Woher die Fachkräfte aus Drittstaaten kommen (sollen)
4.500 Rotweißrot-Karten wurden heuer schon vom AMS bewilligt, um 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Bestimmte Herkunftsländer sollen jetzt gezielter adressiert werden.
Arbeitsminister Martin Kocher will bis 2027 pro Jahr mindestens 15.000 Fachkräfte von außerhalb der EU nach Österreich locken, um die akuten Personallücken zu schließen. Diese werden trotz leicht steigender Arbeitslosigkeit auch in den kommenden Monaten und Jahren groß bleiben, verheißen die Prognosen. Doch der Zuzug von ausländischen Fachkräften mittels Rotweißrot-Karte blieb bisher weit unter den Erwartungen.
Die Ende 2022 in Kraft getretenen Lockerungen zeigen zumindest erste kleine Erfolge, geht aus aktuellen AMS-Daten hervor, die dem KURIER vorliegen. Demnach wurden heuer bis Ende Juli bereits 4.555 Rotweißrot-Karten bewilligt, um knapp 50 Prozent mehr als im Vorjahr.
Wenig Hochqualifizierte
Die Verteilung ist durchaus interessant: Die Hälfte der Bewilligungen erfolgte für sogenannte Mangelberufe, also Jobs, für die es zu wenige Bewerber im Inland gibt. 160 Rekrutierungen erfolgten im Bereich „Hochqualifizierte“, 500 waren Studienabsolventen, weitere 700 kamen mittels Blue Card aus einem anderen EU-Land. Als Flop erweist sich bisher die Stammsaisonnier-Regelung. Erst 60 Saisonniers verlängerten ihren Aufenthalt mittels RWR-Karte.
Interessant sind auch die Herkunftsländer:
Bosnier und Inder
Im Ranking der Herkunftsländer führt Bosnien/Herzegowina (889) klar vor Indien (416) und Serbien (351). Dahinter folgen die Türkei, Russland und der Iran. Größtes afrikanisches Herkunftsland ist Ägypten mit 94 vergebenen RWR-Karten bis Juli. Knapp dahinter folgen Brasilien und Kolumbien. Ukrainische Geflüchtete benötigen für die Jobaufnahme keine Rotweißrot-Karte.
AMS-Vorständin Petra Draxl geht davon aus, dass bis Jahresende vom AMS zwischen 8.000 und 10.000 Anträge bewilligt werden dürften. „Das jährliche Ziel von 15.000 halte ich daher für durchaus realistisch“, sagt Draxl und verweist auf die neue Anwerbestrategie.
Diese sieht vor, dass das AMS seine Fühler nach bereits eingewanderten Drittstaaten-Angehörigen im EU-Raum ausstreckt und sie nach Österreich lockt. Hintergrund: Inhaber einer „Blue Card“ dürfen nach zwölfmonatigem Aufenthalt in einem EU-Land leichter in ein weiteres EU-Land umziehen und dort arbeiten. Das Prozedere für die rein national gültige RWR-Karte entfällt. Als Beispiel nennt Draxl etwa Marokkaner, die in Spanien arbeiten. Mindestens 2.000 Fachkräfte sollen so jährlich rekrutiert werden.
Die Austrian Business Agency (ABA) wiederum soll mindestens 8.000 Personen direkt in ausgewählten Drittstaaten anwerben, der Rest soll über die Betriebe direkt kommen. Erleichtert wird das Prozedere über die Möglichkeit einer elektronischen Antragstellung.
Weiters schloss Österreich – spät aber doch – diverse bilaterale Abkommen mit Herkunftsländern wie etwa den Philippinen, wo vor allem das Pflegepersonal herkommen soll.
Arbeitsattaché
Die Philippinen schicken demnächst einen eigenen Arbeitsattaché nach Wien. Dieser fungiert als zentrale Ansprechperson für seine Landsleute bei Behördenwegen oder Bürokratiehürden. Größtes Problem ist hier die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen (Nostrifikation). „Die Betriebe müssen wissen, was die Ausbildungen wert sind“, meint Draxl und verweist auf diverse Schulkooperationen, die zwischen inländischen und ausländischen Einrichtungen getroffen werden.
Allein im Pflegesektor rechnet das Arbeitsministerium mit einem Mehrbedarf von rund 76.000 Beschäftigten bis 2030. Im Zuge der Pflegereform wurden die Voraussetzungen für die Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte bereits gelockert. Diese können schon während des Nostrifikationsprozesses als Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz tätig werden.
Kommentare