Agrana-Chef: "Gegen die Biene kann man nicht sein"

Interview mit Agrana-Chef Johann Marihart am 22.05.2013 in seinem Büro in Wien.
Agrana-Chef Johann Marihart über Minister-Probleme, Zucker-Ersatz und Biosprit.

KURIER: Die Wettbewerbsbehörden gehen seit geraumer Zeit gegen Agrana wegen des Verdachts von Preisabsprachen bei Zucker vor. Wann werden die Kartellverfahren denn endlich abgeschlossen sein?

Johann Marihart: Das wissen wir nicht. Bei der aktuellen dreitägigen Untersuchung – ausgehend von der EU-Kommission – wurden keine Unterlagen mitgenommen. Wir glauben: Man hat nichts gefunden. Beim älteren Verfahren der Bundeswettbewerbsbehörde behauptet ein deutscher Mitbewerber, es hätte Marktabsprachen gegeben. Aus unserer Sicht ist Agrana da gar nicht involviert. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat eine Strafe von 28 Millionen beantragt. Das liegt nun beim Kartellrichter.

Ich nehme an, Sie haben Geld dafür zurückgestellt?

Haben wir nicht, es gibt keinen Anhaltspunkt, dass das nötig ist.

Momentan scheint es ein Trend zu sein, die Lebensmittelbranche insgesamt zu durchleuchten.

Das ist nicht ganz unlogisch, weil die Nahrungsmittelindustrie in den letzten zwei bis drei Jahren zur Erhöhung der Inflationsrate beigetragen hat. Da gab es Preistreiber: So haben sich in dieser Zeit die Getreidepreise verdoppelt, wie auch die Weltmarktzuckerpreise, die in der Zwischenzeit aber wieder gesunken sind.

Warum ist Deutschland im Lebensmittelbereich vergleichsweise billiger als Österreich?

In Deutschland gibt es eine höhere Bevölkerungsdichte und einen sehr hohen Anteil an Billigst-Anbietern. Diese Struktur haben wir in Österreich nicht. Auf Zucker bezogen gibt es in Österreich einen Markenartikel, der auch entsprechend beworben wird.

Sie haben in Wahrheit keine Konkurrenz am Markt.

Das ist eine Mär. Im Markt herrscht Wettbewerb, auch wenn sich das in Österreich scheinbar in Grenzen hält.

Agrana-Chef: "Gegen die Biene kann man nicht sein"
Johann Marihart, Agrana, Zucker
Zucker gilt als Krank- und Dickmacher, besonders bei Kindern.

Dieses Thema hat die Nahrungsmittelindustrie generell. Wir leben zu gut, machen zu wenig Bewegung. Dafür braucht’s Erziehungsmaßnahmen.

Sie wollen aber sicher mehr statt weniger Zucker verkaufen.

Der Konsum ist stabil – im Haushalt sinkend, in der Verarbeitung leicht steigend. Weltweit wächst er parallel zur Bevölkerungszahl.

Warum hat sich die Agrana so aggressiv gegen den Süßstoff „Stevia“ gewehrt?

Die Werbung für Stevia war irreführend und nicht korrekt, weil sie auf die Natürlichkeit abzielte, aber in Wahrheit die aus ihr extrahierten Steviolglycoside mit einem künstlichen Süßstoff vergleichbar sind.

Die Landwirtschaft samt Minister sind seit der Bienen-Affäre im Image-Tief. Wie „bio“ produzieren Sie eigentlich Ihre Ware?

Dort, wo wir „bio“ draufschreiben, ist „bio“ drin. In Europa sind wir der größte Biozuckerproduzent.

Was halten Sie von der aktuellen Bienen-Debatte?

Grundsätzlich halte ich sie für richtig und notwendig. Wenn es durch die Saatbeize Gefährdung gibt, muss man dem nachgehen. Niemand will, dass die Bienen sterben.

Agrana-Chef: "Gegen die Biene kann man nicht sein"
Agrana-Chef Johann Marihart
Ist das nicht auch Symbolpolitik? In Wahrheit hat das Bienensterben vielfältige Ursachen.

Das stimmt – von der Milbe bis zum Insektizid-Einsatz. Wenn sich aber wissenschaftliche Institutionen so weit durchgerungen haben, dass sie sagen, es gibt ein Problem, dann ist das ernst zu nehmen.

Landwirtschaftsminister Berlakovich hat also einen Fehler gemacht, dem Verbot in der EU nicht zuzustimmen?

So kann man das nicht sagen. Da die Anhaltspunkte nicht so eindeutig sind, hat er eben mit sieben anderen Ministern eine andere Meinung geäußert.

Zumindest war’s ein Image-Bauchfleck.

Schwierig. Gegen die Bienen kann man nicht sein.

Was wünschen Sie sich von der Agrarpolitik?

Ich wünsche mir, dass es nicht sinnlose Nutzungsverbote landwirtschaftlicher Flächen gibt.

Sie meinen das „greening“ der EU, das aus ökologischen Gründen Flächenstilllegungen und Fruchtwechsel vorsieht.

Wir haben, glaube ich, eine recht vernünftige Agrarpolitik mit Fruchtwechsel.

Genau das wurde bei der Bienendebatte eingefordert – statt schädliche Mais-Monokulturen. Die gibt’s in Österreich ja auch.

Das betrifft Betriebe mit Schweineproduktion. Das Ausbringen der Gülle bringt Stickstoff in den Boden, der ja nicht ins Grundwasser gehen soll. Daher baut man intensiv Mais an, der viel Stickstoff braucht.

Ist Gülle-Ausbringung nicht vorsintflutlich? Sollte man das nicht sinnvollerweise für Bio-Gas verwenden?

Ja, aber bei Bio-Gas bleibt Ihnen auch der Stickstoff übrig. Kreislaufwirtschaft ist nicht vorsintflutlich, im Gegenteil. Die Frage ist nur, wie intensiv das sein kann.

Die Agrana produziert Bio-Ethanol, was ebenfalls umstritten ist. Stichwort: Essen im Tank.

Man löst kein weltweites Problem, wenn man in Österreich auf etwas verzichtet. Wir haben bewiesen, dass Bio-Ethanol eine hochpositive Treibhausbilanz hat. Als Nebenprodukt gewinnt man ein Eiweißfuttermittel, das den Soja-Import ersetzt. Ich finde, das ist ein sehr stimmiges Konzept.

Wird E10 noch kommen?

Glaube ich schon. Wir bauen gerade eine Weizenstärkeanlage. Die Nebenprodukte gehen in die Alkoholanlage. Das könnte Rohstoff für diesen Treibstoff sein.

Wie zufrieden sind Sie mit der Wiener Börse? Würden Sie jetzt eine Kapitalerhöhung über die Börse wagen?

Wir können unsere Projekte aus eigener Kraft stemmen. Aus meiner Sicht gibt die Wiener Börse aber kräftige Lebenszeichen von sich.

Gibt’s in Österreich überhaupt ein börsenfreundliches Klima?

Naja, besser hat man es nicht gemacht. Die Hürden wurden eher erhöht.

Agrana-Chef: "Gegen die Biene kann man nicht sein"
Johann Marihart, Agrana, Zucker
Agrana: Zucker-, Stärke-, Fruchtkonzern
Rekord

Die zum Raiffeisen-Konzern zählende Agrana feiert heuer 25-Jahres-Jubiläum und darf sich über einen Umsatzrekord freuen: Der Umsatz des Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzerns wuchs im Geschäftsjahr 2012/’13 erstmals auf über drei Milliarden Euro. Man sei sowohl „organisch, als auch durch Übernahmen oder Kooperationen“ gewachsen, heißt es. Seit 1988 hat die Firma Umsatz wie operatives Ergebnis verneunfacht.

Probleme gibt es aber mit den Wettbewerbshütern: Im April gab es bei Agrana Hausdurchsuchungen wegen des Preisanstiegs bei Zucker. Seit zweieinhalb Jahren ist außerdem ein Kartellverfahren anhängig.

Johann Marihart

Der 62-jährige Biotech-Experte ist seit 1992 Vorstandsvorsitzender von Agrana. Er bekleidet zahlreiche weitere Funktionen, u. a. ist er Präsident der NÖ-Industriellenvereinigung.

Kommentare