Nicht für die Katz: So vermehrt sich Ihr Geld bis 2030
Langer Zigarettenspitz, Bubikopf, Fransenkleid und Charleston – das fällt vielen ein, wenn es um die 1920er-Jahre geht. So golden, wie die Zwanziger oft genannt werden, war dieses Jahrzehnt allerdings nicht. Bis 1923 herrschte Hyperinflation. Die Hochkonjunktur gab es nur in den Jahren 1926 bis ’28, dann folgten Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise. In den guten Jahren gab es allerdings etliche Neuheiten, die die Konjunktur so richtig in Schwung brachten. Dazu gehörte die Industrieproduktion mit Fließbandarbeit. Dadurch wurden viele Produkte – vom Haushaltsgerät bis zum Auto – für die Massen erst erschwinglich. Und neue Jobs konnten entstehen.
Die neuen Zwanziger
Demnächst beginnen die nächsten 20er-Jahre. Welche sind die Trends, die diese Dekade überdauern werden – und sich daher für die langfristige Geldanlage eignen? Laut Experten gibt es einige Megatrends, mit denen sich Anleger auseinandersetzen sollten. Dazu zählt der demografische Wandel.
In den Industrieländern steht die Babyboomer-Generation vor der Pensionierung. Eine Reihe von börsenotierten Konzernen werden von dieser Entwicklung profitieren.
Die demografische Entwicklung bringt einen anderen Trend mit sich: den der Niedrigzinsen, hat die Zürcher Kantonalbank Österreich festgestellt. Je älter die Bevölkerung, desto größer der Hang zum Sparen. Das mache die Investitionsanreize der Notenbankpolitik zunichte. Und führe gleichzeitig dazu, dass brachliegendes Kapital wohl noch länger durch Negativzinsen bestraft wird, so die Asset-Management-Experten.
Trends für die nächste Dekade
Andere Megatrends dagegen eignen sich sehr wohl für die Geldvermehrung. Dabei geht es um ganz Profanes wie Haustiere oder Hochtechnologisches wie Roboter. Klimaschutz und erneuerbare Energien werden auch in Jahrzehnten nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch an den Aktienmärkten zu den bestimmenden Themen zählen. Auch der Konsumbereich sollte bei den strategischen Überlegungen nicht fehlen: „Das Konsumverhalten vergangener Jahrzehnte wird überdacht, die Sharing Economy wird größer werden“, sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria.
Der KURIER hat eine Auswahl an Megatrends zusammengestellt und nennt zu den einzelnen Themen stellvertretend auch börsenotierte Unternehmen. Kleinanleger sollten allerdings nicht zu Einzeltiteln sondern zu Produkten greifen, bei denen diese Aktien enthalten sind, das Risiko aber breit gestreut ist. Viele Fondsgesellschaften haben entsprechende Produkte in ihrer Palette.
Einer dieser Megatrends ist der demografische Wandel, also die Alterung der Bevölkerung. Darüber lesen Sie hier:
Neben dem demografischen Wandel gibt es weitere Megatrends. Beispiele:
Für Hund und Katz ist nur das Beste gut genug
Beim Thema Haustier treffen gleich zwei Megatrends aufeinander: die alternde Bevölkerung und die zunehmende Urbanisierung. Aber auch bei Jüngeren sitzt das Geld locker, wenn es um Hund, Katze & Co. geht. Millennials machen mit 35 Prozent die größte demografische Gruppe der Tierbesitzer aus. Dazu kommt, dass in Schwellenländern wie China die wachsende Mittelschicht mit steigendem Wohlstand ihre Liebe zum Haustier entdeckt.
Manche Einzelmärkte mögen Sprünge hinlegen, aber „der globale Markt wächst um etwa sechs Prozent pro Jahr“, sagt Bernhard Selinger, Fondsmanager im Erste Asset Management. Ein konstantes Wachstum in einem Börsensegment, das als defensiv gilt. Der Haustier-Markt ist bunt. Da zählen die Anbieter von Tiernahrung genauso dazu wie jene von Pflegeprodukten oder Medizin. Auch die Betreiber von Tierkliniken oder die Anbieter von entsprechenden Versicherungen gehören zur Palette – ein Beispiel dafür ist das Unternehmen PetIQ, das in den USA rasant expandiert.
Die Wiener Privatbank Gutmann glaubt ebenfalls an tierisch gute Anlagechancen und hat Zoetis in ihr rund fünfzig Werte umfassendes Portfolio aufgenommen: Der aus den USA stammende Weltmarktführer verkauft Tierarzneimittel und Impfstoffe für Haus- und Nutztiere in mehr als 100 Ländern und erzielte damit zuletzt 5,8 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Der stabile Trend bestätigt sich auch beim Schweizer Nahrungsmittelriesen Nestlé, dessen Petfood-Sparte schneller wächst als das übrige Geschäft: Im jüngsten Quartalsbericht war der Bereich mit 7,3 Prozent plus nach neun Monaten Wachstumstreiber Nummer eins.
Internet der Dinge und 6G: Die intelligente Stadt
Ob der Kühlschrank weiß, dass Milch nachbestellt werden muss, bringt die Menschheit nicht weiter. Die Vernetzung der Dinge (Internet of things) wird dennoch massiv zunehmen. In Singapur sind sogar öffentliche Mistkübel vernetzt, erzählt Günther Schmitt, Fondsmanager bei Raiffeisen Capital Management. Dadurch kann die Müllabfuhr auf einer großen Tafel feststellen, wie voll jeder einzelne Kübel ist und ob er geleert werden muss. Das erspart sinnlose Kilometer. Intelligente Straßenbeleuchtungen oder Verkehrssysteme werden die rasant wachsenden Städte erobern: In 30 Jahren werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben
Der 5G-Standard für mobiles Internet und Mobiltelefonie ist Voraussetzung dafür, dass das alles funktioniert. Ungefähr 2026/’27 soll bereits der Nachfolger 6G kommen. Daten gelten als das Öl der Zukunft: Davon profitieren könnte der japanische Nidec-Konzern, dessen Minimotoren sich in Festplatten oder Robotern finden. Weil die Hälfte der Weltbevölkerung keinen (stabilen) Internet-Empfang hat, will Amazon Nanosatelliten entwickeln. Die Datenfülle macht Firmen wie Flashspeicher-Anbieter Pure Storage oder Equinix (USA) interessant – eine Immobilienfirma, die allerdings 204 hochmoderne Datenzentren in 53 Metropolen weltweit betreibt.
Klimawandel und die Auswirkungen
Stahlerzeugung, die mehr Rücksicht aufs Klima nimmt? Die heimische voestalpine und der deutsche ThyssenKrupp-Konzern testen die Umstellung von Kohle auf Wasserstoff. „Das ist ein Bereich, der extrem wächst“, sagt Günther Schmitt vom Raiffeisen Capital Management. Wasserstoff- und Gase-Lieferanten wie das französische Unternehmen Air Liquide oder der US-Konkurrent Air Products können davon profitieren.
Die Investmentprofis der Wiener Bank Gutmann haben Ingersoll Rand auf dem Radar: Der fast 150 Jahre alte US-Mischkonzern mit Sitz in Irland verzeichnet kräftiges Wachstum im Bereich Kälte- und Klimatechnik. Wichtig im Kampf gegen den Klimawandel wird die Umstellung auf saubere Energie sein. So werden immer größere Windparks und Windräder entstehen. Hier ist das US-Unternehmen TPI Composites engagiert, das leichte Rotorblätter aus Kohlefaser-Verbundstoff produziert. Das große Problem ist aktuell die Speicherung – hier fehlt ein kommerzielles Massenprodukt.
In der Geothermie ortet Friedrich Strasser, Chief Investment Officer der Bank Gutmann, großes langfristiges Potenzial: In München haben sich die Stadtwerke das Ziel gesetzt, die Stadt bis 2040 komplett mit erneuerbarer Energie zu versorgen – vor allem dank Tiefengeothermie.
Vom Einkaufsnetz ins Internet
11. November, Singles’s Day in China. Heuer setzte allein Internetriese Alibaba an diesem Tag umgerechnet 34,5 Milliarden Euro um. Umsatzrekorde am Black Friday und Cyber Monday zeigen: die Konsumwelt wandert vom Einkaufsnetz ins Internet zu Online-Plattformen. Der Luxusmarkt spielt hier nach anderen Regeln. Vor allem Chinas Lust auf Luxus ist groß, dort wird heuer ein Wachstum von 26 Prozent erwartet. Im Investmentfonds „Erste Future Invest“ stecken daher Aktien des italienischen Modeunternehmens Gucci.
Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. China hat eine der weltweit höchsten Sparquoten, ungefähr die Hälfte der Wirtschaftsleistung wird angespart. Sollten Chinas Verbraucher je auf eine staatliche Pensionsvorsorge zählen können, würden „unglaubliche Beträge“ frei, sagt Bank-Gutmann-Chefökonom Andreas Auer. China werde die USA als Konsumnation Nummer 1 ablösen. Im Onlinehandel ist das ZTO Express unverzichtbar: Der chinesische Marktführer im Express-Versand bewältigt aktuell eine Milliarde Pakete pro Monat.
Wichtig in diesem Umfeld sind auch Zahlungsabwickler wie Visa oder PayPal. Im Wandel ist auch das Entertainment: Traditionelle TV-Stationen werden es schwer haben, im Streaming-Match der Giganten Apple, Netflix, Amazon mischt nun auch Walt Disney mit, der überraschend binnen eines Tages zehn Millionen Abonnenten gewinnen konnte.
Neue grenzenlose Mobilität
Die Autoindustrie könnte kräftig durchgewürfelt werden; nicht nur wegen der E-Autos, sondern durch Autonomes Fahren und Carsharing. Hier spielen Branchengrenzen keine Rolle mehr. Aktuell haben eher Internetfirmen wie Google/Waymo die Nase vorn, wie Testfahrten in Kalifornien andeuten (Grafik).
Daneben tummeln sich viele Firmen aus unterschiedlichsten Bereichen: Navigationsanbieter wie Telenav sind darunter, der chinesische Suchmaschinenanbieter Baidu, traditionelle Marken wie BMW, Nissan, Honda, Toyota, aber auch Anbieter wie Nvidia, der Computernutzern bisher eher für Grafikkarten bekannt war. Einen kurzlebigen Boom erlebte dieser jüngst durch den Bitcoin-Mining-Hype.
Zukunftsträchtiger sind vermutlich Nvidias Künstliche-Intelligenz-Plattformen für das Autonome Fahren. Falls sich Erdgas oder Wasserstoff als Antrieb für Busse, Lkw und den öffentlichen Verkehr durchsetzen, hätte der norwegische Anbieter Hexagon Composites, der Drucktanks herstellt, gute Karten. Klassische Autoverleiher wie Sixt versuchen sich neu als „Mobilitätsmanager“ zu erfinden.
Der Roboter als Kollege
Dass menschenähnliche Roboter ihre ersten Schritte taten, ist noch nicht allzu lange her. Bei der kleinsten Unebenheit stürzten sie allerdings um. Die jetzigen Modelle sind da um vieles weiter. Bodenturnen? Kein Problem. Durch den verschneiten und vereisten Wald marschieren? Ohne Umfaller absolviert. Möglich, dass derartige Maschinen zum militärischen Einsatz kommen. Sicher aber ist, dass sie ganz friedliche Einsätze lernen werden.
„Vom Robot zum Cobot“, lautet das Schlagwort für die Entwicklung hin zum mitarbeitenden Roboter. In der Industrie ist das bereits erprobt: Roboter und Menschen arbeiten Seite an Seite oder sogar Hand in Hand – ohne Gefährdung für die Sicherheit. Jetzt erobert sich die Technologie neue Anwendungsbereiche. In Japan sind bereits welche im Einsatz, die Patienten aus dem Bett heben und dem Pflegepersonal dadurch Rückenleiden ersparen. Als Vorreiter in der Robotik gilt das US-Unternehmen Boston Dynamics, das Ende 2013 von Google aufgekauft wurde. 2017 wurde das Unternehmen an den japanischen Telekom- und Medienriesen Softbank verkauft.
Ein weiteres Beispiel ist das US-Unternehmen Intuitive Surgical, das roboter-assistierte Chirurgiesysteme für minimalinvasive Eingriffe entwickelt und produziert. Kleine Eingriffe bedeuten kürzere Spitalsaufenthalte – was Kosten spart.
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