Derzeit sind 37.000 überwiegend junge Asylberechtigte auf Arbeitsuche. Statt sie nur in Deutschkurse zu stecken, fordert AMS-Vorständin Petra Draxl breitere Ausbildungen in Vollzeit
Die Integration von Geflüchteten in den heimischen Jobmarkt bleibt eine große Herausforderung. Die Zahl der beim AMS vorgemerkten Asylberechtigten stieg im Jahresabstand um 4.000 auf 37.000. Seit Juli ist Petra Draxl zweite Vorständin des Arbeitsmarktservice (AMS) neben Johannes Kopf.
Im KURIER-Interview spricht sich Draxl für neue und vor allem frühere Maßnahmen zur besseren Job-Integration von Flüchtlingen aus und erklärt, was die angekündigten Verschärfungen bei den Sanktionen für Arbeitslose bedeuten.
KURIER: Die Arbeitslosigkeit steigt wieder. Wie wird es im Herbst und Winter?
Petra Draxl: Wir rechnen mit einem moderaten Anstieg. Großen Einfluss darauf wird die Bauwirtschaft haben, die den Abschwung beim Wohnbau spürt.
Wird Kurzarbeit wieder ein Thema?
Ab 1. Oktober können wieder Anträge nach der neuen Regelung gestellt werden, aufgrund technischer Adaptierungen erfolgen Bewilligungen erst im Dezember. Fraglich ist, ob wir budgetär das Auslangen finden, denn es sind nur 20 Mio. Euro dafür vorgesehen. Sobald ein paar große Konzerne da einreichen, ist das schnell verbraucht. Danach wird es eine politische Lösung geben müssen, denn aus dem AMS-Budget ist das nicht zu stemmen.
Die Inländerarbeitslosigkeit geht nach wie vor zurück. Wird das so bleiben?
Man sieht hier die demografische Entwicklung am Arbeitsmarkt. Es gehen mehr Inländer in Pension – Stichwort Babyboomer – und es kommen weniger nach. Es steigt daher nur die Beschäftigung von EU-Bürgern und Drittstaaten-Angehörigen.
Kommen noch viele Ukrainerinnen und Ukrainer zum AMS?
Es sind rund 5.000 bei uns arbeitslos gemeldet, wobei die Zahl leicht sinkt. Rund 17.000 sind in einer Beschäftigung, dazu kommen viele geringfügig Beschäftigte.
Viele arbeiten in Jobs, für die sie überqualifiziert sind…
Das ist mit Sicherheit so. Etwa 10.000 Personen haben Deutschkurse gemacht, aber es sind bei Weitem nicht alle, die hiergeblieben sind.
Wir haben 37.000 vorgemerkte Arbeitslose, um 4.000 mehr als im Vorjahr. Davon drei Viertel in Wien. Hauptgruppen sind nach wie vor Syrer und Afghanen.
ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab will die Höhe der Sozialleistungen an erfolgreich absolvierte Deutschkurse knüpfen. Eine gute Idee?
Es ist gut und richtig zu sagen, welche Anforderungen wir an Menschen hier im Land stellen. Und natürlich kontrollieren wir beim AMS, ob Deutschkurse auch absolviert wurden. Wir müssen uns aber mit pädagogischen Konzepten auseinandersetzen, die es ermöglichen, dass diese Menschen neben der Sprache auch andere Basisqualifikationen wie etwa Rechnen erlernen können.
Was schlagen Sie vor?
Wir brauchen für junge Flüchtlinge bis 25 Vollzeitmaßnahmen, wo wir von Deutsch, Mathematik und EDV über Sport bis zu Berufspraktika ein ganzes Paket anbieten. Also eine Kombination von Lernen und Praktika in Form einer 35- bis 36-Stunden-Woche. Das gibt es etwa in Form von Jugendkollegs in Wien, die 14 bis 18 Monate dauern. Danach sind die Jugendlichen so fit, dass wir sie in die Lehre schicken können. Oder sie eine Arbeit finden.
Deutschland gelingt die Job-Integration von Flüchtlingen besser. Kann man sich hier etwas abschauen?
Wie gut ein Integrationsprozess läuft, hängt auch davon ab, wann er gestartet wird. Deutschland beginnt viel früher mit Vollzeitmaßnahmen für Flüchtlinge mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit.
Es muss also früher angesetzt werden?
Ja, bei Flüchtlingen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, etwa bei Syrern in den Bundesländern. Wenn die dort auf den Asylbescheid warten und nichts mit ihnen getan wird, kommen sie anschließend gleich nach Wien, weil sie hier bessere Jobchancen und Communitys haben.
Für Vollzeit-Schulungen bräuchte es aber viel mehr Geld. Das AMS-Budget wird aber gerade gekürzt ...
Eine Vollzeit-Schulung kostet definitiv mehr als ein Deutschkurs. Die Budgetkürzung erklärt sich mit den gesunkenen Arbeitslosenzahlen. Es müssen aber Schwerpunkte gesetzt werden, die Ausländerbeschäftigung gehört da absolut dazu.
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat kürzlich bei den Sanktionen nachgeschärft. Was bedeutet das konkret für Arbeitslose?
Es wurde an zwei Stellen nachgeschärft. Bei der Geringfügigkeit wird genauer hingeschaut und es wird auch während einer Sperre des Arbeitslosengeldes weitervermittelt und sanktioniert. Es kommt quasi die Sanktionsmöglichkeit während einer Sanktion.
Was passiert mit den geringfügig Beschäftigten?
Geringfügig Beschäftigte müssen jetzt eine Bestätigung vom Arbeitgeber bringen, der begründet, warum er das Beschäftigungsausmaß nicht erhöht. Und sie müssen melden, wann sie tätig sind. Wir werden auch Gespräche mit Betrieben suchen, die mehr als drei Arbeitslose geringfügig beschäftigen. Damit soll verhindert werden, dass Arbeitslose in der Geringfügigkeit verharren.
Die Maßnahmen klingen aber eher formalistisch ...
Wir denken schon, dass das was bringen wird. Man muss die Kirche aber im Dorf lassen. Es sind 10 bis 11 Prozent der Arbeitslosen, die geringfügig arbeiten.
Die gebürtige Steirerin Petra Draxl ist seit Juli die erste Frau im Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich. Als Co-Vorstand neben Johannes Kopf folgte sie Herbert
Buchinger nach, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ging. Zuvor war Draxl AMS-Chefin in Wien.
AMS-Budgetkürzung
Das AMS-Förderbudget für aktive Arbeitsmarktpolitik soll im kommenden Jahr von 1,3 auf 1,1 Milliarden Euro sinken, die Zahl der AMS-Mitarbeiter (dzt. 5.868) um 125
Zur Arbeitszeitdebatte. Sie sind gegen eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 35 oder 32 Stunden. Warum?
Wir haben wegen der hohen Teilzeitquote jetzt schon eine 30-Stunden-Woche, halt ohne Lohnausgleich, dafür mit extremen Gender Gap. Hier müssen endlich den Kindergartenausbau forcieren. In technikgetriebenen Branchen gibt es sehr wohl Effektivitätsgewinne, die weitergegeben werden können. Aber in anderen Bereichen, etwa Gesundheit und Pflege, ist klar, dass die Arbeitskräfte fehlen, wenn die Arbeitszeit verkürzt wird.
Also keine gesetzliche Regelung?
Es sollte in den Branchen zwischen den Sozialpartnern geregelt werden, nicht gesetzlich für alle. Im übrigen regelt das der Arbeitsmarkt eh selbst. Betriebe, die keine flexiblen Arbeitszeiten anbieten, werden schwer Personal finden. Die Ansprüche an die Arbeit sind gestiegen.
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