Zehn Jahre "Bürgeranwalt" im ORF

Zehn Jahre "Bürgeranwalt" im ORF
Peter Resetarits verzeichnet Topquoten – obwohl seine Sendung konsequent auf Seriosität setzt. ORF 2 zeigt die Jubiläumssendung am Samstag um 17.30 Uhr.

Der Sensationswert scheint enden wollend. Kanalanschlüsse in Niederösterreich. Juristische Spitzfindigkeiten zum Handelsvertretergesetz. Fragen um Pflegegeld-Einstufungen. Nicht das, was Medien gemeinhin „sexy“ finden.

Auch Peter Resetarits war anfangs skeptisch, ob der „Bürgeranwalt“ etwas werden würde. „Wir waren total überrascht über den Zuspruch. Vor Kurzem wollten 470.000 Leute die Frage erörtert sehen, ob eine ältere demente Frau Pflegestufe fünf oder sechs bekommt. Das ist erstaunlich, denn es ist nicht das, womit üblicherweise Fernsehen gemacht wird.“

Umso erfreulicher, dass es funktioniert. „Es ist eben kein Programm, für das man sich genieren muss. Das ist öffentlich-rechtlicher Inhalt pur mit dem Bonus hohes Zuschauerinteresse.“ Und wenn’s einmal nicht im Sinne der Betroffenen ausgeht, fühlt man da mit? „Ich bin ja nie hundertprozentig von einer Seite überzeugt. Die hundert zu null Geschichten gibt es nicht. Meist ist es siebzig zu dreißig. Oder fünfzig fünfzig. Gute Standpunkte und Gegenstandpunkte.“

Das macht die Sache spannend und seriös gleichzeitig: Beide Seiten werden dargestellt und nicht zwanghaft „die Behörden“ oder die „übermächtigen Gegner der kleinen Leute“ niedergemacht. „Insofern halt’ ich es gut aus, wenn eine Geschichte in der Sendung nicht gelöst wird, weil ich die Standpunkte der Gegenseite auch sehe.“

Wie sich ein Fall weiterentwickelt, wird in späteren Sendungen nachgefragt. Eine gute Tradition. „Das gibt uns die Möglichkeit, lösungsorientiert zu arbeiten, weil mittlerweile alle wissen, dass das in der Sendung leichtfertig gegebene Versprechen irgendwann einmal überprüft wird.“

Ohne Maulkorb

Resetarits, gelernter Jurist, hat mit 19 bei der Jugendsendung "Ohne Maulkorb" begonnen. Beim ORF ist er immer geblieben, das Studium hat ihm im Job geholfen: „Ich kann, wenn mir ein guter Jurist einen komplexen Sachverhalt erklärt, jemandem, der sich überhaupt nicht auskennt, übersetzen. Mit dieser Fähigkeit haben wir den ,Bürgeranwalt‘ und ,Schauplatz Gericht‘ erfunden.“

Vor dem heutigen „Bürgeranwalt“ gab es eine Sendung namens „Ein Fall für den Volksanwalt“. Sie schrieb Fernsehgeschichte, weil Moderator Strobl und Volksanwalt Kohlmaier in der Livesendung vor 800.000 Leuten zu streiten begannen. Der Volksanwalt verließ das Studio mit den Worten: „Herr Redakteur, ich zweifle an Ihrem Verstand.“

Die Sendung fand ein abruptes Ende. 2002 wurde die Zusammenarbeit der Volksanwälte mit Peter Resetarits wieder intensiviert. Seit 2007 bilden auch Patientenanwälte, Ombudsleute aller Art, Arbeiterkammer, Konsumentenschützer und Rechtsanwälte eine Plattform, im „Bürgeranwalt“, wie die Sendung heute heißt.

Auch hier hat es erregte Diskussionen, sogar Schreiduelle gegeben. Besonders beherzt soll der ehemalige FPÖ-Volksanwalt Ewald Stadler aufgetreten sein.

Topquoten nach dem Mohnnudelrausch

Dass Recht nicht immer mit Gerechtigkeit zu tun hat, ist auch für Resetarits oft bittere Erkenntnis. „Ein Beispiel, das mich sehr geärgert hat: Ein Mann, Jahrgang 1942, lebt immer schon in Österreich. Seine Eltern waren Vertriebene aus der Bukowina, die im Krieg nach Österreich kamen. Der Mann wähnte sich immer Österreicher, hatte einen Pass. Vor vier Jahren wurde dem heute Siebzigjährigen mitgeteilt, er sei gar kein Österreicher, da habe vor 65 Jahren jemand vergessen, einen Antrag zu stellen.“ Nach heutiger Rechtslage „muss er einen Neuantrag auf Staatsbürgerschaft stellen wie jemand, der gerade angekommen ist, muss 1300 Euro zahlen und diverse Kriterien erfüllen ... dabei war er ja immer da! Es gibt im Staatsbürgerschaftsgesetz einfach keinen entsprechenden Paragrafen für diesen Fall. Da klaffen Recht und Gerechtigkeit dramatisch auseinander.“

Auch vergleichsweise harmlose Geschichten provozieren extreme Reaktionen: Die Frage, ob die Entlassung eines Museumswärters gerechtfertigt ist, der ein Gemälde einer Installation zurechtgerückt hat, nachdem der Putztrupp es zwei Zentimeter nach links verschoben hat. Oder ob ein Mann nach dem Genuss von Mohnnudeln noch fahrtüchtig ist. Eine Rekordsendung mit 600.000 Zusehern.

Kontakte, Beschwerden

Volksanwaltschaft: Wien, die Welthauptstadt der Ombudsmänner

Die Volksanwaltschaft kontrolliert seit mehr als 30 Jahren die öffentliche Verwaltung in Österreich. Rund 15.000 Personen wenden sich jährlich an die amtierenden Volksanwälte – derzeit sind dies Peter Kostelka (seit 2001), Gertrude Brinek (seit 2008) und Terezija Stoisits (seit 2007). Die Volksanwälte werden für Funktionsperioden von sechs Jahren vom Nationalrat gewählt. Sie gehen Beschwerden nach und prüfen in jährlich mehr als 6000 Verfahren, ob behördliche Entscheidungen den Gesetzen entsprechen.

Die Wiener Volksanwaltschaft ist seit September 2009 auch Sitz des Generalsekretariates des „International Ombudsman Institute“ (I.O.I.), der internationalen Interessensvertretung für Verwaltungskontrollorgane. Peter Kostelka will als Generalsekretär bei Schulungen und der Erarbeitung internationaler Bewertungskriterien helfen.

 

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