Autobranche beklagt Vollbremsung beim E-Auto-Verkauf
Das Interesse an Elektroautos hat in Österreich in den vergangenen Monaten rasant nachgelassen. Die Privatverkäufe sind seit Mitte des Jahres rückläufig, berichtet Günther Kerle, Sprecher der Automobilimporteure Österreichs. Darüber können auch die Zulassungszahlen, die von September bis November Höchstwerte verzeichneten, nicht hinwegtäuschen.
„Denn das sind Auslieferungen der Verkäufe vom Frühling oder vom Vorjahr“, erklärt Kerle. Derzeit herrsche aber in den Geschäften der Autohändler tote Hose, seit Sommer gebe es eine starke Zurückhaltung. Das gelte nicht nur für Private, sondern auch für Unternehmen, die für mehr als 80 Prozent des E-Auto-Absatzes verantwortlich sind. „Die Motivation für die Anschaffung eines solchen geht bei Unternehmern spürbar zurück, es wird weniger investiert“, sagt Kerle.
Die Gründe für die Zurückhaltung sind vielfältig, vor allem schrecken die hohen Strompreise viele vom Kauf eines E-Autos ab. Laut Kerle gibt es Untersuchungen, wonach man derzeit teilweise sogar mit dem gegenüber Benzin um rund 20 Cent teueren Diesel günstiger unterwegs ist als mit Strom. Das verunsichere viele Autofahrer. Dazu kämen Bedenken wegen mangelnder Reichweite und die Frage nach einer günstigen Lademöglichkeit. Öffentliche Ladestationen sind teuer und nicht jeder hat die Möglichkeit, sein Auto zu Hause oder in der Firma anzustecken.
Verkehrte Autowelt
In Summe hat sich der Automarkt in den vergangenen zwölf Monaten völlig auf den Kopf gestellt. Vorher gab es wegen der Lieferschwierigkeiten mehr Kunden als Autos, jetzt gibt es mehr Autos als Kunden. Denn inzwischen haben die Hersteller ihre Produktionen schrittweise in die Höhe gefahren und liefern wieder mehr Autos aus. „Inzwischen werden wieder Autos produziert, für die es noch keine Kunden gibt“, sagt Kerle. Der Markt habe sich von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt gedreht.
Im Zuge der Energiewende soll Strom fossile Energieträger ersetzen. Im Pkw-Bereich verorten Experten hier ein enormes Einsparungspotenzial, denn Elektromotoren sind deutlich energieeffizienter als Verbrenner.
Österreichweit fahren 4,6 Millionen private Pkw jedes Jahr etwa 50,5 Milliarden Kilometer. Dabei verbrennen sie 3,3 Milliarden Liter Sprit, was einem Energieverbrauch von 31,5 Terawattstunden (TWh) entspricht. Würden sie durch Stromer mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 17 Kilowattstunden pro 100 Kilometer ersetzt, würden sie nur 8,6 TWh verbrauchen – eine Ersparnis von mehr als 70 Prozent. Zum Vergleich: Österreichweit werden jährlich etwa 73 TWh Strom verbraucht.
Die abgesetzte Gesamtstückzahl ist in Österreich heuer gering, die Prognose liegt bei 216.000 Fahrzeugen, davon 15 Prozent E-Autos, was erstmals seit Jahren einen Rückgang bedeutet. Der Gesamtabsatz erreicht damit den niedrigsten Wert seit 45 Jahren, meint Kerle. Nicht einmal in den Corona-Jahren 2020 und 2021 seien so wenige Fahrzeuge verkauft worden.
Keine Förderung mehr
Doch damit nicht genug, steht der E-Auto-Branche ein weiterer heftiger Bremser bevor. Denn die staatliche Förderung für Firmen-E-Autos steht vor dem Aus. Derzeit verhandeln Vertreter der Autoindustrie mit dem zuständigen Klimaministerium, doch die Entscheidung dürfte bereits gefallen sein, sagt Kerle. Die Begründung: Es gibt nicht genug Budget. Derzeit werden Firmen-E-Autos mit 3.000 Euro vom Staat und zusätzlich mit 2.000 Euro von den Herstellern gefördert.
Die Versorgungslage mit Strom ist diesen Winter EU-weit angespannt. Denn in der kalten Jahreszeit sind die Erneuerbaren weniger ergiebig und in Frankreich ist die Hälfte der Atomkraftwerke noch immer nicht wieder am Netz. Die Schweiz, die wie auch Österreich insbesondere im Winter auf Stromimporte angewiesen ist, erwägt deswegen mehrere Maßnahmen zum Stromsparen. Darunter findet sich auch ein weitgehendes Fahrverbot für private Elektroautos. In Österreich ist eine solche Maßnahme nicht geplant, heißt es auf Anfrage des KURIER beim Klimaschutzministerium. Im unwahrscheinlichen Fall einer Mangellage müssten zunächst Großverbraucher wie die Industrie ihren Konsum drosseln. Denn so könnten am schnellsten relevante Einsparungen erzielt werden.
Ein weiteres Argument des Ministeriums sei, dass es für E-Autos bereits genug Unterstützung gebe, erzählt Klaus Edelsbrunner, Obmann des Bundesgremiums Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). So heiße es, dass es bereits Möglichkeiten wie die Vorsteuerabsetzung oder den Wegfall des Sachbezugs gebe. Dennoch würde mit dem Aus für die Förderung die Motivation für den Kauf eines E-Autos zusätzlich sinken, meint Edelsbrunner.
Kerle ergänzt: Wenn ab 2035 keine Verbrenner mehr angemeldet werden sollen, müssten bis dahin zu 100 Prozent E-Autos verkauft werden. Mit derartigen Maßnahmen gehe sich das „bei weitem nicht aus“.
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