AUA-Vorstand: "Omikron könnte uns weit zurückwerfen"

Michael Trestl
Vertriebsvorstand Michael Trestl über den Worst-Case, den enormen Nachholbedarf bei den Ferienflügen und warum er sich preislich nicht mit Billig-Airlines matcht

KURIER: Wie sehr fürchten Sie sich vor der neuen Virus-Variante Omikron?

Michael Trestl: Wir wissen virologisch noch nicht viel. Trotzdem erlassen einige Länder wieder Reiseverbote. Sollte sich Omikron zu einem weltweiten Shutdown auswachsen, müssen wir alles neu evaluieren. Ein Worst-Case, die USA schließen wieder, in der EU werden die Grenzen zugemacht, würde uns in unserer Entwicklung um 14 bis 18 Monate zurückwerfen. Aber daran wollen wir jetzt einmal nicht denken.

Helfen Landeverbote?

Nein, sie sind nicht sehr wirksam und richten großen Schaden an. Die Leute suchen andere Wege, über Istanbul, Dubai, Abu Dhabi etc. Am Flughafen Wien werden Umsteige-Flüge zwar stärker kontrolliert, aber das ist sehr schwierig. Verständlich, dass die Politik so reagiert, doch die Variante verbreitet sich trotzdem. Und die Rückreise für Österreicher wird unheimlich erschwert.

Beeinträchtigt der Lockdown die Buchungslage?

Im Gegensatz zu den früheren Lockdowns sind Reisen weiterhin erlaubt. Trotzdem sehen wir bei den Buchungen in Europa derzeit 10 bis 15 Prozent Rückgang. Seit der Pandemie wird äußerst kurzfristig gebucht, großteils überhaupt erst zwei bis vier Wochen vor Abflug.

Werden Flüge gestrichen? Wir versuchen, den Flugplan so stabil wie möglich zu halten. Das gelingt uns großteils, es gibt nur vereinzelt Anpassungen. Da legen wir bei mehreren täglichen Frequenzen Flüge zusammen, aber die Reisenden können immer noch täglich fliegen.

Der Sommer war aber ganz gut, oder? Bei den Privatreisen war der Nachholeffekt enorm. Die Ferienflüge lagen um zehn Prozent über 2019. Unsere Gesamtproduktion war bei 55 bis 60 Prozent, obwohl viele Langstrecken noch gar nicht in Betrieb waren. Ein ganz wichtiger Milestone war die Ankündigung, dass die USA für Geimpfte aufgehen. Die Buchungen haben sich vervierfacht. Wir haben viel Umsteigeverkehr und fliegen fast täglich vier Destinationen an.

Was hat die AUA auf der Langstrecke noch vor? Ein sehr ambitioniertes Programm. Unsere Warmwasser-Destinationen waren noch nie so umfangreich. Wir fliegen nach Male, Mauritius, Bangkok und sind im Oktober mit Cancún gestartet, das wir nach Weihnachten um eine dritte Frequenz aufstocken werden. Nach dem Sommer ist auch für den Winter der Nachholbedarf unglaublich.

Wie schaut’s bei den Geschäftsreisen aus? Die KMUs haben im Sommer zuerst gestartet, die Großunternehmen haben länger zugewartet. Auch die Geschäftsreisen Richtung USA sind angelaufen, aber wir sind fernab vom Vorkrisen-Niveau. Hier verändert sich die Struktur nachhaltig. Nach dem Ende der Pandemie wird das Geschäftsreise-Volumen sicher geringer sein als vorher, so um fünf bis zehn Prozent.

Die Billigflieger Ryanair und Wizz Air haben schon ihre Sommerflugpläne angekündigt und werden der AUA genauso scharf zusetzen wie vor der Krise. Können Sie überhaupt dagegen halten?

Diese irrationale Kapazitätsentwicklung generiert keine natürliche, sondern eine künstliche Nachfrage. Sie können zu Dumpingpreisen ab 9,90 Euro in Europa fliegen, billiger als eine Pizza. Da sind nicht einmal die variablen Kosten gedeckt. Wir erhöhen unsere Kapazität für den Sommer 2022 um zehn Flugzeuge. Auf sehr stark frequentierten Strecken wie Palma stocken wir auf. Überall, wo die Low Coster sind, fliegen wir auch und sind Kapazitätsführer. Unser Flugplan ist wesentlich attraktiver.

Wir reden noch von 9,90 Euro, doch Ryanair bietet schon 5-Euro-Tickets an.

Wir bieten Palma und zurück ab 60 Euro. Unsere Philosophie als österreichischer Leitbetrieb ist anders – sozial verträglich und ökonomisch und ökologisch vernünftig. Wir wollen das Drehkreuz Wien für den Standort garantieren und Österreich mit der Welt verbinden. Dafür brauchen wir eine gewisse Komplexität und müssen dafür die eine oder andere Chance auf der Kurzstrecke vergeben.

Das ist aber vielen Kunden egal, sie wollen oder müssen so billig wie möglich fliegen.

Wir werden nie alle überzeugen können. Diese „Geiz ist geil“ Mentalität betrifft nicht nur Airlines. Warum kauft jemand Jeans um 4,90 Euro, die in Bangladesh in Kinderarbeit produziert wurden?

Um wie viel sind die Kosten der Billig-Airlines niedriger?

Schätze 30 bis 40 Prozent.

So tief werden wir nie sein, aber dort wollen wir auch gar nicht hin.

Pandemie wird AUA trotz Staatshilfe 700 bis 800 Millionen Euro kosten   

Obwohl der Sommer ein operatives Plus von 2 Millionen Euro brachte, wird die AUA heuer mehr als 200 Millionen Euro Verlust einfliegen. Im Vorjahr bescherte die Pandemie der Lufthansa-Tochter einen Verlust von 319 Millionen Euro, da ist der staatliche Zuschuss schon berücksichtigt. Für 2022 ist eine schwarze Null geplant, erst für 2023 wird ein positives Ergebnis in Aussicht gestellt

Kalkuliert man den entgangenen Gewinn ein, kostet Corona die Airline 700 bis 800 Millionen Miese. Mit 300 Millionen Euro garantiert die Republik für einen Kredit, der aber abgestottert werden muss. Zum Jahresende wird die zweite Rate über 30 Millionen zurückgezahlt. An (nicht rückzahlbarer) Staatshilfe erhielt die Airline 150 Millionen Euro.

Das ist in absoluten Zahlen der vermutlich höchste Zuschuss für ein heimisches Unternehmen, verglichen mit den Verlusten aber nicht viel. Relativ hat fast jeder Heurige in Österreich mehr an Unterstützung bekommen. Vorstand Trestl meint dazu, die Corona-Verluste „werden wir in den nächsten Jahren in unserer Bilanz mittragen“.  

Mindest-Ticketpreis

Trestl hofft, dass der Ticket-Mindestpreis (rund 40 Euro ab Wien) im ersten Quartal 2021 vom Parlament abgesegnet wird. Er verweist auf das deutsche Regierungsprogramm, das eine ähnliche Absichtserklärung enthalte. Eh klar, dass die AUA Mindestpreise „voll unterstützt, um Angebote unter den Gestehungskosten zu verhindern“.


Gar nichts hält der Airline-Manager naturgemäß von der Diskussion über Flugverbote. Im Inland hat die AUA Linz und Salzburg eingestellt und kooperiert mit den ÖBB. Für den steirischen Industriecluster aber seien Zubringerflüge von Graz nach Wien für internationale Destinationen unerlässlich. „Hier ist die Anreise nach Wien mit dem Zug noch zu umständlich. Wenn wir nicht fliegen, werden andere Drehkreuze diesen Verkehr an sich ziehen“. Statt Flugverboten müsse der synthetische Treibstoff forciert werden. 

Karriere

Michael Trestl, 36, ist der einzige Österreicher im  dreiköpfigen AUA-Vorstand. Er begann im Lufthansa-Konzern beim Ferienflieger Edelweiss Air, dann leitete er die Netzplanung der Swiss. Zusätzlich übernahm er die Leitung des Programms „Restart Commercial“, in dem die Konzern-Strategie  während und nach der Pandemie entwickelt wird. Seit 2021 ist er im AUA-Vorstand, zuständig für Network Management, Verkauf und IT. 

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