Noch im Frühjahr waren die Sorgen groß: Das Corona-Virus werde den Verlust von 10.000 Lehrstellen bringen und eine „verlorene Generation“ am Arbeitsmarkt hinterlassen, hieß es. Ende Oktober fällt die Zwischenbilanz weniger dramatisch aus. Es gibt zwar weniger Lehranfänger, doch vielen Betrieben ist offenbar bewusst, dass es eine Zeit nach der Krise gibt und der Fachkräftemangel nicht einfach verschwindet.
Der KURIER fasst die wichtigsten Fragen zur aktuellen Lage am Lehrstellenmarkt zusammen:
1. Wie hat sich die Corona-Krise bisher auf die Lehrlingszahlen ausgewirkt?
Nicht so schlimm wie erwartet. Noch im Mai wurde bei der Zahl der Lehranfänger ein Minus bis zu 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr befürchtet. Ende Oktober lag der Rückgang inkl. überbetrieblicher Lehre bei 8,9 Prozent. Nur die Hälfte davon sei krisenbedingt, meint WKO-Lehrlingsexperte Alfred Freundlinger, es gebe auch weniger 15-Jährige. Die AK glaubt, dass aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit viele Jugendliche heuer lieber in der Schule geblieben sind, als sich um eine Lehrstelle zu bemühen. Im EU-Vergleich hat Österreich die fünft niedrigste Jugendarbeitslosenquote. Bei der Gesamt-Arbeitslosigkeit reicht es nur für den elften Rang.
2. Wie groß ist die aktuelle Lehrstellenlücke?
Laut AMS stehen 7.800 Lehrstellensuchende (3.300 davon in Wien) 7.300 offenen Lehrstellen gegenüber. Die statistische „Lücke“ beträgt somit 500. Die regionalen Unterschiede sind riesig. In Wien mangelt es an Lehrstellen, in Oberösterreichs Industriebetrieben hingegen an den Bewerbern.
3. Wo gibt es die meisten offenen Lehrstellen?
Den im Verhältnis größten Lehrstellenüberhang gibt es in der Metall- und Elektrotechnik, bei Bauberufen, Spenglern, Dachdeckern oder Zimmereien. Zahlenmäßig liegen die Hotellerie und Gastronomie – trotz Lockdowns – mit 1.800 offenen Stellen vorne, auch weil sich dort derzeit kaum jemand bewirbt. Im Handel sind 1.300 Plätze frei. AK-Experte Thomas Moldaschl verweist auf die Vielfalt der rund 200 Lehrberufe. Diese sei den Jugendlichen oft gar nicht bewusst, weshalb zu viele in nur wenige Branchen drängen. In technischen Lehrberufen seien die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten weiterhin sehr gut.
4. Wurden krisenbedingt Lehrlinge abgebaut?
Bisher nicht. Der Lehrlingsstand lag Ende Oktober mit 102.187 Jugendlichen nur 0,6 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Die vorzeitige Auflösung eines Lehrvertrages ist zwar grundsätzlich möglich, unterliegt aber strengen Vorschriften. „Wir hatten heuer sogar weniger Auflösungen als im Vorjahr“, sagt Freundlinger.
5. Können Lehrlinge auch in Kurzarbeit geschickt werden?
Ja. Kurzarbeit kann auch für Lehrlinge beantragt werden, wenn sie bereits einen Monat beschäftigt sind. Die Lehrlingsentschädigung bleibt während der Kurzarbeit in voller Höhe erhalten, da die Kurzarbeitsbeihilfe zur Gänze die Lehrlingsentschädigung abdeckt. Der Lehrlingsbonus ist ausgelaufen und bis dato nicht verlängert worden.
6. Was bedeutet das für die Qualität der Ausbildung?
Lehrlinge sollen laut AK auch in Kurzarbeit weiter ausgebildet werden. Einerseits in Ausbildungsverbünden mehrerer Unternehmen (die ihre Lehrlinge gemeinsam schulen, Anm.), andererseits in überbetrieblichen, vom AMS geförderten, Kursen. In jedem Fall soll das vermittelte Wissen zum Berufsbild passen.
7. Dürfen Lehrabschlussprüfungen auch digital stattfinden?
Im Gegensatz zum Frühjahr, wo es wegen des Lockdowns oft monatelange Verzögerungen gab, sei dies bei ausgewählten Lehrberufen jetzt grundsätzlich möglich, meint Freundlinger. Man arbeite an einer flächendeckenden Umsetzung.
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