Traumhaftes beim Opernmärchen "Rusalka"
Es ist eine große Freude und nur verständlich, dass die Oper „Rusalka“ von Antonin Dvořák international gerade wieder jene Beachtung erfährt, die ihr zusteht.
An der New Yorker Metropolitan Opera läuft dieser Tage eine Aufführungsserie in der alten Inszenierung von Otto Schenk – mit Renée Fleming und Piotr Beczala als Protagonisten. An der Wiener Staatsoper ist seit Sonntag (22 Jahre nach der letzten Vorstellung) eine Neuproduktion in der Regie von Sven-Eric Bechtolf zu sehen – mit Krassimira Stoyanova und Michael Schade.
Womit wir gleich bei einem wesentlichen Punkt wären: Große Künstlerinnen wie Fleming oder Stoyanova, also die denkbar besten, braucht es, um das Opernmärchen von der todbringenden Liebe der Wassernixe zum Prinzen zum sängerisch traumhaften Erlebnis zu machen. Im Haus am Ring ist das glänzend gelungen.
Szenenfotos aus "Rusalka"
Liebesleid
Stoyanovas Sopran hat das nötige leicht traurige, dunkle Timbre für die von ihrem treulosen Partner enttäuschte Liebende, gleichzeitig aber einen silbrigen Glanz, der die sympathische und uneitle Sängerin bestimmt dazu qualifiziert, im Sommer bei den Salzburger Festspielen die Marschallin im „Rosenkavalier“ wunderschön zu singen. Stoyanovas Stimme klingt jugendlich, dabei aber groß und kraftvoll genug, um im Orchesterrausch stets gut hörbar zu bleiben. Die Höhen der Partie scheinen für sie kein Problem zu sein. Und mit ihrer Phrasierung, ihrer klugen Gestaltung berührt sie zutiefst. Der Jubel des Publikums war in jeder Hinsicht berechtigt.
Michael Schade als Prinz, der, wie manch andere Männer, rasch Feuer und Flamme für eine unbekannte Schöne ist, dann aber rasch zu zweifeln beginnt und sich anderen zuwendet, ist in den lyrischen Passagen famos, verfügt aber über etwas zu wenig Dramatik für diese Rolle. Fabelhaft in seiner Darstellung und mit seinem noblen, aber mächtigen Bass ist Günther Groissböck als Wassermann. Janina Baechle ist eine bedrohliche und die Partie der Hexe Jezibaba stimmlich exzellent ausfüllende Mezzosopranistin, Monika Bohinec eine zu wenig markante fremde Fürstin.
Die kleineren Partien (Gabriel Bermúdez als Heger, Stephanie Houtzeel als Küchenjunge sowie die drei Elfen Valentina Nafornită, Lena Belkina und Ilseyar Khayrullova) sind sehr gut besetzt.
Zum musikalischen Fest macht diese Produktion aber erst das Wiener Staatsopernorchester unter der Leitung des Hausdebütanten Jiří Bělohlávek. „Rusalka“ ist am Ring klangarchitektonisch ausgefeilt, im Detail sensibel musiziert, dabei den großen Bogen aber nie vergessend, farbenprächtig und präzise umgesetzt. Die Leitmotivik und der strukturelle Unterschied zwischen mythologischer und realer Welt sind klar herausgearbeitet. Man versteht, dass die Philharmoniker enttäuscht waren, dass nicht sie im Jahr 2008 in Salzburg dieses Werk gespielt hatten, das ihnen so sehr liegt. Allerdings hatten damals auch die Musiker des Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst einen großen Erfolg gelandet, was ebenso für die kompositorische Qualität des genial instrumentierten Werkes spricht.
Tiefenpsychologie
Die Wiener Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf setzt auf die poetische Kraft des Stoffes und ein paar tiefenpsychologische Ansätze wie etwa die erwachende Lust einer Frau ohne Unterleib. Raffiniert gelöst ist eine Ballettszene, in der Rusalkas Traum von romantischer Liebe sichtbar wird, von männlicher Seite aber mehr Richtung Vergewaltigung kippt. Es gibt zahlreiche Zitate aus Filmen, von „Edward mit den Scherenhänden“ bis zu „Twilight“, wenn der Küchenjunge gemetzelt wird und die Elfen dem Blutrausch verfallen. Die Personenführung ist – wie so oft bei Bechtolf – fabelhaft. Er bringt auch diesmal eine schauspielerische Kraft in das allzu oft statische Genre und macht die Beziehungen der Figuren zueinander deutlich. Eine tiefgründige Interpretation ist im Bühnenbild von Rolf Glittenberg aber nicht zu erleben.
Bechtolf belässt die Geschichte im Irgendwo, im Irgendwann, wie von Dvořák und seinem Librettisten Jaroslav Kvapil intendiert. Für einen auch szenisch packenden Opernabend ist das aber doch recht unkonkret. Schade auch, dass es zwei Pausen gibt, die den Fluss ziemlich hemmen.
Im Repertoire wird sich diese Produktion bestimmt gut machen – sofern es wieder derart erstklassige Protagonisten gibt.
KURIER-Wertung:
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