Abgabenhinterzieher werden immer gefinkelter

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Bei der neuen Betrugsmethode werden die Scheinunternehmen dafür benutzt, um Schwarzgeld zu generieren.

Vor knapp einem Jahr ist im Amt für Betrugsbekämpfung im Finanzministerium eine eigene Soko Scheinunternehmen gegründet worden. Doch die Situation hat sich kaum gebessert, berichten die "Salzburger Nachrichten" (Freitagsausgabe): Hatten die Ermittler im Jahr 2020 87 Scheinunternehmen ausgehoben und im Vorjahr 118, so waren es in den ersten beiden Monaten 2022 bereits 20 Fälle. Und: Sozialbetrüger und Abgabenhinterzieher agieren neuerdings noch viel gefinkelter.

Reine Vehikel

"Das Erscheinungsbild der Scheinunternehmen hat sich vollständig gewandelt. Das klassische Scheinunternehmen ist ausgestorben", schilderte Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei im Finanzministerium, am Donnerstag anlässlich des Österreichischen Juristentages, der noch bis Freitag in Wien stattfindet, so die "SN".

Früher wurden Scheinunternehmen als reine Vehikel verwendet, um Dienstnehmer bei der Sozialversicherung anzumelden, ohne selbst Lohnsteuer oder anfallende Beiträge zu entrichten. Flog eine Firma auf, ging sie in Insolvenz und es wurde die nächste Scheinfirma gegründet. "Bei der neuen Betrugsmethode werden die Scheinunternehmen nur mehr benutzt, um Schwarzgeld zu generieren. Dienstnehmer werden dann viel zu gering angemeldet, der Rest ihrer Arbeitszeit wird schwarz ausgezahlt", erläuterte Lehner.

Zum Schwarzgeld kommen die kriminellen Unternehmer über Scheinfirmen, die nur Rechnungen produzieren beziehungsweise Scheinrechnungen rückbestätigen, ohne dass dahinter ein Geschäft steht. Das Betrugsmuster: "Der Arbeitnehmer ist damit versichert, aber der Unternehmer spart sich 90 Prozent der Lohnnebenkosten sowie die Lohnsteuer und zahlt ganz geringe Sozialversicherungsbeiträge. Das führt zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung und die Branchenkollegen, die legal arbeiten, haben damit große Probleme", sagte Lehner.

Das Modell dürfte in diversen Berufssparten verbreitet sein: bei der Personaldienstleistung (Arbeitskräfteüberlassung), in Baubereich, Reinigung, Security, Pflege bis zu Industriebetrieben. Nach dem Motto "Mehr netto vom brutto" sei die Betrugsmasche auch für Arbeitnehmer interessant, weil sie dort viel mehr Geld verdienen. "Viele wollen partout nicht in ein legales System wechseln", so Lehner.

Organisierte Kriminalität

Der ranghöchste Finanzpolizist sprach dem "SN"-Bericht zufolge von organisierter Kriminalität, Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer würden in großem Stil hinterzogen. Bei einem Arbeitskräfteüberlasser seien binnen weniger Monate mehr als 30 Millionen Euro hinterzogen worden. Eine Gesamtschadenssumme sei schwierig festzulegen, sie liegt Lehner zufolge aber jedenfalls im dreistelligen Millionenbereich.

80 Prozent aller Scheinunternehmen werden in Wien "in der Anonymität der Großstadt" gegründet - aber die Rechnungen werden in ganz Österreich ausgestellt. Die Scheinfirmen kassieren für ihre "Dienstleistung" drei bis fünf Prozent Provision. "Es handelt sich um kein österreichisches Phänomen. Auch Länder wie Deutschland oder Großbritannien kämpfen mit ähnlichen Problemen", betonte Lehner.

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