Alpine-Pleite: Porr will 4600 Jobs retten

APA13302430 - 19062013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT CI - THEMENBILD - Illustration zum Thema Baukonzerne: Die Logos der Baukonzerne Alpine / Strabag / Porr / Pittel+Brausewetter aufgenommen am Mittwoch, 19. Juni 2013, vor einer Baustelle in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Konkurrent Porr will 4600 Arbeitsplätze übernehmen – nach einer Zwischenlösung mit Universale. Auch die deutsche Alpine-Tochter ist insolvent.

Hermann Haneder brachte es auf den Punkt: „Dieser Tag ist einer der härtesten in meiner 28-jährigen Laufbahn als Alpine-Betriebsrat.“ Der Zentralbetriebsrat ist wie seine Kollegen von der Entwicklung auf dem falschen Fuß erwischt worden. „Am Montag hat uns der spanische Eigentümer FCC noch Unterstützung signalisiert.“ Bereits Dienstagnachmittag kam es anders. Die FCC konnte ihre Finanzierungszusagen in Höhe von 225 Millionen Euro auf Druck der spanischen Banken nicht einhalten. Die Sanierung des Baukonzerns ist somit gescheitert, die Alpine Bau GmbH ist bankrott.

Alpine-Pleite: Porr will 4600 Jobs retten
Die Pleite ist mit 2,56 Milliarden Euro (das 2,5-Fache des Alpine-Bau-Umsatzes 2012 ) die größte in der Geschichte der Zweiten Republik. Jetzt wackeln in Österreich 4905 Arbeitsplätze bei der Alpine Bau, weitere 1578 im Ausland. Andere Gesellschaften des Konzerns mit 2500 Mitarbeitern sind derzeit nicht betroffen. „Ich gehe davon aus, dass das so bleiben wird“, sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Allerdings könnten 3000 weitere Jobs bei rund 1300 Zulieferern und Subauftragnehmern gefährdet sein.

Rasche Lösung

Die Löhne und Gehälter für Juni werden wie das Urlaubsgeld über den Insolvenzentgeltfonds abgerechnet. Die Mitarbeiter sind nach der Insolvenzeröffnung 30 Tage lang vor Kündigungen geschützt. Hundstorfer hofft, dass ein Großteil über eine Auffanglösung ihren Job behalten kann. Eine solche zeichnet sich auch ab.„Im Wege einer Ausgliederung sollen so rasch wie möglich die lebensfähigen Bereiche der Alpine zu einem neuen Baukonzern auf Ebene der Alpine-Tochter Universale Bau gebündelt werden“, heißt es im Insolvenzantrag.

„Dieser Plan hört sich ganz gut an“, sagt Insolvenzexperte Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. Diese Auffanggesellschaft soll 4600 Mitarbeiter übernehmen und den Teilbetrieb Alpine Austria sowie sechs wesentliche Beteiligungen und Vorproduktionsfirmen auffangen. Für kolportierte 200 Millionen Euro soll diese „Alpine Neu“ (mit knapp 900 Mio. Euro Umsatz), die dann Universale heißen wird, an einen Investor gehen. Und der steht auch schon bereit.

Alpine-Pleite: Porr will 4600 Jobs retten
„Wir würden die Universale gerne übernehmen, es gibt bereits Gespräche“, bestätigt Karl-Heinz Strauss, Boss und Miteigentümer des Baukonzerns Porr. Damit würden an die 4600 Jobs erhalten. In den nächsten Tagen wird es in ganz Österreich bei Alpine Betriebsversammlungen geben. „Wir kämpfen gemeinsam mit der Geschäftsführung um jeden Arbeitsplatz“, verspricht Haneder. „Die Alpine Österreich ist gesund und am Leben“, bekräftigt auch Minister Hundstorfer. Er rechnet aber damit, dass es noch einige Tage dauern könnte, bis Lieferanten Geld erhalten, so dass bis dahin die Arbeiten an den Baustellen ruhen werden. Der Insolvenzentgeltfonds werde mit einem zweistelligen Millionenbetrag belastet.

Großer Abverkauf

„Das Management geht nicht davon aus, dass sich die Mutter FCC, die beachtliche finanzielle Beiträge geleistet hat, nach Insolvenzeröffnung weiter engagieren wird“, heißt es im Insolvenzantrag. Die Baufirma Hazet und dreizehn Alpine-Niederlassungen, u. a. in der Schweiz, in Großbritannien, Norwegen, Polen, Russland und am Balkan sollen liquidiert werden.

Auch in Asien und im Nahen Osten werden sechs Filialen geschlossen. Die Töchter in Tschechien und in der Slowakei sowie die der Spezialtiefbauer SUE werden verkauft.

Auch deutsche Tochter insolvent

Am Mittwochabend wudre bekannt, dass auch die deutsche Alpine-Tochter beim Amtsgericht Landshut die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt hat. "Wir haben das klare Ziel, Alpine zu sanieren", erklärte der Vorstandsvorsitzende Frank Jainz. Zum vorläufigen Sachwalter sei der Wirtschaftsprüfer Arndt Geiwitz bestellt worden. Die Alpine Bau Deutschland AG war unter anderem für den Bau der Münchner Allianz Arena verantwortlich und ist beim Bahnprojekt Stuttgart 21 beteiligt. Sie hat 1.500 Mitarbeiter und erzielte 2012 einen Umsatz von rund 600 Millionen Euro.

Was brachte den zweitgrößten Baukonzern Österreichs ins Schleudern?

In den vergangenen Jahrzehnten fuhr die Alpine einen massiven Expansionskurs, gründete 30 Niederlassungen in Südosteuropa (SEE), Asien und im Nahen Osten. Die internationale Wirtschaftskrise 2008/’09 sowie massive Probleme bei Großprojekten in SEE und in Deutschland brachten den Konzern im Vorjahr ins Straucheln. 2012 erwirtschaftete der Baukonzern einen operativen Verlust von 458 Millionen Euro, das Eigenkapital drehte auf minus 169 Millionen Euro. Damit war bei der Alpine Feuer am Dach. Der Berater KPMG wurde an Bord geholt, um die Lage zu sondieren. Die Schieflage konnte aber nicht lange geheim gehalten werden, in den Branche rumorte es. Am 12. November 2012 wurde mit Banken, Versicherern und Kreditversicherungen ein Stillhalteabkommen abgeschlossen.

Warum wurde erst jetzt der Insolvenzantrag eingebracht?

Am 25. März 2013 wurde das erste Sanierungskonzept abgesegnet, die Banken verzichteten auf 150 Millionen Euro, die Versicherer auf 75 Millionen Euro, die spanische Mutter FCC schoss 147 Millionen Euro ein und wandelte 246 Millionen Euro Darlehen in Eigenkapital um. Doch im ersten Quartal 2013 brach der Umsatz erneut ein, der Verlust betrug 90 Millionen. Alpine benötigte einen zweiten Schuldenschnitt über 400 Millionen Euro. Am vergangenen Montag sagte die Mutter FCC noch ihre Unterstützung (225 Millionen Euro) zu, am Dienstag musste sie diese aber zurückziehen. Die spanischen Banken spielten nicht mehr mit.

Welche Auswirkungen hat die Pleite auf die Gläubiger der Alpine?

Die Gläubiger müssen 80 Prozent ihrer Forderungen abschreiben, weil die Alpine nur 20 Prozent Quote zahlen wird – wenn sie das überhaupt kann. Aufgrund einer Kredithaftung dürfte auch die Republik Österreich 120 Millionen Euro verlieren.

2,56 Milliarden Euro Schulden wurden angehäuft, bei Banken, Versicherern, 1300 Lieferanten und Subfirmen.

432 Millionen Euro beträgt das freie Vermögen, die Liegenschaften sind an Banken verpfändet.

300 Millionen Euro bis 500 Millionen Euro soll der Verkauf von drei Töchtern, 13 Auslandsfilialen und die Liquidation der Baufirma Hazet einbringen.

7 Bereiche sollen neben der Alpine Austria aufgefangen werden: ARB (Baustoffe), Bemo Tunnelling, die Baufirmen Klöcher, Konrad Beyer, Fritz & Co, Schauer und MTA (Maschinen) und die Entsorger- Sparte OEK.

Die Alpine Bau GmbH (früher Alpine Mayreder Bau GmbH) wurde laut Firmenbuch am 1. Oktober 1964 gegründet, also vor fast 50 Jahren. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte erfolgte eine dynamische Expansion: Was als Baumaschinenhandel mit 28 Mitarbeitern begann, endete als zweitgrößter Baukonzern in Österreich – hinter der Strabag, aber vor der Porr.

1972 wurde Dietmar Aluta-Oltyan zum Geschäftsführer ernannt, der bis Anfang 2012 auch Miteigentümer war. Bald folgten die ersten Großprojekte wie der Bau von Kraftwerken in Deutschland und Griechenland. Später expandierte die Alpine nicht nur im europäischen Ausland, sondern ging auch auf die Märkte im Nahen Osten, Indien und Südostasien. Der Konzern machte vor allem durch zwei große Übernahmen von sich reden: 1996 durch den Einstieg bei der damals knapp vor der Insolvenz stehenden Linzer Baugruppe Mayreder, 2001 durch den Kauf der CA-Tochter Universale.

Negative Schlagzeilen gab es schon einmal, als der Konzern 2004 in eine Schmiergeld-Affäre rund um den Bau der Münchener Allianz-Arena verwickelt war. Führende Manager wurden zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt.

2006 übernahm der spanische Mischkonzern Fomento de Construcciones y Contratas (FCC) die Mehrheit an der Alpine. Damals war die Alpine der profitabelste heimische Baukonzern. Rund 60 Prozent des Umsatzes wurden noch in Österreich erwirtschaftet. Sechs Jahre später wurde FCC Alleineigentümer. Seit April ist Arnold Schiefer (46) Geschäftsführer, zuvor war er Mitglied im Vorstand bei Rail Cargo Austria (RCA).

Sozialminister Rudolf Hundstorfer will zwar das Thema Alpine aus dem Wahlkampf und dem „Parteien-Hickhack“ draußen halten. Doch das dürfte nicht gelingen. Schon gestern griffen die Oppositionsparteien das Thema auf. „Die verfehlte Regierungspolitik hat dazu beigetragen, denn seit Jahren werden Millionen an EU-Pleitestaaten geliefert, aber im eigenen Land Investitionen für Infrastruktur und Bauten stetig minimiert“, stellt der Bundesobmann der Freiheitlichen Arbeitnehmer Bernhard Rösch fest.

Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar fordert ebenfalls, „dass die Regierung mit unseren Steuergeldern den Menschen im eigenen Land hilft, statt andere Pleiteländer zu unterstützen“. Zudem ruiniere die überbordende Finanzwirtschaft die Realwirtschaft.

Politikberater Thomas Hofer erklärt, dass „die Story 'Österreich kommt viel besser aus der Krise raus' durch solche Nachrichten natürlich schon etwas abbekommt“. Das könnte der gesamten Regierung wehtun. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer rechnet damit, dass das politische Klima vor allem der SPÖ schaden wird – und der FPÖ nutzen. Dieses Thema verstärke nämlich „die ohnehin latente Verunsicherung und Angst, dass die Krise, die vor der ,Insel der Seligen‘ offenbar Halt gemacht hat, doch spürbarere Realität wird“.

Experte Peter Hajek glaubt zwar ebenfalls, dass das Thema für SPÖ und ÖVP alles andere als ideal ist, für den Wahlkampf selbst werde das aber „eher geringe Auswirkungen haben“. Denn die Alpine sei ja kein staatsnahes Unternehmen, die Insolvenz sei daher nicht so einfach den Regierungsparteien „anzuhängen“.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl fordert verstärkte Anstrengungen beim Bauprogramm der Regierung, um Arbeitsplätze in der Branche zu sichern bzw. zu schaffen. Dies hat Sozialminister Hundstorfer zumindest vorläufig aber nicht vor.

AK Wien-Direktor Werner Muhm plädiert für die Implementierung einer Auffang- und Sanierungsgesellschaft für regionale Leitunternehmen. „Wir können es uns nicht leisten, in diesen Zeiten wertvolle Arbeitsplätze zu verlieren.“ Eine solche Gesellschaft gab es zwischen 1983 und 2001, wurde aber dann von Schwarz-Blau abgeschafft.

Anleger, die eine Anleihe des insolventen Baukonzerns Alpine besitzen, werden einen Großteil ihres Kapitals verlieren. Auch wenn die Alpine Holding GmbH, die die Anleihen ausgegeben hat, noch nicht pleite ist, ist das nur noch eine Frage der Zeit. Denn die Holding lebt von den Erträgen ihrer Tochtergesellschaften – und die sind insolvent.

Insgesamt 290 Millionen Euro hat die Alpine seit 2010 über drei Anleihen aufgenommen. Die Anleihen sind mit 5,25 Prozent bzw. sechs Prozent verzinst. Ein Rating hatten die Papiere nicht, weshalb kaum institutionelle Anleger, also Versicherungen oder Pensionskassen, gekauft haben dürften. Die Gläubiger dürften vor allem Kleinanleger in Österreich, und Deutschland sein. Die 2012 aufgelegte Anleihe wurde zum Teil über die deutsche Baader Bank verkauft.

Die Anleiheinhaber können derzeit nur warten. Denn verkäuflich sind die Titel nicht mehr. Der Handel an der Wiener Börse ist seit Mittwochfrüh ausgesetzt. Aber schon zuvor waren die Alpine-Anleihen völlig illiquid – sprich: es waren keine Käufer zu finden. Die Kurse für die Anleihen sind in den vergangenen Wochen rasant gefallen und stehen mittlerweile bei nur noch 10 Prozent des Nominales. Ein bisserl mehr könnten die Anleger aus der Insolvenzmasse doch noch bekommen.

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