20 Jahre EU-Osterweiterung: Als der Eiserne Vorhang endgültig fiel

Sopron
Raiffeisen sieht wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, politische Probleme wurden aber teilweise unterschätzt

Die symbolische Öffnung eines Grenzzaunes am 27. Juni 1989 durch die Außenminister Alois Mock (Österreicch) und Gyula Horn (Ungarn) bei Sopron gilt bis heute als die erste „offizielle“ Öffnung des Eisernen Vorhangs, der den sozialistischen Ostblock vom kapitalistischen Westen im Kalten Krieg trennte. Doch erst die EU-Osterweiterung im Jahr 2004 brachte die vollständige Integration von acht Staaten Mittel- und Osteuropas (Polen Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Lettland, Estland, Litauen) in Rechtsrahmen wie Binnenmarkt der Europäischen  Union. In den Jahren 2007 und 2013 folgten Rumänien und Bulgarien bzw. zuletzt Kroatien.

Raiffeisen nahm den nahenden 1. Mai, den 20. Jahrestag der ersten Osterweiterung, zum Anlass, um einmal mehr - neben all den politischen Problemen mit den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien im Osten  -  über die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte zu  berichten. 

Die Wirtschaftsleistung der zentraleuropäischen Länder Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn und Slowenien sei seit ihrem EU-Betritt kontinuierlich gestiegen. Gemeinsam erwirtschaften sie heute circa 8,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der EU, ihre Wirtschaftskraft übersteigt etwa jene der Niederlande deutlich. "Es ist wirtschaftlich einiges vorangegangen", sagt Raiffeisen Chefanalyst Gunther Deuber

Handel untereinander steigt

In den vergangen 20 Jahren sei auch die wirtschaftliche Verflechtung der CEE-Länder untereinander gestiegen. "Der Handel in der Region wird immer wichtiger", sagte Deuber. Zentral für die Region sei der Außenhandel: Seit der EU-Osterweiterung habe der Außenhandel im Polen etwa um 743 Prozent zugelegt, selbst in Ungarn lag das Plus bei 391 Prozent. "Die Wirtschaftsintegration, die Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel, in Summe eine Erfolgsgeschichte", erklärte der Ökonom.

Auch beim BIP pro Kopf sieht Raiffeisen Research eine nachhaltige Wohlstandssteigerung in den CEE-Ländern. Aufholpotenzial gibt es laut Deuber im Bankensektor. Hier sei die Annäherung an die EU holpriger und auch nach Ländern unterschiedlicher verlaufen als auf makroökonomischer Ebene. Während die Bankkredite in Tschechien und der Slowakei im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone in den vergangenen 20 Jahren permanent zugelegt hätten, seien die Kredite in Ungarn, Slowenien und Polen kaum gestiegen. "Im Bankensektor gibt es sehr differenzierte Entwicklungen, wo man noch genauer hinschauen muss", sagt Deuber. Tschechien und die Slowakei hätten insgesamt am deutlichsten von der EU-Osterweiterung profitiert.

Österreichs Banken seien in der Region gut positioniert. Der Marktanteil der heimischen Großbanken in der Region Zentraleuropa allgemein und in Tschechien konkret liege bei 25 Prozent, in der Slowakei gar bei fast 40 Prozent.

Dennoch seien bei der EU-Osterweiterung einige Herausforderungen auf politischer Ebene unterschätzt worden. "Damals stand rein der Binnenmarkt im Vordergrund. Dass die EU-Osterweiterung auch eine geopolitische Komponente hat, das war einem damals viel weniger bewusst", sagte Deuber.

Vladimir Vano, Chefökonom beim slowakischen Thinktank Globsec, sieht in der Region etwa eine zunehmende Skepsis gegenüber der EU und den damit einhergehenden Aufschwung rechtsextremer Parteien. Während der EU-Betritt für viele, vor allem junge und gebildete, Bürgerinnen und Bürger zentraleuropäischer Länder einige Vorteile gebracht habe, etwa mehr Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und auch bessere persönliche und berufliche Chancen, habe es im Transformationsprozess auch eindeutige Verlierer gegeben. Dazu zählt Vano ältere, nicht mehr erwerbstätige Menschen aber auch frühere Staatsbeamte, deren Profession durch den EU-Beitritt an Ansehen verloren habe.

Aus Sicht der Experten ist es deshalb notwendig, bei zukünftigen EU-Erweiterungen auch geopolitische und soziale Komponenten stärker mitzudenken.

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