Interview: Es geht nicht ums Klima alleine

Interview: Es geht nicht ums Klima alleine
Harald Meimberg erklärt, warum die Klimakrise eine Zwillingskrise ist und es die Biodiversität dringend zu schützen gilt.

Biodiversität, also die Vielfalt des Lebens und der Lebensräume, ist essenziell für unser Überleben und gleichzeitig ernsthaft in Gefahr. Die systematische Zerstörung von natürlichen Lebensräumen und die Ausrottung von Arten und Organismen zählt gemeinsam mit der Klimakrise zu unseren größten Bedrohungen.

Harald Meimberg ist Leiter des Instituts für Integrative Naturschutzforschung (INF) an der BOKU University (BOKU) und Koordinator des neugegründeten BOKU-Biodiversitätsclusters. Im Interview erklärt er, warum wir dringend handeln müssen, was wir tun können und warum die BOKU University nun einen weiteren Forschungsschwerpunkt auf Biodiversität setzt.

Wir lesen immer öfter von dem neuen Massensterben. Was heißt das?

Harald Meimberg: Die Biodiversität und die Artenvielfalt werden von Menschen sehr stark beeinträchtigt. Es gab in der Erdgeschichte fünf Zeitabschnitte, die wir als Massenaussterbeereignisse – also das Aussterben von 75 Prozent aller Arten – identifizieren. Eines davon war beispielsweise das Aussterben der Dinosaurier. Die Aussterberaten sind derzeit aber zum Teil noch höher als in der Vergangenheit. Daher können wir davon ausgehen, dass wir im sechsten Massensterbeereignis leben. Das bedeutet auch, dass wir als Mensch auf die Lebenswelt einen Einfluss haben, der vergleichbar ist mit einer planetaren Katastrophe nach dem Einschlag eines Asteroiden.“

An der BOKU hat man den Fokus noch stärker auf Bio-diversität gelegt und den BOKU-Biodiversitätscluster ins Leben gerufen. Was ist das?

Der Biodiversitätscluster wurde aufgrund des erhöhten Forschungsbedarfs auf Initiative des Rektorats gegründet. Wir stellten fest, dass es die Notwendigkeit gibt sich über laufende Forschungsprojekte und Vorhaben rund um die Biodiversität auszutauschen. Der Cluster ist konzipiert als Kommunikationsplattform, auf der wir die einzelnen Akteure vernetzen und so neue Forschungssynergien freisetzen.

Wie viele Interessierte gibt es bereits?

Es sind 150 Forschende aus insgesamt 14 Departments, wobei zehn Departments eine sehr starke Ausrichtung auf Biodiversitätsfragen haben.

Im Cluster gibt es auch ein Strategiekomittee. Welche Aufgabe hat es?

Es besteht aus jeweils zwei Vertreterinnen oder Vertretern der zehn Departments und fungiert sozusagen als Kommunikationszentrale. Dort werden Ideen ausgetauscht und zu den Forschenden getragen

Wie steht es um die Biodiversität in Österreich?

Österreich hat im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr hohe Biodiversität. Wir haben hier verschiedene biogeografische Regionen, die zusammenkommen. Das bedeutet aber auch, dass wir eine gewisse Verantwortung haben, diese Arten zu schützen.

Ausgerechnet die Landwirtschaft schadet der Biodiversität. Braucht es mehr Überzeugungsarbeit bei den Landwirtinnen und Landwirten, oder wo liegt das Problem?

Es liegt weniger an den Landwirtinnen oder Landwirten. Es ist ein ökonomisches Problem. Alle betriebswirtschaftlichen Optimierungen gehen im Wesentlichen auf Kosten der Biodiversität – sei es durch die Zusammenlegung von Feldern oder wegen des Pestizideinsatzes. Bei uns in der Landwirtschaft ist es nicht möglich, dass die Bäuerinnen und Bauern auf diese Dinge verzichten. Da braucht es ein Ausgleichssystem. Das wird ständig versucht einzuführen, aber vergebens. Auch weil die Landwirtschaft nicht an einem Strang zieht.

Ende Februar wurde das EU-Renaturierungsgesetz verabschiedet, das helfen soll, Klima- und Biodiversitätsziele zu erreichen. Inwiefern ist dies ein wichtiger Schritt?

Das ist ausgesprochen wichtig, weil es die Notwendigkeit der Wiederherstellung von natürlichem Lebensraum thematisiert. Allerdings sind in den Verhandlungen viele Punkte abgeschwächt worden, sodass wir abwarten müssen, was am Ende in die nationale Gesetzgebung übertragen wird. Ich bin eher pessimistisch ...

Alle Renaturierungsbemühungen in Ehren, aber das braucht ja auch Zeit. Haben wir die überhaupt noch?

Natürlich eilt es, aber gerade bei der Renaturierung können wir eigentlich zu jedem Zeitpunkt anfangen. Es ist eine Frage des Engagements und des Einsatzes von Mitteln.

Interview: Es geht nicht ums Klima alleine

Unser Einfluss auf die Welt ist vergleichbar mit dem Einschlag eines Asteroiden

von Harald Meimberg, Professor an der BOKU University

Welche Schritte sind jetzt wichtig?

Das Wichtigste ist der Schutz der vorhandenen Gebiete, Renaturierung, das Einbeziehen von Biodiversitätszielen in Land- und Forstwirtschaft. Damit hätten wir schon viel erreicht.

Der Biodiversitätscluster ist auch als Anlaufstelle für Politik und Gesellschaft gedacht. Glauben Sie, dass das Bewusstsein für Biodiversität dort schon angekommen ist?

Die Biodiversitätsproblematik ist schwieriger zu kommunizieren als die Klimakrise, aber mittlerweile wurden sie als Zwillingskrise erkannt: Das eine bedingt das andere. Ich glaube aber, dass das Bewusstsein der Bevölkerung durchaus da ist, aber es muss sich die Transformationsdebatte ändern. Für die Klimakrise streben wir eine Transformation unserer Ökonomie an. Dabei sollten darin auch die Biodiversitätsziele spezifischer miteinbezogen werden.

Gelungener Artenschutz im Sinne der Biodiversität wird aber nicht von allen als Erfolg wahrgenommen. Man denke nur an die aktuelle Debatte um den Wolf. Verstehen Sie diesen Aufschrei?

Auf der einen Seite ist der Aufschrei verständlich, auf der anderen Seite zeigt es auch das Missverständnis, das existiert: Es ist nicht nur die Landschaft, die anders ist, sondern auch der Wolf ist ein anderer.

Das sind Tiere, die seit vielen Generationen sehr eng in einer vom Menschen beeinflussten Landschaft leben. Die Landwirtschaft ist daher auch gezwungen, sich an diese natürlichen Gegebenheiten ein Stück weit anzupassen.

Die Konzepte dafür liegen bereits auf dem Tisch. Man muss sehen, wie es sich entwickelt.

Wie kann jede oder jeder die Biodiversität bei sich zu Hause schützen bzw. was machen Sie?

Ich habe einen kleinen Naturgarten. Dadurch haben wir unheimlich viele Tiere dort.

Das ist beispielsweise ein erster Schritt. Aber auch bewusst kein Gift im Garten zu verwenden oder natürliche Ecken zu kreieren, zahlen sich aus.

Was ist das Ziel des BOKU-Biodiversitätsclusters? Wann sind Sie zufrieden?

Ich bin relativ einfach zufriedenzustellen (lacht). Wir wollen jetzt vor allem regelmäßigen Austausch und Veranstaltungen stattfinden lassen, um möglichst viele von unseren Forschungen dort einzubeziehen.

Als weiterer Schritt ist dann auch gedacht, die Biodiversitätsthematik stärker in der Lehre zu verankern.