Syphilis-Warnung per SMS soll Tabu brechen

Symbolbild
Weltweit stecken sich laut WHO täglich über eine Million Menschen mit einer Geschlechtskrankheit an – Tendenz steigend. Weil das Thema nach wie vor stark tabuisiert ist und viele Geschlechtskrankheiten anfangs keine oder nur unspezifische Symptome aufweisen, sind neue Infektionen schwer zu vermeiden. Eine deutsche Initiative will das ändern.

Die Warnung kommt anonym per SMS oder E-Mail. "Ein/e Freund_in von Ihnen hat eine Syphilisinfektion und möchte, dass Sie sich testen und behandeln lassen." Es folgen eine Telefonnummer und der Hinweis: "Vertraulich". Solche kurzen Botschaften an bisherige Sex-Partner können Patienten des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Medizin "Walk in Ruhr" in Bochum seit diesem Sommer absetzen. Auf einer Webseite haben sie dafür unterschiedliche Formulierungen zur Auswahl. Wenn gewünscht, kann man Empfänger auch nur vage auf ein "mögliches Gesundheitsrisiko" hinweisen.

Stigma bleibt

In Deutschland und anderen Teilen westlichen Welt wird seit einigen Jahren vor einer Zunahme von Erkrankungen gewarnt, die man teils schon überwunden glaubte, wie Syphilis und Tripper (Gonorrhoe).

Auch in Zeiten, in denen Sex medial dauerpräsent ist, bleiben sexuell übertragbare Infektionen (STI) mit einem Stigma verbunden. Viele Betroffene trauen sich nicht, über ihre Beschwerden zu sprechen, sagt der Leiter des Bochumer Zentrums, Norbert Brockmeyer. Insgesamt komme im Schnitt jeder zweite Patient spät mit seinem Problem zum Arzt, also erst, wenn schon ausgeprägte, teils nicht mehr heilbare Krankheitssymptome aufgetreten seien, erklärt Brockmeyer, der auch Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft ist. Die anonymen SMS-Warnungen haben auch das Ziel, die hohen Dunkelziffern bei STI zu senken. Mit dem System soll zudem das erneute Übertragen von Geschlechtskrankheiten vom unbehandelten zurück auf den therapierten Partner eingedämmt werden.

"Wir sind sehr daran interessiert, das Angebot auch bundesweit auszubauen", sagt Brockmeyer. In den USA gebe es vergleichbare Apps auf dem Markt, die jedoch kaum genutzt würden. Nutzer fürchteten Datenmissbrauch – das sei anders, wenn eine medizinische Einrichtung hinter dem Angebot stehe.

Die SMS-Warnungen hält Viviane Bremer, Expertin für sexuell übertragbare Infektionen am Berliner Robert Koch-Institut (RKI), für einen "super Ansatz". Oft sei es noch so, dass Frauen beim Gynäkologen behandelt würden, während betroffene Männer keine derartige Anbindung hätten – und erst einmal unbehandelt blieben.

Resistenzentwicklungen als Problem

Dabei gelten diese Infektionen als gut behandelbar. Aber wie lange noch? Hier sind Experten in Sorge, weil vermehrt Resistenzen gegen gängige Antibiotika beobachtet werden, insbesondere bei der Behandlung von Tripper. "Hier in Deutschland hatten wir bisher nur Einzelfälle", sagt Bremer. Verbreiteter seien die Resistenzen in Ostasien – bislang.

In geringerem Maß werden Resistenzentwicklungen auch bei Syphilis und Chlamydien beobachtet. Letztere gelten unter jungen Frauen und Männern als weit verbreitet, auch weil die Bakterieninfektion oftmals weitgehend symptomfrei verläuft. Unbehandelt können in manchen Fällen Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten die Folge sein.

Scham und Ängste

Grundsätzlich sei die Hürde, Geschlechtskrankheiten anzusprechen, für Frauen noch höher als für Männer, betont Brockmeyer. Sexuell übertragbare Infektionen würden bei ihnen immer noch gesellschaftlich weniger toleriert, Frauen hätten große Angst um ihren Ruf. Bei Jugendlichen beobachtet der Experte sogar eher eine wachsende Hemmschwelle, über Geschlechtskrankheiten zu sprechen. Pornos seien zwar leicht schon für 12-Jährige verfügbar – die Filme sorgten aber für verzerrte Maßstäbe die eigenen Geschlechtsorgane betreffend. Wer ohnehin mit dem eigenen Körper hadere, wolle im Falle eines Problems nicht auch noch mit dem Arzt darüber sprechen, so die Erfahrung.

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