Ein paar Tröpfchen reichen

Ein paar Tröpfchen reichen
Mittels Bluttest soll künftig ein seltener Knochenkrebs bei Kindern schnell und frühzeitig diagnostizierbar sein.

Mehr als 300 Kinder und Jugendliche erhalten jährlich in Österreich die Diagnose Krebs. Aufgrund des jungen Alters handelt es sich meist um Leukämien oder Sarkome. Allgemein stehen die Heilungschancen zwar gut und das Langzeitüberleben liegt inzwischen bei 75 bis 80 %, jedoch gibt es bei bestimmten Tumorerkrankungen noch Aufholbedarf.

Frühe Diagnose

Das weiß auch Eleni Tomazou nur zu gut. Sie ist Forschungsgruppenleiterin an der St. Anna Kinderkrebsforschung und erhielt erst kürzlich eine begehrte Förderung des Europäischen Forschungsrats. Seit Jahren befasst sie sich mit dem sogenannten Ewing Sarkom, einer seltenen Kinderkrebserkrankung, die meist Knochen befällt. Etwa zehn Kinder und Jugendliche werden damit jährlich in Österreich diagnostiziert. „Es ist aber immer noch jener pädiatrische Krebs mit der geringsten Überlebenschance, vor allem im metastasierten Zustand. Daher gibt es dort Verbesserungsbedarf“, erklärt Tomazou.

An dieser Verbesserung arbeiten sie und ihr Team täglich. Denn gerade bei Krebserkrankungen – und das ist bei Kindern und Erwachsenen gleich – kommt es vor allem auf eine schnelle Diagnose an. Je früher die Diagnose, desto besser die Heilungschance. Doch gerade bei Kindern kann dies eben lange dauern, wie Tomazou erklärt: „Bei Kindern denkt man in der Regel nicht sofort an Krebs.“

Suche nach Tumor-DNA

Eine Methode, um eine schnelle und zuverlässige Tumor-Diagnose zu erhalten, ist die Liquid Biopsy, also Flüssigbiopsie. Hier wird – im Gegensatz zur herkömmlichen operativen Biopsie – den Patient*innen einfach nur Blut abgenommen und im Labor analysiert. „Bei einer Liquid Biopsy filtern wir das Plasma aus dem Blut und isolieren davon die DNA. Diese durchsuchen wir dann auf Tumor-Marker. Die große Herausforderung ist dabei, diese sogenannten Marker herauszufinden, die auf die Tumorzellen hindeuten. Das Einfachste dabei ist, auf Mutationen zu achten, die von den Tumoren ausgehen“, erklärt die Wissenschafterin. Dieses Verfahren wird in Österreich teilweise schon bei Brustkrebs- oder Prostatakrebs-Screenings angewandt. Der klare Vorteil: Die Untersuchung ist nicht nur niederschwellig, sondern das Tool erkennt Krebszellen schon in geringer Konzentration – noch bevor Symptome auftreten oder Tumore auf Scans sichtbar wären.

Ein paar Tröpfchen reichen

Besonders bei Kindern denkt man in erster Linie nicht sofort an Krebs

von Eleni Tomazou, Molekular- und Zellbiologin

Suche im Epigenom

Bei pädiatrischen Krebserkrankungen ist dieses Verfahren allerdings noch nicht verbreitet. „Das Problem bei Kinderkrebserkrankungen – und eben auch beim Ewing Sarkom – ist, dass wir wenig Mutationen in den Genen haben, nach denen wir suchen können“, so die Expertin. Dadurch lassen sich wenig Tumor-Indikatoren definieren. Um dieses Problem zu beheben, konzentrierte sich Eleni Tomazou auf ihr Fachgebiet, das sogenannte Epigenom. Das sind chemische Veränderungen auf der DNA oder den Proteinen. Bei genaueren Untersuchungen fanden sie und ihr Team heraus, dass Ewing-Sarkom-Patient*innen im Epigenom Veränderungen aufweisen. „Ewing Sarkome haben quasi eine einzigartige epigenetische Handschrift. Wir und andere Labore haben dann unterschiedliche Tumor-DNA verglichen und eben diese Handschrift entdeckt“, erklärt sie. Mithilfe von neuartigen Programmen und Machine-Learning-Klassifikatoren konnte diese Handschrift schließlich als Tumor-Marker im System definiert werden.

Multifunktional

Doch diese Flüssigbiopsie kann nicht nur der reinen Diagnose von Krebs dienen, sondern auch als Begleittool während der Behandlung zum Einsatz kommen, um diese auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen anzupassen. „So kann man während der Chemotherapie jede Woche Blut abnehmen und quasi in Echtzeit überwachen, wie die Therapie anschlägt und diese dann gegebenenfalls auch anpassen“, sagt Tomazou, die für dieses Projekt vor zwei Jahren den Förderpreis für Präzisionsmedizin des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF erhalten hat.

Kein Wunder, immerhin birgt diese Biopsie nicht nur Vorteile für die Patient*innen, sondern auch für die Wissenschaft. „Bisher war es nicht einfach, an Tumormaterial für die Forschung heranzukommen, weil Krebs bei Kindern selten ist und Biopsien bisher aufwendig waren. Auf diesem Weg können wir schnell Tumormaterial sammeln, analysieren und daraus lernen“, so die Expertin.

Zukunft verändern

Um vor allem seltene Krebsarten effektiver und nachhaltig besiegen zu können, müssen wir sie zuerst besser verstehen und das gelingt nur über Forschungsprojekte wie dieses. Nun geht es Eleni Tomazou und ihrem Team darum, dieses Diagnosetool weiter zu sensibilisieren, ehe man es in klinische Studien unterbringen kann und sich so die Tür für neue personalisierte Therapieansätze wieder ein Stück weiter öffnet. „Wenn man ein Kind behandelt und es überlebt, dann hat es ein ganzes Leben vor sich. Dabei müssen wir sicherstellen, dass es auch noch im Alter die beste Lebensqualität hat“, erklärt sie.