Dass die Corona-Pandemie bei Augarten Porzellan 2020 für einen 30-prozentigen Umsatzrückgang auf 2,3 Millionen Euro und für einen Verlust von 600.000 Euro gesorgt hat, regt dort eigentlich niemanden besonders auf. Denn Augarten machte immer schon Verluste.
Herzensprojekt
Die Umsätze liegen in „normalen“ Jahren bei rund drei Millionen Euro, der Verlust bei 500.000 Euro, manchmal auch bei einer Million. Eigentümer Erhard Grossnigg soll einmal sogar gesagt haben, Augarten habe in den 300 Jahren seines Bestehens nur Verluste gemacht.
Warum er die Manufaktur trotzdem nicht abstößt? Es sei ein Herzensprojekt, so ein traditionsreiches Unternehmen wolle der kulturinteressierte Grossnigg nicht verschwinden lassen, sagt Augarten-Porzellan-Geschäftsführerin Claudia Badstöber. Seit 2004 befindet sich das Traditionsunternehmen in seinem Besitz, in diesen Jahren hat sich einiges an Zuschüssen geläppert. Auch wenn der Investor laut Insidern solche Summen „aus der Portokasse“ zahlen könne, wolle er dem finanziellen Abgang nicht ewig tatenlos zusehen.
Starke Mitbewerber
Badstöber hat einen Plan, um die Misere zu beenden. „Wir sind zwar in Wien und in Österreich bekannt, international messen wir uns aber mit anderen Luxusmarken, was uns vor Herausforderungen stellt“, sagt Badstöber. Man stehe im Wettbewerb mit großen ebenfalls traditionsreichen Porzellanherstellern wie Meißen und Nymphenburg aus Deutschland oder Bernardaud aus Frankreich.
Nach mehreren Geschäftsführerwechseln in den vergangenen Jahren will Augarten Porzellan nun in ruhigere Fahrwasser kommen. „Wir wollen lieber einen stabilen Umsatz auf nicht so hohem Niveau, dafür aber die Kosten im Griff haben“, sagt die Neo-Geschäftsführerin, die seit Ende vergangenen Jahres den Betrieb führt.
Sie will das Unternehmen redimensionieren. „Das erklärte Ziel ist es, bei 2,5 bis 3 Millionen Euro Umsatz ausgeglichen zu bilanzieren. Das ist dann für uns die Basis für weiteres Wachstum.“ Um das zu erreichen, will sie an mehreren Schrauben drehen. Zum einen sollen die Personalkosten reduziert werden.
Bis auf zwei Filialen – eine in der Manufaktur, eine in der Spiegelgasse in der Wiener Innenstadt – wurden bereits alle anderen geschlossen. Das Filialnetz war früher deutlich größer, das Unternehmen betrieb Standorte in Salzburg und Linz.
Unersetzlich
Die Personalkosten machen einen großen Teil der Aufwände aus, unter den 40 Mitarbeitern befinden sich Künstler und Kunsthandwerker. „Zum Glück hatten wir keine Corona-Fälle, schon zwei oder drei Fälle wären schlimm gewesen“, sagt Badstöber. Viele der Mitarbeiter seien unersetzlich, die Produktion hätte nicht aufrechterhalten werden können.
Als nächsten Schritt möchte sie den Export ankurbeln. Ein großer Name sei Augarten in Europa, den USA, aber auch in Japan. Eine Zeit lang habe es sogar eine Kooperation mit einem dort ansässigen Partner gegeben. Im restlichen asiatischen Raum sieht Badstöber aber noch Potenzial.
Verjüngungskur
Nicht zuletzt soll das erst vor drei Jahren gestartete Online-Shop und der Absatz über Fachhändler forciert werden. Der Online-Shop hat bereits beachtliche zwölf Prozent Anteil am Umsatz und half im Corona-Jahr, den Umsatzrückgang etwas aufzufangen. Ein besonderes Augenmerk wird Badstöber auch auf jüngere Kunden legen: „Wir müssen den Jungen ein anderes Bild von Augarten vermitteln“.
Sie will sie zum Kauf von Augarten Porzellan anregen, etwa in dem nahegelegt wird, dass man Augarten auch mit anderem Geschirr und Farben kombinieren kann. Außerdem will sie in den sozialen Medien, wie auf Instagram, präsenter sein. Augarten Porzellan soll aber ein höherpreisiges Produkt für zahlungskräftigeres Publikum bleiben, billiges Porzellan wird es auch in Zukunft keines geben.
Neue Klientel für Augarten zu gewinnen ist unverhoffterweise während der Corona-Pandemie gelungen, erzählt Badstöber. Da sich die Menschen in ihre Privatsphäre zurückgezogen und mehr zu Hause aufgehalten haben, haben sich viele zurückbesonnen und gedacht: „Ich wollte mir immer schon ein Augarten-Service zulegen, jetzt leiste ich es mir“, erzählt Badstöber.
Mit Handwerk und Beständigkeit sowie einer lebenslangen Nachkauf-Garantie habe man überzeugen können. Negativ ausgewirkt hätten sich jedoch die ausbleibenden Touristen – vor allem die Filiale in der Spiegelgasse lebe von ihnen.
Namhafte Designer
Im Laufe der Zeit haben sich die Vorlieben der Konsumenten geändert, manch früherer Renner ist heute out, Neues ist gefragt. „Gut gehen Klassiker wie die Wiener Rose (Dekor, Anm.) und elegantes weißes Tafelgeschirr kombiniert mit bunten Platztellern“, sagt Badstöber. Schwerer verkaufen lassen sich alte florale Dekore, die sukzessive aus dem Sortiment genommen werden. Auch Figuren haben laut Badstöber an Bedeutung verloren.
Ein guter Ideengeber sei die Zusammenarbeit mit internationalen Interieur-Designern. Diese hätten oft ganz andere, neue Ideen. Die daraus entstehenden Produkte würden nicht selten ins Sortiment aufgenommen werden. Design hat bei Augarten eine lange Tradition.
Viele Produkte basieren heute noch auf den Entwürfen von namhaften Designern und Designerinnen aus der Kaiserzeit, wie Josef Hoffmann, Ena Rottenberg oder Michael Powolny. Auch mit zeitgenössischen namhaften Künstlern, wie vom Designstudio Lucy D oder dem Industriedesigner Thomas Feichtner, wird zusammengearbeitet.
„Maß aller Dinge“
Kein Tabu ist für Augarten Porzellan der 3-D-Druck, allerdings in geringem Umfang, sagt die Geschäftsführerin. „Wenn es um Qualität und Haltbarkeit geht, sind unsere Formenbauer immer noch das Maß aller Dinge.“
Zum Einsatz komme die neue Technologie zum Beispiel bei Vasen. Geschichten hat Augarten mit seinen Produkten immer schon viele erzählen können. Faszinierend ist für Badstöber vor allem aber, dass auch mehr als hundert Jahre alte Entwürfe so wirken, als wären sie erst vor Kurzem entworfen worden.
Kommentare