AK: "Gesunde Vollzeit" bei 30 bei 35 Stunden

PRESSEFOYER NACH MINISTERRAT: ANDERL
Präsidentin Anderl pocht auf Sozialpartnergipfel zur Arbeitszeit und will All-In-Verträge verbieten. Wirtschaftsbund kontert.

Die Arbeiterkammer stellt den Begriff "Vollzeit" für eine 40-Stunden-Woche infrage und spricht sich für eine "gesunde Vollzeit" zwischen 30 und 35 Stunden aus. "Die gesetzliche Definition von 40 Stunden Normalarbeitszeit stammt aus dem Jahr 1975 und ist im 21. Jahrhundert schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß“, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Laut AK-Berechnung hat sich seit 1977 die Produktivität pro Arbeitsstunde verdoppelt, aber auch der Arbeitsdruck sei enorm gestiegen. Trotzdem ist die Vollzeit bei 40 Stunden geblieben.

Stufenweise Herabsetzung

Anderl spricht sich daher für eine neue "gesunde Vollzeit" zwischen 30 und 35 Stunden aus und will dazu rasch Sozialpartnergespräche führen, "um das Thema Arbeitszeit endlich anzugehen". Dabei kann sie sich eine stufenweise Herabsetzung der gesetzlichen Normalarbeitszeit vorstellen, weil das Thema mittlerweile alle Branchen betreffe. Nur eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung würde es ermöglichen, dass Männer und Frauen fit bis ins hohe Alter im Erwerbsleben bleiben. 

Dass sich die Wirtschaftskammer strikt gegen eine generelle Verkürzung der Normalarbeitszeit ausspricht, kann sie nicht verstehen. "Das ewige Argument vom Niedergang der Wirtschaft kann ich nicht mehr hören. Es gab in der Vergangenheit nach keiner Arbeitszeitverkürzung einen Niedergang der Wirtschaft und es wird auch jetzt keinen geben", sagt Anderl. Das Gegenteil sei der Fall, wie immer mehr Beispiele aus der Praxis zeigen: Betriebe, die 4-Tage-Woche anbieten, seien genauso produktiv und hätten null Probleme, Arbeitskräfte zu finden. 

82 Prozent für kürzere Arbeitszeit

Laut einer Umfrage der AK unter 4.700 Mitgliedern geben 82 Prozent der Befragten an, kürzer arbeiten zu wollen. Sogar wenn das Einkommen entsprechend der geringeren Arbeitszeit sinken würde, wollen laut Umfrage jeweils 6 von 10 Frauen und Männern eine Arbeitszeit zwischen 25 und 35 Stunden. Bei einer gesetzlichen Normalarbeitszeit von 30 Stunden pro Woche würden drei Viertel der Befragten Vollzeit oder fast Vollzeit arbeiten.

Der aus Sicht der AK positive Effekt dabei: Vollzeitkräfte würden weniger, Teilzeitkräfte hingegen mehr als jetzt arbeiten. Damit wäre ein besserer Ausgleich zwischen Männern und Frauen gegeben, denn der überwiegende Anteil an Teilzeitkräften sind Frauen. 

 

Top-3 bei geleisteten Arbeitsstunden 

In Österreich wird derzeit überdurchschnittlich lange in Vollzeit gearbeitet, wie ein Blick auf die EU-Statistik zeigt. So liegt die durchschnittliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte mit 40,8 Stunden deutlich über dem Schnitt im Euroraum von 39,4 (Eurostat, EU 20).

Österreich belegt damit Rang 3 und gehört damit zu den Ländern mit der höchsten Vollzeit-Stundenzahl. Die AK verweist auf die allein im Vorjahr geleisteten 200 Millionen Überstunden, wovon nur 47,1 Millionen auch tatsächlich gezahlt worden sind.

Aus für All-In-Verträge

Weil bei All-In-Verträgen die tatsächlich geleisteten Überstunden nicht immer transparent seien, spricht sich Anderl für ein Verbot dieser pauschalen Form der Abgeltung aus. "Wir wollen klar überprüfen können, wie viele Stunden tatsächlich geleistet wurden. Das geht nur mit einem Zurück zum normalen Arbeitsvertrag". All-In-Verträge sollten auf Führungskräfte ab einem bestimmten Einkommen beschränkt bleiben. Auch die Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages müsse wieder zurückgenommen werden. 

Wirtschaftsbund kontert

Auf Ablehnung stoßen die Forderungen der AK beim Wirtschaftsbund. "Eine generelle Arbeitszeitverkürzung bedeutet, dass die gleiche Menge an Arbeit in weniger Zeit geschafft werden muss. Wo heute vier Mitarbeiter Vollzeit zu 40 Stunden die Woche arbeiten, braucht es in Zukunft fünf Mitarbeiter zu 32 Stunden die Woche. Österreichweit bedeutet das mehr als 200.000 zusätzliche Arbeitskräfte, nur um die gleiche Leistung zu erbringen", sagt Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. Er verweist auf die laut Monitor aktuell schon 215.000 unbesetzten Arbeitsplätze. 

Zum Thema Produktivität meint Egger: "Auch Frau Anderl hat sich dem Taschenspielertrick mit der erhöhten Produktivität bedient. Doch ein Polizist, ein Busfahrer oder eine Kindergartenpädagogin können nicht ihre Leistung in weniger Arbeitszeit pressen. Da werden vereinzelte positive Beispiele zur Norm erhoben". Es sei skurril, wenn in dieser Zeit der Arbeiterkammer nichts Besseres einfällt, als eine generelle Arbeitszeitverkürzung zu fordern. "Anscheinend hat die Arbeiterkammer ihren letzten Endgegner gefunden: Die Arbeit als solches“, so Egger. 

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