Autozölle sind Trumps ultimative Waffe

Präsident sieht wirksamen Hebel, um Zugeständnisse der Handelspartner zu erreichen – US-Autoindustrie beklagt Eigentor.

„Die anderen Länder lachen über uns“, lautet der Stehsatz, mit dem US-Präsident Donald Trump den harten Kurs in Handelsfragen begründet. Neuerdings wird tatsächlich gelacht. Und zwar über den durchgesickerten Gesetzesentwurf mit dem hübschen Titel „US Fair and reciprocal Trade Act“. Kurz: FART. Das ist der englische Begriff für eine Flatulenz. Selbst Trumps Kurzzeit-Pressechef Anthony Scaramucci konnte es sich nicht verkneifen: „Das Gesetz stinkt“, twitterte er.

War es ein Versehen oder hat da jemand dem Weißen Haus den geräuschvollen Namen untergejubelt? Inhaltlich versprüht der Text ebenfalls eine strenge Note: Trump könnte noch eigenmächtiger Strafzölle verhängen. Und es wäre der finale Bruch mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). So würde das Gesetz nie den Kongress passieren, sind Experten überzeugt. Trump selbst dementiert, aus der WTO aussteigen zu wollen. Entspannung bedeutet das aber nicht – die Eskalation nimmt weiter Fahrt auf. Das große Damoklesschwert heißt Autozölle.

Die seien das "große Ding", seine wirksamste Waffe, um Zugeständnisse zu erzwingen, erklärte der US-Präsident im TV-Sender Fox News. Zuvor hatte Handelsminister Wilbur Ross erläutert, die US-Regierung wolle die „Schmerzen“ durch Strafzölle so hoch treiben, dass die Handelspartner gar nicht anders können, als einem Zollabbau zuzustimmen. Vor Ende Juli werde allerdings keine Entscheidung fallen, so Ross.

Signale, dass die paradoxe Intervention aufgeht, gibt es nicht. Wer der Trump-Taktik einmal nachgibt, müsste damit rechnen, dass es immer so weitergeht. Also wird wohl oder übel Gleiches mit Gleichem vergolten. Die EU-Kommission warnte die USA vor massiven Vergeltungsmaßnahmen: Die Reaktion der Handelspartner könnte US-Waren im Wert von 294 Milliarden Dollar ins Visier nehmen – das wären 19 Prozent der gesamten US-Exporte.

Die Wirtschaft macht nun lauter als bisher gegen die Zollpolitik ihrer Regierung mobil. Diese untergrabe die wirtschaftlichen Fortschritte, für die diese "so hart gearbeitet“ habe, warnte Tom Donohue, Präsident der US-Handelskammer. Freier und fairer Handel sei das richtige Ziel – „aber so nicht“. Die offene Kritik verblüfft: Die mächtige Wirtschaftslobby mit drei Millionen Mitgliedern steht den Republikanern traditionell sehr nahe.

Wen es treffen würde

Tatsächlich sind die Strafzölle keine Hilfe für die US-Autoindustrie, sondern ein Schuss ins eigene Knie. Die US-Hersteller importieren nämlich selbst einen erklecklichen Teil ihrer Fahrzeuge für den Heimmarkt: 30 Prozent der Verkäufe von General Motors und 20 Prozent von Ford stammen aus Werken in Mexiko und Kanada, schreibt Moody’s. Diese Importe wären ebenfalls direkt von Importzöllen betroffen. Auch bei Mercedes-Daimler, BMW und Volkswagen sind zwischen 50 und 80 Prozent der US-Verkäufe importierte Fahrzeuge. Bei den japanischen Marken Toyota und Nissan schätzt Moody’s den Anteil auf ein Fünftel bzw. ein Drittel. Gänzlich unbeeinflusst blieben nur chinesische Hersteller: Sie verkaufen in den USA praktisch nichts.

Die EU-Kommission rechnete vor, dass europäische Firmen im Vorjahr 2,9 Millionen Autos in den USA gebaut hätten. 120.000 Arbeiter seien in diesen Fabriken beschäftigt, inklusive Händlern und Werkstätten hingen daran sogar 420.000 Jobs.

Ein Zollaufschlag für Auto und Autoteile würde der US-Wirtschaft 13 bis 14 Milliarden Dollar direkten Schaden verursachen – ohne Einrechnung der Vergeltungszölle.

Obendrein seien 60 Prozent der in den USA hergestellten europäischen Autos – etwa jene aus dem BMW-Werk in Spartanburg – für das Ausland bestimmt. Sie trügen also dazu bei, die Exportbilanz der USA zu verbessern.

Prohibitiv bei Pick-ups

Bisher verrechnen die USA auf Autos aus der EU 2,5 Prozent Einfuhrzoll. Auf US-Autos, die für europäische Kunden bestimmt sind, werden 10 Prozent fällig. Was Trumps Handelshardliner gerne verschweigen: Will ein europäischer Autobauer in den USA die beliebten Pick-ups verkaufen, muss er ganze 25 Prozent Zoll bezahlen. Die EU hat im Vorjahr Autos um 37 Milliarden Euro in die USA exportiert, in die Gegenrichtung überquerten den Atlantik US-Fahrzeuge im Wert von 6,2 Milliarden Euro.

Lesen Sie morgen die KURIER-Reportage aus dem weltweit größten BMW-Werk in Spartanburg (USA).

Denn sie wissen  nicht, was sie tun

Kommentar. Sie kennen die „Mad-Man-Theorie“? Sie besagt, dass US-Präsident Trump sich so verrückt verhält, damit seine Gegenüber stets mit dem Schlimmsten  rechnen. Und bereitwillig nachgeben. Das Problem ist nur: In der Handelspolitik ergibt das gar keinen Sinn, weil nicht klar ist, was die USA überhaupt wollen. Zölle und Handelsbarrieren mit der EU abbauen? Dann sollten sie das  TTIP-Abkommen weiterverhandeln – das wollte Trump aber bekanntlich nicht.  Oder das riesige Handelsbilanz-Defizit abbauen? Dann sollten die USA als Nation zu sparen beginnen. Tun sie aber nicht, im Gegenteil. Deshalb kann Trumps Kalkül nicht aufgehen. Auf Einsicht dürfen wir nicht hoffen, sondern müssen mit noch mehr Wahnsinn rechnen. Die Eskalation geht also immer weiter.  Zum Schaden aller Beteiligten.

 

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