Mikrobiome regieren die Welt

Mikroskopisch klein: Hier sieht man das Mikrobiom einer Kläranlage.
Ein neues Exzellenzcluster soll Mikrobiome entschlüsseln und Aufschluss über Gesundheit und Umwelt geben.

Sie besiedeln alle Lebewesen und Ökosysteme und übertreffen uns zahlenmäßig wie nichts anderes auf dieser Welt. Bakterien, Archaeen, Pilze, Viren und Co. haben allgemein ein eher schlechtes Image und werden oft nur auf die wenigen krankmachenden Vertreter reduziert. Tatsächlich besitzen Mikroorganismen vor allem nützliche Eigenschaften, die nicht nur für die menschliche, sondern auch die Gesundheit des gesamten Planeten von essenzieller Bedeutung sind. So unterstützen Mikroben in unserem Darm etwa unser Immunsystem, produzieren Vitamine und beeinflussen sogar unsere Stimmung. In Kläranlagen sind sie es, die das Abwasser reinigen, und auch im Abbau von Treibhausgasen spielen sie eine entscheidende Rolle. Die Tragweite von Mikrobiomen – Gemeinschaften von Mikroorganismen – rückt nun immer mehr ins Bewusstsein, doch viele Fragen sind noch unbeantwortet.

Diese Lücke zu schließen ist Ziel des neu gegründeten Exzellenzcluster „Microbiomes Drive Planetary Health“, das unter der Leitung des Mikrobiologen Michael Wagner von der Universität Wien 30 Wissenschafterinnen und Wissenschafter unterschiedlicher Fachbereiche zusammenschließt, um Mikrobiome zu entschlüsseln. „In unserem Exzellenzcluster wollen wir verstehen, wie Mikrobiome funktionieren und wie wir diese gezielt beeinflussen können, damit sie uns und der Umwelt noch nützlicher sind“, erklärt Michael Wagner. In Kooperation mit sechsweiteren österreichischen Forschungseinrichtungen wird das Exzellenzcluster mit der Mikrobiomforschung und der Erforschung der planetaren Gesundheit gleich zwei der wichtigsten Forschungsgebiete des 21. Jahrhunderts verbinden und vorantreiben. „Indem wir nun erstmalig rote und grüne Mikrobenforschung – also Mikrobiomanalysen in der Medizin und Umwelt – miteinander verbinden, können wir Synergien schaffen, um Grundprinzipien dieser mikrobiellen Lebensgemeinschaften nun umfassend zu verstehen“, sagt Wagner.

Grundlagenforschung

Als eines von fünf durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten „Clusters of Excellence“ schafft dieses die nötigen Voraussetzungen, um die Grundlagenforschung auf Spitzenniveau weiter auszubauen. Möglich macht das auch der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), „der die in Wien koordinierten Forschungsteams in der Vorbereitungsphase unterstützt hat“, wie Wagner betont.

Seit vielen Jahren leistet das Forschungsteam rund um Michael Wagner bereits Pionierarbeit auf dem Gebiet der Mikrobenforschung. Mit ihren Untersuchungen zur planetarischen Gesundheit innerhalb des Exzellenzclusters wollen sie an diese Ergebnisse nicht nur anknüpfen, sondern einen großen Schritt vorwärts machen, beispielsweise in der personalisierten Medizin. „Bis zu 40 Prozent aller Menschen, die Medikamente einnehmen, profitieren nicht von der Therapie – und das hat auch mit dem Mikrobiom im Darm zu tun“, erklärt Wagner. Wie und ob Medikamente wirken und welche Nebenwirkungen diese haben, ist stark von dessen individueller Zusammensetzung abhängig. „Vielleicht gibt man schon in naher Zukunft beim Arztbesuch zusätzlich zum Blutbild eine Stuhlprobe ab, um das individuell passende Medikament verordnen zu können“, sagt Wagner.

Mikrobiome regieren die Welt

Die Fusion von Medizin-und Umweltmikrobiomforschung ermöglicht neue Erkenntnisse zur planetaren Gesundheit

von Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Wagner Leiter des Exzellenzclusters

Bewohner der Nase

Die individuelle Zusammensetzung des Mikrobioms untersucht auch das Forschungsteam rund um Lukas Wisgrill, das in der Nase von Säuglingen eine Antwort auf die Infektanfälligkeit von Frühgeborenen finden will. In dem vom WWTF geförderten Projekt wird das Nasenmikrobiom von Frühgeborenen mit jenem von Reifgeborenen im ersten Lebensjahr verglichen, um so Rückschlüsse auf ihre Immunabwehr zu ziehen. „Grippeviren, klassische Schnupfenviren oder auch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), das heuer eine Erkältungswelle ausgelöst hat, betreffen Frühgeborene häufiger – und schwerer. Wir wollen verstehen, warum das so ist, um eine Therapie zu entwickeln, die die Immunabwehr von Frühgeborenen verbessert“, sagt Wisgrill.