ÖBB verstärken Engagement Richtung China
2020 hat die ÖBB Rail Cargo Group (RCG) mit rund 70.000 Containern so viele Waren wie noch nie zuvor auf der Neuen Seidenstraße von und nach China transportiert. Das ist eine Verdopplung der beförderten Menge gegenüber dem Vorjahr. Die Anzahl der Güterzüge stieg auf mehr als 700, für 2021 peilt die RCG 1.000 Güterzüge an.
Weites Feld
„Wir sehen entlang der Neuen Seidenstraße ein weites Betätigungsfeld“, sagt ÖBB-Vorstandschef Andreas Matthä. Durch die Anbindung der Neuen Seidenstraße an das Netzwerk der ÖBB werde ein schneller Transport mit effizienter Weiterverteilung in Europa gewährleistet.
Zu den Top-Produkten, die von der RCG von Europa nach China transportiert wurden, zählten Kühlschränke, Spinnfasern, Heizungssysteme, Maschinen und Ersatzteile sowie Möbel und Einrichtungen. Von China nach Europa kamen vor allem Waren aus den Bereichen Mode, Automotive und Chemie. Derzeit wird mehr von China nach Europa als umgekehrt transportiert. Das Verhältnis liegt laut Matthä bei 60:40.
Verbindendes Element
Das zukünftige Marktpotenzial erscheint für den Schienengüterverkehr zwischen Europa und Asien laut einer aktuellen Studie der International Union of Railways (UIC) vielversprechend. Die konservative Prognose rechnet mit einer Verdopplung, die optimistische geht von einer Verdreifachung der transportierten Containermenge bis 2030 aus.
Die durchschnittliche Transportzeit soll laut ÖBB von derzeit 16 bis 18 Tagen zwischen Europa und Asien durch Digitalisierungsmaßnahmen und Prozessoptimierungen in den kommenden Jahren um drei bis fünf Tage sinken. Bis 2030 wird eine Transitzeit von durchschnittlich zehn Tagen angestrebt.
Dass der Westen mit China in jüngster Zeit viele Konflikte hatte – wie Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren, Demokratiefragen in Hongkong, Einfluss auf EU-Staaten etc. – sieht Matthä pragmatisch: „Natürlich gibt es zur Neuen-Seidenstraßen-Initiative Chinas auch kritische Stimmen. Man kann sie als Bedrohung oder als Chance sehen.“ Er versuche eher die Chancen zu sehen, nämlich Waren zwischen China und Europa zu befördern und damit auch den Dialog zwischen den Ländern und Kulturen voranzubringen.
Gute Idee
Die Neue Seidenstraße beurteilt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien, positiv. Ein Landweg von China nach Europa sei für Logistiker gut. Er sei deshalb eine interessante Alternative zu Schiff und Flugzeug, weil er sich bezüglich Kosten und Zeit zwischen den beiden einreihen würde.
Dass die Zugverbindung ein Einfallstor für Billigwaren aus China nach Europa sein könnte, wie manche Kritiker meinen, hält er für „Quatsch“. „Günstige Waren werden mit dem Schiff transportiert, das ist immer noch ein Viertel bis ein Fünftel günstiger“, sagt Kummer.
Die Konflikte mit China sieht auch er differenziert. Es sei die Frage, ob der politische Einfluss Chinas schlimmer sei als jener von anderen Ländern. „Europa hat eine gute Gesprächsbasis mit China und sollte diese stärken.“ Es habe sich immer wieder gezeigt, dass eine Verknüpfung von Welt- und Verkehrspolitik schade.
Eine Verlängerung der Breitspurbahn aus dem Osten der Slowakei nach Wien, wie sie im Gespräch war, sieht Kummer nicht so bald kommen: „Da ist die Bundesregierung eher zurückhaltend.“ Die Grünen seien eher gegen globale Lieferketten und hätten Angst vor einer Schwemme an Billigprodukten. In den nächsten fünf Jahren werde sich hier eher nichts tun.
Kommentare