffnung und was bedeutet das für die Besucher?
Wir haben im vergangenen Jahr aufgrund der hohen Besucherzahlen die Kontingentierung eingeführt. Die Technik dazu hilft uns jetzt, die Besucherzahl unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften gut zu steuern.
Was heißt das?
Man bucht sein Ticket online im Voraus und wählt dabei die Besuchszeit. Das heißt: man steht in keiner Warteschlange vor der Kassa und oder beim Eingang, weil die Höchstzahl überschritten ist. Man wird übrigens so viel Platz haben, wie schon lange nicht.
Die Besuchszeit ist begrenzt?
Nein.
Wird es beim Eintrittspreis Lockangebote geben?
Unser wichtigstes Lockmittel ist die Kunst. Aber: Ja, wir werden den Umstieg auf die Onlinebuchung für das Obere Belvedere sehr preisattraktiv gestalten.
Wie planen Sie für 2021/’22?
Wir halten all die Projekte momentan in Schwebe. Das geht aber nur noch ein paar Wochen. Dann braucht es Entscheidungen von der Politik.
Schenken Regierung und speziell die Kulturstaatssekretärin der Kultur- und Kunstszene die nötige Aufmerksamkeit?
Das Problem für die Regierung ist wohl, dass alle Baustellen gleichzeitig offen sind. Und es gab wohl Themen, die Vorrang hatten. Wichtig ist aber, dass die Kultur jetzt beim Neustart entsprechend hoch gewichtet wird.
Welche Lehre ziehen Sie aus der Krise für die Zukunft?
Wir hatten sicher einen überhitzten Markt. Großausstellungen liefen oft nur drei bis vier Monate, weil man glaubte, dem Publikum eine gewisse Schlagzahl an Abwechslung bieten zu müssen. Das war ein internationaler Trend. Man hat entsprechende Leihgaben auch nicht länger bekommen. Hier brauchen wir ein Umdenken: Da muss man längere Zyklen anstreben.
Und wie haben Sie den Lockdown gemanagt?
Das Schließen eines Museums macht mehr Arbeit, als es offen zu halten. Die vergangenen acht Wochen fühlen sich an, wie eine einzige Videokonferenz.
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