In der Schweiz wird die Kurzarbeit Akonto ausgezahlt. Ist das für Sie als Ex-Finanzminister vorstellbar?
Die Schweizer vertrauen ihren Bürgern. Die Schweizer Politik hilft rasch, und wer rasch hilft, hilft doppelt. Und erst nach fünf Jahren wird abgerechnet.
SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner propagiert schon seit Wochen eine geförderte Vier-Tage-Woche. Kann damit die Arbeitslosigkeit bekämpft werden?
Im Spital, bei der Pflege in der Gastronomie und in vielen anderen Branchen ist das so nicht anwendbar. Arbeit ist kein Einheitsbrei, den man wie Eis portioniert. Das ist ein vielfältiger Qualifikationszustand mit unterschiedlicher regionaler Ausprägung. Deswegen haben wir auf der einen Seite die hohe Zahl an Arbeitslosen, und gleichzeitig fehlen auch jetzt in der Krise die Fachkräfte.
Was braucht es denn, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bekommen?
Die Hilfsmaßnahmen, die beschlossen wurden, müssen endlich ausgezahlt werden. Bis jetzt sind erst maximal 20 Prozent der 50 angekündigten Milliarden ausgezahlt. Das ist ein großes Versagen mit höchst negativen Folgen. Zum Vergleich: In der Schweiz waren schon nach wenigen Wochen 15 Milliarden Franken in der Wirtschaft und 271 Millionen Franken bei den Kunstschaffenden angekommen. Zweitens braucht es ein Konjunkturprogramm, das es in dieser Form bis jetzt nicht gibt, um wie es in der Finanzwirtschaft heißt, „to prime the pump“ (zur Erklärung: Begriff der Finanzwissenschaft für den expansiven Impuls). Das bedeutet, dass man sich unsere Wirtschaft wie eine Wasserpumpe vorstellen muss, die aber ihre Wassersäule, die notwendig ist, verloren hat. Daher pumpt sie jetzt Luft. Wenn man in diese Pumpe wieder ein paar Kübel Wasser schüttet, dann pumpt sie wieder viel mehr Kübel, als man davor hineingeleert hat. Das fehlt bei uns. Auch ein Modernisierungsprogramm, wie die Investition in die Forschung, fehlt. Das sind drei verschiedene Stufen: Akute Hilfe, Heilung und Verbesserung für die Zukunft. Die Deutschen haben ein Zukunftsprogramm erstellt. Bei der EU haben wir uns als einer der vier Geizigen positioniert – und Geiz ist eine Todsünde –, die die Forschung, die Gesundheit und die Umweltinvestments kürzten.
Aber die Regierung pumpt unvorstellbare Summen von Geld in die Wirtschaft. Keiner weiß, wann diese Schulden jemals zurückgezahlt werden sollen. Das reicht nicht aus?
Ich hätte nie wie Sebastian Kurz gesagt: „Koste es, was es wolle“ – sofern es denn überhaupt jemals verwirklicht wird, würde es sicher Sprengstoff bedeuten. Ich bin auch kein Anhänger der Modern Monetary Theory, die gerade eine Renaissance erlebt und meint, Budgetdefizite seien grundsätzlich vernachlässigbar. Augenmaß und Zielorientiertheit sind mir wichtiger. Ich bevorzuge das Motto: „Alles, was nötig ist“, dieses aber rasch umgesetzt, ausreichend, zeitlich begrenzt und zielorientiert. Damit, wenn die Pumpe wieder Wasser pumpt, sie wieder für sich alleine die Aufgabe erfüllen kann und nicht weitere Kübel Wasser benötigt.
In Ihrem Buch empfehlen Sie, auch die Klima- und Energiewende endlich anzugehen. Auch die EU setzt auf den Green Deal. Ist die Investition in grüne Technologie ein Ausweg aus der Krise?
Das ist notwendig, aber es müssen Technologien sein, die realistisch sind. Und man darf keine Utopien verfolgen. Es ist ja nett, das Elektroauto zu propagieren. Aber das Batterieproblem ist nicht gelöst, und die ökologische Bilanz ist zweifelhaft. Wenn ein Tesla in Brand gerät, dann muss man das Auto ausbrennen lassen, und dann findet sich niemand, der die Batterie entsorgt.
Sie kritisieren die Sozialdemokratie, und Sie lehnen Vermögenssteuern ab. Wäre es nicht logisch, dass in einer Krise auch die Superreichen einen Beitrag leisten?
Es ist besser, den Nutzen eines Ackers zu besteuern anstelle des Ackers. Denn dann wird der Acker geteilt werden, und es wird weniger herauskommen.
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