Die Kultur verlor ihre große Stimme: Karl Löbl ist tot

So kannte man Karl Löbl Jahrzehnte lang aus dem Fernsehen: Als Musikkritiker im ORF noch im Schlussapplaus "nach der Premiere"
Der berühmte Opernkritiker und Ex-Chefredakteur des KURIER wurde 83 Jahre alt.

Man ahnte, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde. Und war doch fassungslos, als die Meldung kam: Karl Löbl ist tot. Jener Mann, der von der schweren Krankheit, gegen die es kein Entkommen mehr gab, abberufen wurde. Der vor zwei Jahren seine geliebte Frau Hermi verloren hatte. Der in Österreich Zeitungs-, Fernseh- und Kulturgeschichte mitgeschrieben hatte – als einer der profiliertesten Kritiker.

Er liebte und lebte Kultur und konnte über sie erzählen wie kein anderer. Im Gegensatz zu Marcel Prawy aber waren nicht die Anekdoten sein Fach, sondern die harten Analysen. Die für die Betroffenen durchaus schmerzhaft sein konnten, die er aber stets aus voller Überzeugung und leidenschaftlich begründete.

Die Kultur verlor ihre große Stimme: Karl Löbl ist tot
Ohne Karl Löbl wäre die Kulturkritik heute eine andere. Er war maßgeblich für seine Leser, Hörer und Seher. Und ein Lehrer für Generationen von Journalisten. Von Löbl konnte man unendlich viel lernen. So groß sein Wissen über die Aufführungsgeschichte, etwa der Oper war, so jung blieb er im Kopf. Er schaute immer nach vorne und war ein Förderer junger, kulturinteressierter Menschen. Seine Formulierungskunst war einzigartig, seine sprachliche Präzision verblüffend, seine Urteilskraft überzeugend.
Er wurde zur großen Stimme der Kultur in der Öffentlichkeit und selbst zu einer ikonografischen Figur. Dennoch verblüffte es ihn immer wieder selbst, wenn er, etwa im Taxi, erkannt wurde. Eine große Stimme Österreichs ist verstummt. Leider eine der letzten ihrer Art.

Kritiken im Schlussapplaus

Die Kultur verlor ihre große Stimme: Karl Löbl ist tot
Geboren wurde Karl Löbl 1930 in Wien. Schon als 20-jähriger sammelte er journalistische Erfahrungen. Bekannt wurde er mit einem Interview mit dem damaligen Staatsopernchef Karl Böhm, der Löbl gegenüber gestand, seine Karriere nicht dem Haus am Ring opfern zu wollen – womit Böhms Zeit in diesem Amt vorbei war.

Löbl wurde bald zum Kulturchef diverser Zeitungen. Auch im KURIER, ehe er 1975 (und bis 1979) die Chefredaktion übernahm. Danach wechselte er als Kulturchef zum ORF, wo er unter anderem mit seiner TV-Sendung „Nach der Premiere“ für Furore sorgte. Schon während des Schlussapplauses meldete er sich live aus den Theater- oder Opernlogen zu Wort und hatte bereits ein fundiertes Urteil parat.

Später gestaltete er die Radiosendung „Klassik-Treffpunkt“ und sorgte bei seinen Gesprächspartnern nie für oberflächliche Wohlfühl-Atmosphäre, weil ihm harte Fragen wichtiger waren. Löbl war die Antwort auf die Event- und Marketing-Gesellschaft, die alles gut findet.

Im KURIER schrieb er noch lange Zeit CD-Kritiken, ehe er es noch einmal bei einer neuen Zeitung versuchte. Die Umarmung beim damaligen Abschied wird der Autor dieser Zeilen ebenso wenig vergessen wie hunderte Gespräche.
In großer Dankbarkeit!

Die Wiener Staatsoper trauert um den legendären Kulturjournalisten, der 83-jährig seinem Krebsleiden erlegen ist. "70 Jahre lang war er dem Haus als Zuschauer, Kritiker, Partner, Matineengestalter und Programmheftautor verbunden", hieß es am Dienstagabend in einer Aussendung.

"Wir sind sehr traurig, weil wir mit Karl Löbl einen umtriebigen Opernliebhaber, einen seriösen Opernkenner und einen einzigartigen Opernbotschafter verloren haben", betonte Staatsoperndirektor Dominique Meyer. "Seine Schärfe im Urteil war ein Ausdruck seiner Liebe zur Kunst und den Künstlern", sagte Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst.

Bis zuletzt sei Löbl der Wiener Staatsoper aufs Engste verbunden gewesen. Er habe seit mehreren Monaten zwar keine Vorstellungen mehr im Haus besucht, aber alle angebotenen Aufführungen via Livestream verfolgt. Sein letzter "Auftritt" an der Wiener Staatsoper sei im September 2013 in der Matinee "Positionslichter" gewesen, sein letzter publizistischer Beitrag sei erst vergangenen Sonntag im Programmheft zu "Rusalka" erschienen.

Auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat Löbl gewürdigt. Mit dem langjährigen Leiter der ORF-Kulturabteilung "verliert unser Land den Doyen des Kulturjournalismus und der ORF eine der bestimmendsten Persönlichkeiten aus Radio und Fernsehen", so Wrabetz. "Seine profunde Erfahrung aus mehr als sechs Jahrzehnten, die daraus resultierenden präzisen Kritiken, die Karl Löbl stets mit merkbar großem Engagement vermitteln konnte, sie haben das Bild dieses Mannes ausgemacht. Im ORF hat er aber auch als Führungspersönlichkeit, als Sendungsmacher, Autor und als Impulsgeber und Lehrmeister Generationen von Kolleginnen und Kollegen vor und hinter dem Mikrofon und der Kamera geprägt. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie", so Wrabetz in einer Aussendung.

In der ZiB2 äußerten sich Ioan Holender und Claus Peymann betroffen. Auch der für Kultur- und Medienagenden zuständige Minister Josef Ostermayer (SPÖ) zeigte sich "tief betroffen". "Löbl war eine Kapazität im Kunst- und Kulturjournalismus", sagte der Ressortchef in einer Aussendung. "Mein herzliches Beileid gilt den Angehörigen", so Ostermayer.

Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) erklärte, Löbl sei eine "Institution der österreichischen Kulturberichterstattung" gewesen. Kein anderer habe seinen Beruf "mit soviel Leidenschaft und Verve ausgeübt wie er". "Die Kulturberichterstattung verliert mit ihm eine maßgebliche Stimme", sagte Mailath-Pokorny.

Auch ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel würdigte den Verstorbenen. Mit Löbl verliere die österreichische Medienlandschaft "einen ihrer besten, profiliertesten Musikkritiker und Kulturjournalisten", so Blümel. "Unsere gesamte Anteilnahme gilt in dieser Stunde der Trauer seiner Familie und seinen Freunden."

Der ORF ändert sein Programm für den langjährigen Leiter seiner Kulturabteilung. Den Auftakt in memoriam Karl Löbl macht am Mittwoch, um 19.55 Uhr ORF III mit einem "Kultur Heute Spezial" samt letztem TV-Interview des Granden und "News"-Kulturchef Heinz Sichrovsky. ORF-Kulturexpertin Barbara Rett sowie ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sind live im Studio.

Am Sonntag (2. Februar) läuft in der "matinee" auf ORF 2 um 9.05 Uhr ein halbstündiger Nachruf unter dem Titel "Karl Löbl - Erinnerungen an einen Unbestechlichen" von Karina Fibich. ORF III wiederholt die Sendung am selben Tag um 13.15 Uhr.

Und schließlich wird Ö1 am Samstag einen "Klassik Treffpunkt" um 10.05 Uhr dem Verstorbenen widmen, in dem Otto Brusatti an den Ö1-Moderator und Sendungsgestalter von "Lieben sie Klassik?" und "Klassik Treffpunkt" erinnert. Als Gast ist der Pianist und Dirigent Boris Bloch geladen.

Musikwissenschaft
Karl Löbl wurde am 24. Mai 1930 in Wien geboren. Nach der Matura studierte er zunächst Musikwissenschaft und Theaterwissenschaft und besuchte ein Seminar für Musikkritik, von dessen Leiter er direkt zur zunächst noch britischen Weltpresse geholt wurde.

Laufbahn im Nachkriegs-Wien begonnen
Als 20-Jähriger begann Löbl seine Laufbahn als Musikkritiker und galt bereits wenige Jahre später während seiner Zeit beim Bild-Telegraf als kritischer Fragensteller. Aus dem Bild-Telegrafen wurde der Express, wo Löbl unter Gerd Bacher, ebenfalls als Kulturchef, später auch als Chefredakteur tätig war.

Im KURIER
Die 70er-Jahre verbrachte Löbl beim KURIER, zunächst als Kulturchef, von 1975 bis 1978 als Chefredakteur, dann wieder als Kulturchef.

Kritikerlegende im Fernsehen
1980 holte ihn Gerd Bacher 50-jährig als Leiter der Kulturabteilung zum ORF. In Funk und Fernsehen war Löbl bereits vorher einem breiten Publikum bekannt: Ab 1968 gestaltete er die fast 30 Jahre laufende Radiosendung "Lieben Sie Klassik?", von 1995 bis 2003 den "Klassik-Treffpunkt", ebenfalls auf Ö1. Seine TV-Kommentare "Nach der Premiere" direkt aus dem Schlussapplaus machten ihn zur Kritikerlegende.

Matineen in der Staatsoper
Nach dem Ende seiner ORF-Zeit wechselte Löbl om Schlussapplaus zur Matinee und gestaltete von 2004 bis 2006 für die Wiener Staatsoper "Vor der Premiere", bis Wolfgang Fellner ihn für seine damals neue Zeitung als externen Musikkritiker verpflichtete. Löbl war auch noch rund um seinen 80er stets in den Opernhäusern und Konzertsälen Wiens und mit strengen Fragen bei Pressekonferenzen anzutreffen.

Publikationen
Karl Löbl schrieb die Bücher "Das Wunder Karajan" sowie das Lexikon "Opern auf Schallplatten". Noch im Jahr 2013 veröffentlichte Löbl, bereits von seiner Krankheit beeinträchtigt, das Buch "Nach den Premieren" mit Einblicken in seine Berichterstattung über die Wiener Staatsoper und seine Autobiografie "Der Balkonlöwe" (beide im Verlag Seifert).

Ehrungen
Löbl war u.a. Träger der goldenen Nicolai-Medaille in Gold der Wiener Philharmoniker, des Renner-Preises für journalistische Unabhängigkeit und des Henz-Rings für "Lieben Sie Klassik?".

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