Teilzeit-Trend: Der Ausstieg aus dem Hamsterrad
Für Generationen war der Weg vorgezeichnet: hart arbeiten, sich etwas aufbauen und dann später in der Pension genießen. In Teilzeit waren nur jene, die keine andere Wahl hatten, etwa aus Gründen der Kinderbetreuung.
Doch seit einiger Zeit gibt es eine weitere Gruppe an Erwerbstätigen, die immer größer wird. Nämlich jene, die sich freiwillig gegen eine 40-Stunden-Woche und damit häufig gegen Karriere und finanziellen Wohlstand entscheidet. Was zumeist unter dem zugleich überstrapazierten wie unpräzisen Begriff „Work-Life-Balance“ zusammengefasst wird, nennt sich eigentlich „Downshifting“ – per Definition die bewusste Reduktion der Arbeitszeit, mit dem Ziel, ein selbstbestimmteres Leben zu führen.
Platz 2 bei Teilzeit
Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Österreich ist bereits ein Teilzeitland. Knapp 30 Prozent der Erwerbstätigen entscheiden sich für kürzere Arbeitszeiten. Nur in den Niederlanden ist die Teilzeitquote höher. Der typische Nine-to-five-Job ist also längst passé. Und manche Branchen folgen dem Trend. Beispiel Pflegeberufe: Hier wurde die Arbeitszeit stufenweise auf 35 Stunden reduziert, damit die körperlich und psychisch belastende Arbeit möglichst lange ausgeübt werden kann.
Außergewöhnlich ist diese Arbeitszeitreduzierung nicht. 1970 wurde die Normalarbeitszeit auf 43 Stunden pro Woche verringert, 1972 auf 42 Stunden. 1975 wurde schließlich die 40-Stunden-Woche eingeführt.
Die Pandemie habe diesen Trend jedenfalls befeuert, sagt Politologin Barbara Prainsack. „Es war wie das Drücken des Reset-Knopfs.“ Und das nicht nur bei der jüngeren Generation, meint sie. „Diesen Wertewandel sieht man in allen Altersgruppen, sogar bei den Babyboomern.“ Die Pandemie habe Routinen unterbrochen und dazu geführt, dass die Arbeitswelt hinterfragt werde.
Fehlende Anreize
Dennoch sei es vor allem für Jüngere schwierig, sich noch für eine 40-Stunden-Stelle zu motivieren, sagen Experten. Es würden schlicht die Anreize fehlen. So ist es mit einem Durchschnittseinkommen heutzutage nahezu unmöglich, sich ein Eigenheim zu leisten. Arbeit ist in Österreich laut Agenda Austria so hoch besteuert wie in kaum einem anderen europäischen Land. Hinzu kommt die Angst, später keine staatliche Pension mehr zu erhalten. Wozu sich also abrackern, scheinen sich viele zu fragen.
Das bekommen die Firmenchefs zu spüren. Die Zeiten, in denen auf jede ausgeschriebene Stelle zig Bewerbungen kamen, sind vorbei. Was hier ebenfalls mitspiele, sei die demografische Entwicklung, sagt Politologin Prainsack. Es kommen weniger junge Arbeitskräfte nach.
Könnte ein Modell wie die Vier-Tage-Woche also Abhilfe schaffen? Ganz so einfach ist es nicht. Eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung erhöht die Personalkosten und würde sich negativ auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft auswirken.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria untersuchte die Auswirkungen einer Verkürzung von 40 auf 32 Stunden. Ohne expliziten Lohnausgleich könnte die Beschäftigung zwar um 1,2 Prozent steigen und die Arbeitslosigkeit um 1 Prozent sinken, allerdings würde das reale BIP um fünf Prozent geringer ausfallen. Bei vollem Lohnausgleich ergeben sich negative Effekte für den Standort, weil dann die Preise steigen. Eine echte Vier-Tage-Woche bzw. 30-Stunden-Woche geht außerdem nicht überall und erfordert oft hohen administrativen Aufwand. Man denke an Firmen mit Schichtbetrieb.
Wird kürzer gearbeitet, müssen Unternehmen also mitunter mehr Personal einstellen. Eine Arbeitszeitverkürzung könnte daher den Fachkräftemangel noch weiter verschärfen, wie das Beispiel der Ärzte in Österreich zeigt. In Frankreich sollte die 35-Stunden-Woche – eingeführt im Jahr 2000 – die Arbeitslosigkeit reduzieren. Der Plan ging nicht auf, die Verkürzung musste zum Teil wieder zurückgenommen werden.
Auf der anderen Seite könnten mit kürzeren Arbeitszeiten vor allem ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung bleiben. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung könnte somit auch für den Sozialstaat eine Lösung sein. In Zeiten des Arbeitskräftemangels wäre eine Vier-Tage-Woche zudem ein Arbeitsanreiz für junge Bewerber. In Umfragen sprechen sich Arbeitnehmer mehrheitlich für kürzere Arbeitszeiten aus.
8-Stunden-Trugschluss
Dass wir acht Stunden pro Tag produktiv arbeiten, sei sowieso ein Trugschluss, sagt Neurowissenschafter Wolfgang Lalouschek. Unser Gehirn könne sich maximal sechs Stunden konzentrieren, dann lasse die Leistungsfähigkeit nach. Und volle Konzentration gelinge nur 60 bis 90 Minuten lang.
Für ihn ist es aber weniger eine Frage der Arbeitszeit als eine der Rahmenbedingungen, unter denen gearbeitet wird. „Viele Unternehmen setzen ihre Mitarbeiter unter Bedingungen, in denen sie nicht konzentriert arbeiten können – Schlagwort Hyperkommunikation. Es wird zu viel auf zu vielen Kanälen kommuniziert. Wir haben Studien gemacht, die besagen, dass die geistige Leistungsfähigkeit dann um bis zu 50 Prozent abnimmt.“ Demnach können kürzere Arbeitszeiten Sinn machen, wenn sie dafür aufgrund guter Rahmenbedingungen umso produktiver sind.
Kürzer, nicht weniger
Auch Politikwissenschafterin Barbara Prainsack betont, dass es den meisten Menschen nicht darum gehe, weniger zu arbeiten, sondern kürzer. Dies sei ein großer Unterschied. Studien würden belegen, dass die Nettoarbeitszeit bei einem 40-Stunden-Job relativ gesehen deutlich niedriger sei als bei einer geringeren Wochenarbeitszeit. „Auch, weil es weniger Fehlzeiten gibt und Arztbesuche auf den freien Tag gelegt werden“, sagt sie. Die Formel „weniger Stunden, weniger Output“ gilt am Fließband, aber nicht bei klassischen Schreibtischjobs.
Dennoch sollte der Trend zum „Downshifting“ nicht überbewertet werden. Denn der Großteil ist immer noch unfreiwillig in Teilzeit, weil Kinderbetreuungsangebote fehlen oder pflegebedürftige Erwachsene betreut werden müssen. Nur so lässt sich die hohe Teilzeitquote bei Frauen erklären – immerhin knapp 50 Prozent.
40 Stunden pro Woche gilt in Österreich seit 1975 als die maximale Normalarbeitszeit für die meisten Arbeitnehmer.
Seit 1985 gibt es in manchen Branchen die 38,5-Stunden-Woche.
Im Jahr 1970 wurde die Arbeitszeit auf 43 Stunden pro Woche reduziert, 1972 auf 42 Stunden.
5 Tage Normalarbeitszeit wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts in den meisten Ländern eingeführt. Seit ein paar Jahren experimentieren einige Länder und Unternehmen mit der Vier-Tage Woche.
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