Biosprit, mehr als eine Schnapsidee?

Biosprit, mehr als eine Schnapsidee?
Gegner und Befürworter schenken sich nichts: seit die Nahrungsmittelpreise explodieren, ist Biosprit ein Kampfgebiet.

Die geplante Einführung von E10 im Herbst sorgt für großen Wirbel. Der KURIER beantwortet die brennendsten Fragen zum Streitthema Biosprit.

Wofür steht "E10"?

Bei E10 werden herkömmlichem Benzin zehn Prozent Ethanol (hochprozentiger Alkohol) beigemischt. Derzeit tanken Autofahrer E5 – also Benzin mit fünf Prozent Biosprit.

Wie wird E10 hergestellt?

Bioethanol wird vor allem aus Mais und Weizen hergestellt. Es können aber auch Zuckerrüben oder -rohr verwendet werden. Der Produktionsprozess ist ähnlich dem Schnapsbrennen.

Wann soll der neue Biosprit eingeführt werden?

Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP) will E10 per Verordnung noch im Oktober einführen. Doch seit Wochen und Monaten hagelt es Kritik aus unterschiedlichsten Lagern. Hinter vorgehaltener Hand hört man aber inzwischen sogar aus dem Ministerium, dass der Termin wackelt und Berlakovich eine Einführung im Frühling, oder gar erst in einem Jahr akzeptieren würde.

Am wahrscheinlichsten scheint, dass heuer zumindest einige Probetankstellen mit E10 ausgestattet werden. Aber auch nach einer flächendeckenden Einführung wird das heutige normale Benzin (also E5) weiterhin als Alternative zu E10 angeboten.

Warum das Ganze?

Es geht um den Klimaschutz. Eine EU-Vorgabe besagt, dass bis 2020 zehn Prozent der im Verkehrssektor eingesetzten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Dieses Ziel kann mit Biosprit, aber auch mittels Elektromobilität erreicht werden. Durch die Einführung von E10 erwartet sich das Umweltministerium eine zusätzliche -Einsparung von 200.000 Tonnen pro Jahr.

Welche Autos können E10 tanken?

Der höhere Anteil an Biosprit kann Kunststoffteile beschädigen oder Korrosion begünstigen. Autos, die nach 2005 produziert worden sind, sollten aber alle E10 tauglich sein. Das entspricht etwa 15 Prozent des heimischen Fuhrparks. Bei manchen Herstellen können auch ältere Modelle den neuen Treibstoff tanken. Im Herbst soll es eine verbindliche Liste der Automobilhersteller geben, für welche Fahrzeuge der neue Treibstoff geeignet ist. Eine entsprechende deutsche Liste ist unter www.dat.de einsehbar.

Welche Auswirkungen hat E10 auf den Benzinpreis?

Anders als bei E5, wird es für E10 keine weitere Befreiung von der Mineralölsteuer geben. Da Ethanol derzeit etwas teuerer als Benzin ist, wird der Preis wohl leicht steigen. Der Wirkungsgrad von Ethanol ist allerdings geringer als der von Benzin. Daher steigt bei E10 der Kraftstoffverbrauch um ein bis zwei Prozent. In Deutschland war die Einführung von E10 im Vorjahr ein ziemlicher Flop. Lediglich 15 bis 20 Prozent der deutschen Autofahrer haben sich dafür entschieden.

Ist die internationale Biospriterzeugung schuld am Hunger in der Welt?

Für das Hungerproblem gibt es mehrere Ursachen: Massive Verluste durch schlechte Lagerhaltung gehören ebenso dazu wie Misswirtschaft, Korruption, Spekulationen mit Lebensmitteln oder Naturkatastrophen. Wegen der großen Dürre in den USA steigen derzeit die Lebensmittelpreise. Dass die USA etwa 40 Prozent ihrer Maisernte für Biosprit verwendet, wird wohl auch dazu beitragen. Die USA produzieren 43 Prozent des weltweit erzeugten Bioethanols. Es folgen Brasilien mit 27 Prozent und die EU mit 19 Prozent.

Wäre es nicht vernünftiger das in Österreich für Ethanol verwendete Getreide zur Linderung des Hungers zu exportieren?

Das klingt gut, aber so einfach ist das nicht. Österreich exportiert Weizen der besten Qualität. Dafür werden ordentliche Preise bezahlt. Weizen von schlechterer Qualität wird oft als Futtermittel verwendet und lässt sich nur schwer zu einem für die Produzenten akzeptablen Preis exportieren. Würde man eine Tonne dieses Weizen von Österreich nach Zentralafrika verkaufen, so wären die Transportkosten fast so hoch wie der Preis für den Weizen.

Wie viel Getreide wird für die Ethanolerzeugung in Österreich verwendet ?

Etwa neun Prozent der österreichischen Getreideernte von rund fünf Millionen Tonnen wird derzeit zu Bioethanol verarbeitet.

"Spekulanten treiben die Lebensmittelpreise"

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... Hunger

"Die Biosprithersteller verwenden keine Nahrungsmittel zur Erzeugung von Benzin, sondern Futtermittel. Diesen wird noch dazu Eiweiß entzogen, das wiederum als Futter eingesetzt werden kann. Zur Erzeugung von Biosprit wird nur die übrig bleibende Stärke verwendet."

... Agrarflächen

"Die Rechnung, dass durch den Futtermittelanbau für Biosprit Agrarflächen knapp werden, stimmt nicht. Denn eigentlich verbrauchen wir keine Flächen. Für jeden Hektar Mais, der für die Biospritindustrie angebaut wird, wird ein Hektar Soja-Anbaufläche in Argentinien frei. Denn mit dem Eiweiß, das wir dem Futter entziehen, ersetzen wir den Soja-Import. Argentinien kann somit mehr Nahrungsmittel anbauen statt Soja für das Tierfutter. In Wahrheit binden die Europäer mit ihrem hohen Fleischkonsum die Agrarflächen in den Entwicklungsländern."

... Lebensmittelpreise

"Das Argument, dass Biosprit die Preise treibt, ist völlig falsch. Würde es die Spekulanten nicht geben, hätte die Produktion von Sprit aus Futtermittel kaum Einfluss auf die Preise. Denn höchsten fünf Prozent der weltweiten Getreidemenge werden zur Benzinerzeugung verwendet. Das ist unwesentlich für den Preis. Die Spekulanten treiben den Preis. Denn die weltweite Ernte wird an den Warenterminbörsen bis zu zehn Mal umgesetzt, bevor sie verkauft wird. Wozu macht das jemand, wenn er damit nicht Gewinn machen will?"

... teures E10

"Ich verstehe nicht, warum E10 billiger sein sollte als Benzin. Der etwas geringere Energiegehalt von E10 rechtfertigt bestenfalls einen um 1,5 Cent niedrigeren Preis. In Wahrheit schwankt aber auch der Energiegehalt von fossilem Treibstoff. E10 hat dafür eine bessere Oktanzahl. Derzeit ist der Preis für Alkohol (E10) nur mehr um 0,5 Cent je Liter höher als jener von Benzin. Ich verstehe nicht, warum es in Österreich nicht möglich ist, umweltfreundliches E10 zu bevorzugen, wenn es gleichpreisig ist."

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