Warum sich Menschen gegen einen 40-Stunden-Job entscheiden
Der Trend ist nicht mehr zu leugnen: Immer mehr entscheiden sich freiwillig für weniger Arbeit und mehr Freizeit. So wie diese vier Menschen, die ihren Schritt nie bereut haben:
„Gefühlt sind meine Arbeitstage intensiver“
Michal Weyrer (Name geändert) brachte damals einen Stein ins Rollen. Der 40-Jährige arbeitet in einem großen Finanzinstitut und reduzierte seine Arbeitszeit 2018 auf 30 Stunden. Eine ungewöhnliche Anfrage. In seinem Team müssen abwechselnd Randzeiten abgedeckt werden. Es sei eine Sache der Einteilung und Toleranz, sagt er. Für ihn ist der freie Tag wichtig, um etwa Behördenwege oder Arbeiten am Haus zu erledigen. „Zudem bin ich stark im Vereinswesen engagiert.“ Auch das erfordert Zeit. Mittlerweile arbeiten mehr Teilzeit – nicht jeder kann ein verlängertes Wochenende haben. Sein freier Tag liegt zwischen Dienstag und Donnerstag. Das Arbeitspensum habe sich nicht wesentlich verringert. „Gefühlt sind meine Arbeitstage intensiver. Die Produktivität hat sich sicher gesteigert. 40 Stunden klingen gut, aber es bleibt nicht dabei. Man holt sich Kaffee oder geht ein paar Schritte. Bei mir ist das nicht mehr so häufig notwendig und ich arbeite gezielter.“
„40 Stunden kann ich mir nicht mehr vorstellen“
Am Anfang sei ihr Umfeld schockiert gewesen, sagt Stefanie Stockbauer. Wie sie einen so tollen Job in einer leitenden Position in der Immobilienbranche nur freiwillig aufgeben könne, habe man sie gefragt. „Aber ich war extrem unglücklich und musste mir etwas suchen, das mir Spaß macht“, sagt die 31-jährige Wienerin. Also reduzierte sie, zunächst auf 32 Stunden. „Ich hatte freitags immer frei und gemerkt, wie schön es sein kann, sich diesen Tag frei einzuteilen.“ Auch die Motivation in der Arbeit stieg. Mittlerweile ist Stockbauer nur noch 22 Stunden angestellt, sie hat sich nebenbei als Yoga-Pilates-Trainerin selbstständig gemacht. „Ich finde, dass man mehrere Berufe haben darf.“ Dass sie nun weniger Geld zur Verfügung hat, habe sie bewusst in Kauf genommen. „Früher war ich oft auf Kurztrips. Das geht sich jetzt nicht mehr aus.“
„Dieser dritte freie Tag ändert etwas“
Schon früh hat sich Linda Bukowski (Name geändert) in ihrer Arbeit bei der Bank in Schulungsaktivitäten eingebracht und bemerkte, dass ihr auch die Wissensvermittlung Spaß macht. Eine „nette Abwechslung“, die auch dazu führte, eine Ausbildung zur Fitnesstrainerin neben ihrer Vollzeittätigkeit zu absolvieren. „Bei einem Bürojob kriegt man irgendwann Rückenschmerzen und man wird zwider.“ 2019 entstand der Wunsch, Stunden zu reduzieren. Etwas, das anfangs nicht ganz einfach umzusetzen war. „Damals kam ich in eine Führungsposition, weil ich das Know-how hatte. 30 Stunden habe ich damals auf fünf Tage aufgeteilt, aber es blieb kaum bei sechs Stunden pro Tag. Erst ein Jahr später, als Prozesse funktionierten und sich eine Übergabe der Führung abzeichnete, konnte ich an vier Tagen arbeiten. Dieser dritte freie Tag ändert etwas.“ Heute gibt sie nach der Arbeit Sportkurse. „Dabei kann ich die Leute authentischer abholen, weil ich weiß, was es bedeutet, den ganzen Tag im Büro zu sitzen.“
„Ich verlange Flexibilität, also gebe ich sie auch“
„Üblich waren 30 Stunden bei meiner alten Arbeit nicht“, sagt Gilbert Schibranji. Damals war der Grund noch das Studium, die reduzierte Arbeitszeit hat er aber danach beibehalten. Mehr noch: Sie war Bedingung beim nächsten Arbeitgeber, wo er heute ein kleines Marketing-Team leitet. „Mentale Gesundheit ist wichtig, um gute Arbeit zu leisten, und kreative Ideen brauchen Raum. Es ist ja nicht so, dass ich nach der Arbeit aufhöre über Ideen nachzudenken. Das ist ein fließender Prozess.“ Es kann auch vorkommen, am eigentlich freien Tag zu arbeiten, das seien dann aber zeitsensitive Aufgaben. Arbeit, die auch später geschehen kann, passiere an solchen Tagen nicht. „Ich verlange von meinem Arbeitgeber Flexibilität, also ist es nur fair, sie von mir auch zu verlangen.“
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