Wenn unser Immunsystem neu programmiert wird
Immuntherapien zählen zu den effektivsten Behandlungen gegen Darmkrebs. In Studien zeichnet sich eine gute Langzeitwirkung ab, sodass Patient*innen auch nach zehn Jahren noch gesund sind. Ein vielversprechendes Ergebnis, immerhin ist Darmkrebs die dritthäufigste Krebsart. Rund 2.000 Menschen sterben in Österreich jährlich an den Folgen der Erkrankung.
Beim Einsatz von solchen Immuntherapien gibt es aber ein Problem: Nur wenige Darmkrebs-Patient*innen kommen für die bisher implementierten Behandlungen auch infrage, da sie dafür einen bestimmten Reparaturdefekt im Genom haben müssen. Erst dann können die bisher eingesetzten Immuntherapien ihre Wirkung zeigen.
Umprogrammieren
Wie es jedoch gelingt, Immuntherapien einem Großteil der Patient*innen zur Verfügung zu stellen, erforscht Dietmar Herndler-Brandstetter, Gruppenleiter am Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien. Gemeinsam mit Michael Bergmann, einem auf Darmkrebs spezialisierten Chirurgen, und Matthias Farlik-Födinger, Spezialist für Sequenzier- und CRISPR-Technologie, sucht er nach neuen Wegen, um das Immunsystem sozusagen neu zu programmieren.
Sein Weg führt dabei nicht über die klassischen T-Zellen, sondern über eine Form der Fresszellen, den Makrophagen.
Checkpoints
„Der Tumor kapert diese und programmiert einige davon neu, sodass sie das Wachstum neuer Tumorzellen begünstigen“, erklärt Herndler-Brandstetter. Und genau diese Reprogrammierung soll mittels einer neuen Immun-Checkpoint-Therapie, an der er und sein Team forschen, rückgängig gemacht werden. Bei diesen Checkpoints handelt es sich um Vorsichtsmaßnahmen unseres Körpers, die im gesunden Zustand wichtig sind, aber im Kampf gegen Krebs ausgehebelt gehören.
„Da gibt es beispielsweise einen Checkpoint namens SIRP-Alpha. Dieser stellt sicher, dass es zu keiner überschüssigen Fresszellenaktivität kommt. Wenn man diesen Checkpoint nun aber mittels Antikörper blockiert, dann können Tumorzellen besser attackiert werden“, so der Experte. Um die Nebenwirkungen der Behandlung zu reduzieren, dürfen dabei jedoch nicht alle Makrophagen erreicht werden, sondern speziell jene, die vom Tumor entführt wurden. Diese Therapie wäre also im Gegensatz zu einer systemischen wesentlich zielgerichteter.
Von Mensch und Maus
Im Zuge dieses Projekts , das auch vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF gefördert wird, forscht das Team um Herndler-Brandstetter nun an weiteren solcher Checkpoints. Gearbeitet wird unter anderem mit einem innovativen Maus-Modell, das er bereits als Postdoktorand an der renommierten US-Universität Yale genutzt hat. Dabei werden Mäuse gezüchtet, die ein menschliches Immunsystem aufweisen. Dies ist ein wichtiges Werkzeug in der translationalen Forschung.
Personalisiert
Auch wenn diese Therapie sehr vielversprechend klingt, steht ihre Forschung noch relativ am Anfang. Das Ziel ist aber klar: „Wir wollen, dass mehr Darmkrebs-Patient*innen mit einer Immuntherapie behandelt werden können. Die Idee ist eine Präzisionstherapie, also eine auf die einzelnen Patient*innen abgestimmte Behandlung, um Nebenwirkungen zu minimieren und neue Kombinationstherapien zu ermöglichen“, stellt Herndler-Brandstetter klar.