Starke Marken für die digitale Medienzukunft

Starke Marken für die digitale Medienzukunft
Digital-Marketing-Konferenz in der Wiener Hofburg: Bezahlmodelle für Online-Medien werden weiterhin als problematisch gesehen.

Es ist eine bemerkenswerte Entscheidung, den Eröffnungsvortrag einer Konferenz für Digital Marketing vom Vertreter eines traditionsreichen Printmediums halten zu lassen. Rainer Esser, Geschäftsführer des Zeit-Verlags, sprach am Donnerstag zum Auftakt des fünften werbeplanung.at-Summit in der Wiener Hofburg zu den Vertretern der Digital-Branche. Wien sei im "imperialen Vorteil", eine Konferenz innerhalb dieser altehrwürdigen Mauern abhalten zu können, meinte Esser in seiner kurzweiligen Rede.

Der Manager sieht die Printmedien keineswegs in einer ausweglosen Krise. In Deutschland und Österreich würden immer noch mehr als 70 Prozent der Bevölkerung täglich zur Zeitung greifen. Genauso wie starke Unternehmen die Automobilkrise überwunden hätten, so werden auch jene Medienhäuser, die durch Qualität und Unabhängigkeit Glaubwürdigkeit vermitteln, zu den Gewinnern zählen.

"Unser Geschäft ist nicht das Bedrucken von Papier"

Starke Marken für die digitale Medienzukunft
Dazu gehöre aber auch das Bewusstsein, "dass unser Geschäft der Journalismus ist, und nicht das Bedrucken von Papier". Dieses "Kernprodukt" gelte es mit mehr Leidenschaft zu vertreten. "Für Verlagshäuser gibt es keinen Artenschutz", schränkte Esser allerdings ein.

"Das digitale Zeitalter ist ein Paradies", sagte der Zeit-Chef. Doch nur mit "Mut zur Innovation" könne man dessen Segnungen auch empfangen. Die Medienhäuser verfügten nun über einen Rück-Kanal zu den Lesern und mit Webshops könne man neue Erwerbsquellen anzapfen. Wichtig sei, dass das Angebot zur Marke passe, und daher auch glaubwürdig ist.

Große Chancen sieht Esser daher in neuen Kooperationen wie der "Quality Alliance" zwischen FAZ, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und Handelsblatt. Die deutschen Qualitätszeitungen wollen mit dieser Allianz ihre besondere Stellung betonen und betreiben gemeinsames Digital Marketing sowie in Zukunft auch Print-Marktforschung.

Aufhorchen ließ der Zeit-Geschäftsführer mit seiner Forderung, dass analog zur Bevölkerungsverteilung 50 Prozent Frauen und 20 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund in den Redaktionen vertreten sein sollten - dies beträfe auch die Chefetagen.

Starke Marken im Mittelpunkt

Starke Marken für die digitale Medienzukunft
Der erste Vormittag der Konferenz für Online-Marketing stand ganz im Zeichen der Medien. Bei einer von ORF-Anchorman Armin Wolf geleiteten Podiumsdiskussion wurde die Wichtigkeit von starken Marken betont. Nur so könnten die Medienhäuser verhindern, in der unübersichtlichen digitalen Welt unterzugehen.

In punkto Onlinewerbung befinde man sich noch in einer "Trial-and-Error-Phase" befand Sandro Albin von der Schweizer Gratiszeitung 20 Minuten. Wolfgang Winter vom Red Bull Media House zeigte sich "mit den digitalen Anzeigenerlösen nicht zufrieden". Das Geld werde in dem Salzburger Medienhaus noch immer mit den Print-Produkten verdient.

RTL-Manager Andreas Rudas wies darauf hin, dass die klassischen Medien dazu neigen, sich selbst schlecht zu reden. "Klassische Medien haben nach wie vor eine entscheidende und wichtige Bedeutung", hielt Rudas dem entgegen. So sei das Fernsehen noch immer das Leitmedium schlechthin, die TV-Nutzung in den vergangenen Jahren sogar noch gestiegen. Wer mit Werbung möglichst weite Verbreitung erzielen wolle, setze immer noch auf TV und ausgewählte Print-Produkte, erklärte Rudas.

Österreich-Online-Geschäftsführer Niki Fellner ist davon überzeugt, dass Verlagshäuser ihre starken Marken für Transaktionsgeschäfte nutzen müssen. Es gehe darum, Leser zu bestimmten kommerziellen Angeboten hinzuführen. Anders sieht das Albin, der betonte, dass ein Verlag kein Warenhaus werden muss und es vielmehr die Grundaufgabe sei, auf möglichst vielen Kanälen Content zu verbreiten.

An einen durchschlagenden Erfolg von Paid Content im Internet glaubt keiner der Diskutanten. Für den Schweizer Titel 20 Minuten ist Paid Content kein Thema, vielmehr freue man sich über jedes Medienhaus im Land, dass eine Bezahlschranke einführt, weil dies dem Verlag neue Leser bringe, so Albin.

Paid Content hat schweren Stand in Österreich

Paid Content, also Bezahlmodelle im Internet, war auch das große Thema des folgenden Vortragpanels. Tomáš Bella stellte das Konzept des slowakischen Bezahlsystems Piano Media vor. Es beruht darauf, dass die User gegen ein Jahres- oder Monatsabo (beispielsweise 39 € bzw. 3,9 €) alle an dem System teilnehmenden Nachrichtenseiten eines Landes nutzen können. Tagesgebühren oder Micropayment hält Bella nicht für sinnvoll, "diese User sind nicht loyal und kosten eigentlich nur“. Es sei zwar wichtig, dass die größten Player an Bord sind, aber selbst in Polen, wo der Platzhirsch Axel Springer nicht an Bord sei, habe es keine massive User-Abwanderung bei den teilnehmenden Portalen gegeben.

Piano Media ist bisher in der Slowakei, Polen und Slowenien aktiv. Zahlreiche weitere europäische Länder würden mit dem Unternehmen in Verhandlungen stehen. Österreich sei aber bisher ein weißer Fleck auf dieser Landkarte.

Starke Marken für die digitale Medienzukunft
George Nimeh, Chief Digital Officer von KURIER.at, erklärte dieses Phänomen damit, dass österreichische Medienmacher befürchten, bei einer Einführung eines solchen Bezahlsystems viele User an den großen Nachbarn Deutschland zu verlieren, weil dort die selbe Sprache gesprochen werde. Peter Neumann von derStyria Media GroupundORF.at-Chef Karl Pachner glauben ebenfalls nicht an eine nationale Paywall in Österreich. Anders liege der Fall bei Ländern wie Frankreich, wo für die User kaum "Fluchtmöglichkeiten" in Ländern mit gleicher Sprache bestünden. Dort seien Bezahlsysteme erfolgreicher.

Neumann hält den österreichischen Markt für zu klein, um eine landesweite Paywall einzuführen. Dem stehe der wesentlich größere Markt in Deutschland gegenüber. "Das kann nicht klappen", so Neumann. "Es gibt keine Zahlungsbereitschaft für etwas, dass es an irgendeiner Ecke immer gratis geben wird."

Pachner erinnerte daran, dass schon Pay-TV im deutschsprachigen Raum vergleichsweise wenig Erfolg habe. Bei General Interest Media funktioniere Paid Content nicht. Außerdem sei derzeit eher eine Nivellierung bzw. Angleichung der Inhalte zu beobachten, daher schätze er die Chancen für Paid Content in Österreich gering ein. Es brauche Abgrenzung, um etwas verkaufen zu können.

George Nimeh bezweifelt weiters, dass sich Österreichs Verleger bei Verhandlungen über ein landesweites Bezahlmodell darüber einigen könnten, welches Medienhaus wie viel vom gemeinsamen Kuchen ausbezahlt bekommt.

Maßgeschneiderte Strategien

Der KURIER.at-Manager sprach in einer kurzen Präsentation von jener "Erbsünde", dass im Internet von Beginn an Inhalte kostenlos verbreitet wurden. Vor einer Einführung von Bezahlschranken müsse sich das Nutzerverhalten ändern, News und Information im Internet einen höheren Stellenwert bekommen. Auch brauche jedes Medienunternehmen eine maßgeschneiderte Strategie, die zur Marke passt.

Content-only-Strategien betrachtet Nimeh nicht als langfristig tragfähiges Geschäftsmodell. Shoppingangebote, Services und Rubrikenmärkte müssten die Inhalte ergänzen. Aber selbst wenn all diese Punkte erfüllt seien, müsse man bei der Umstellung Geduld haben. Die Bezahlmodelle der New York Times und beim Axel Springer-Verlag seien mindestens zehn Jahre lang vorbereitet worden.

1900 Gäste bei Digital-Marketing-Konferenz

Bis Freitag, 12. Juli, konferierten Vertreter der Digital-Branche bei Österreichs größter Digital-Marketing-Konferenz und Expo. 1900 Gäste hatten sich dieses Jahr registrieren lassen, im Vorjahr waren es 1800.

Insgesamt 55 heimische und 49 internationale Referenten sowie 22 Fach-Moderatoren wie etwa Futurezone-Chef Gerald Reischl standen in der Wiener Hofburg auf den drei Vortragsbühnen - unter dem Motto „Innovation – Insights – Interaction“. In den insgesamt 30 Vortragspanels vermittelten Kapazitäten aus Wirtschaft und Wissenschaft, Experten aus der Agenturszene sowie Visionäre aus Kommunikation und Medien ihr Know-How für den Einsatz von digitalem Marketing in Unternehmen.

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