Wer Sinn in seiner Arbeit sieht, ist seltener krank

Das Sinnerleben im Beruf hat einen ohen Einfluss auf die Gesundheit.
Erleben Beschäftigte ihre Arbeit als sinnstiftend, wirkt sich das positiv auf ihre Gesundheit aus.

Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, hält Arbeitnehmer gesund. Zu diesem Ergebnis kommt das deutsche Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) in einer repräsentativen Befragung von über 2.000 Erwerbstätigen. Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse im Zuge des Fehlzeiten-Reports 2018.

Demnach berichten Arbeitnehmer, die das Gefühl haben einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen, über deutlich weniger arbeitsbedingte gesundheitliche Beschwerden. Außerdem halten sie sich im Krankheitsfall häufiger an die ärztlich verordnete Krankschreibung.

Wohlfühlfaktor

Sich am Arbeitsplatz wohlzufühlen, ist Arbeitnehmern der Umfrage zufolge am wichtigsten. 98,4 Prozent der Befragten gaben dies an. Auch eine gute Zusammenarbeit mit den Kollegen (97,9 Prozent), ein gutes Betriebsklima (96,8 Prozent), die Loyalität des Unternehmens gegenüber den Mitarbeitern (96,8 Prozent) sowie ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten (92,4 Prozent) werden als bedeutsam empfunden. "Für das Sinnerleben sind den meisten Beschäftigten vor allem persönlich und sozial motivierte Aspekte ihrer Arbeit wichtig", erklärt Helmut Schröder, Stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Wunschvorstellung und Wirklichkeit würden jedoch oft nicht übereinstimmen. So äußerten nur 69,3 Prozent der Befragten, dass sich ihr Arbeitgeber ihnen gegenüber loyal verhält. Ein positives Betriebsklima erleben nur 78 Prozent der Beschäftigten.

Gesundes Sinnerleben

Durchschnittlich 12,1 Tage haben die Befragten nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr krankheitsbedingt am Arbeitsplatz gefehlt. Passen der eigene Anspruch an das Sinnerleben im Beruf und die Wirklichkeit in der Wahrnehmung des Beschäftigten gut zueinander, fällt die Zahl der Fehltage auf 9,4. Unterscheiden sich Wunsch und Wirklichkeit stark, verdoppelt sich die Fehlzeit auf 19,6 Fehltage.

Dieser Zusammenhang zeigt sich auch bei den jobbedingten körperlichen und psychischen Beschwerden. Im Durchschnitt berichten 38,1 Prozent der Befragten über Rücken- und Gelenkschmerzen, 35,9 Prozent über Erschöpfung. Empfinden Beschäftigte ihre Arbeit als sinnstiftend, werden alle Beschwerden seltener genannt (Rücken- und Gelenkschmerzen: 34 Prozent; Erschöpfung: 33,2 Prozent). Ist das nicht der Fall, berichten 54,1 Prozent über Rücken- und Gelenkschmerzen und 56,5 Prozent über Erschöpfung.

Unterschiede gibt es auch bei der Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit: Mehr als jeder fünfte Befragte (21,1 Prozent) war entgegen dem Rat des Arztes im letzten Jahr krank zur Arbeit gegangen. Wer seine Arbeit sinnstiftend findet, ist jedoch seltener betroffen (18,5 Prozent) als Beschäftigte, bei denen das nicht der Fall ist (24,8 Prozent). "Wenn Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern und als Arbeitgeber attraktiv bleiben möchten, sollten sie gegenüber ihren Beschäftigten mehr Loyalität vermitteln und die vertrauensvolle Zusammenarbeit quer durch die Hierarchieebenen gezielt fördern", bewertet Schröder die Erkenntnisse.

Seelische Belastungen

Auch in Österreich macht der Arbeitsplatz die Menschen nicht selten krank. Über eine Million Menschen haben hierzulande laut Arbeiterkammer arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme. Psychische Erkrankungen sind dabei auf dem Vormarsch und machen bereits ein Drittel jener Diagnosen aus, die zu einer Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension führen. Durch Arbeitsausfälle von psychisch Kranken gehen der Weltwirtschaft laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr 860 Milliarden Euro verloren. Aufgrund dieser Tendenzen wurde auch 2013 das Arbeitnehmerschutzgesetz novelliert und die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vorgeschrieben.

Dennoch ist das Tabu um psychische Gesundheit am Arbeitsplatz nach wie vor groß. Kürzlich ergab eine Studie einer britischen Arbeitsvermittlungsagentur, dass der überwiegende Großteil der Arbeitnehmer nicht mit ihren Arbeitgebern über psychische Probleme spricht. Im Gegensatz zu physischen Leiden, die viel öfter besprochen werden. Eine repräsentative Umfrage von marktagent.com zeigte 2016, dass 80 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass die psychische Verfassung ihre Arbeitsleistung stark beeinflusst. Für die meisten der betroffenen Arbeitnehmer allerdings kein Grund, daheim zu bleiben. Nur ein Bruchteil geht in den Krankenstand, selbst wenn das Bedürfnis danach groß ist.

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