Weltmeister gesucht!

Die Sonne im Auge: Argentinische Fans wollen in Brasilien jubeln.
Kann Argentinien Deutschlands WM-Traum platzen lassen?

Deutschland gegen Argentinien. Nach 64 von 32 Mannschaften in 12 Stadien ausgetragenen Spielen wird der Weltmeister feststehen. Im Maracanã von Rio bemühen sich zwei Teams um den wichtigsten Titel des Erdballs. Sie tun dies nach 1986 und 1990 bereits zum dritten Mal. In diesem Duell steht es 1:1.

Deutschland wird als Favorit gehandelt, die Gesamtbilanz der beiden Mannschaften spricht allerdings für Argentinien: Von bisher 20 Partien konnten die Deutschen nur sechs gewinnen (5 Remis, 9 Niederlagen).

Die Chancenverteilung ist das große Thema. Experten, Altinternationale und wie immer auch Wissenschaftler. Informatiker der Freien Universität Berlin haben mit einer hochkomplizierten Wahrscheinlichkeitsrechnung der Stimmungslage im Land einen leichten Dämpfer versetzt. Demnach liege die Wahrscheinlichkeit eines argentinischen Erfolgs im Finale bei 51 Prozent.

Der Unterschied in der Praxis: Deutschland hat sich im Turnier als Mannschaft mit hervorragenden Einzelspielern präsentiert. Argentinien setzt vor allem auf zwei Hoffnungsträger: natürlich auf Lionel Messi und das Sorgenkind der Nation, Ángel Di María. Der 26-Jährige , unter anderem Champions-League-Sieger mit Real Madrid, schlägt sich mit einer Oberschenkelverletzung herum. Sein Einsatz würde Argentiniens Offensive entscheidend aufwerten.

Auch die Unterstützung spricht eher für die Südamerikaner: 100.000 Argentinier werden sich am Finaltag in Rio de Janeiro einfinden. Dies mobilisiert wiederum den größten Einsatz an Sicherheitskräften in der Geschichte der Stadt. 26.000 Uniformen werden das Szenario bestimmen. Weil sich vor allem übermütige Argentinier und frustrierte Brasilianer momentan auf einer höchst unterschiedlichen Emotionsebene befinden.

Weltmeister gesucht!

Weltmeister kann nur die Mannschaft von Joachim Löw werden. Eindeutig ist die Überzahl jener Experten, die Deutschland als eindeutige Antwort auf die Titelfrage sehen. Die (meist) überzeugenden Spiele in der Vorrunde, die Konsequenz, die mannschaftliche Geschlossenheit und die individuelle Klasse stempeln die Deutschen zum relativ klaren Favoriten. Löw brüllt es raus und muss dabei wenig Widerspruch erdulden: „Jetzt sind wir da, jetzt haben wir die Chance. Klar, jetzt wollen wir sie wahrnehmen.“

Jubelbilder aus der Heimat lassen sich die Deutschen vorführen. Als weiteren Motivationsschub. „Das ist für alle ein ganz geiles Gefühl, wenn man sieht, wie sich die Fans freuen, wie sie zusammenstehen. Es macht auch uns Freude, unsere Fans glücklich zu machen“, meint der Trainer. Was Löw so zuversichtlich stimmt? Vor allem das Selbstbewusstsein seiner Spieler. Wie meinte doch Thomas Müller bei der Abreise aus dem Campo Bahia in Richtung Rio: „Wir hauen alles raus! Wir werden alles auspacken, was wir fußballerisch und kämpferisch in unserem Rucksack haben.“ Müller geht immerhin noch als regierender Torschützenkönig von 2010 in das Endspiel gegen Argentinien. Und er hat auch noch ein persönliches Duell auszutragen: jenes gegen Lionel Messi. Müller brachte es bisher auf fünf Tore und drei Vorlagen, der Superstar auf der Gegenseite auf vier Treffer und einen Assist. Beide haben allerdings den Kolumbianer James Rodríguez vor Augen. Der hält bei sechs Toren und zwei Vorlagen.

Nicht von ungefähr kommt, dass Müller zusammen mit seinen Mannschaftkollegen Mats Hummels, Toni Kroos und Philipp Lahm auf der Liste der zehn Kandidaten für die Wahl zum Gewinner des „Goldenen Balls“ steht. Dass Manuel Neuer wohl der beste Torhüter des Turniers werden wird, bezweifelt niemand. Wie und ob der 7:1-Triumph gegen Brasilien verarbeitet wurde, wird sich im Finale zeigen. Mats Hummels, der Deutschland im Viertelfinale mit einem Kopftor überhaupt im Turnier gehalten hat, warnt: „Wir sind uns jetzt schon darüber klar, dass es am Sonntag einen ganz großen Wurf geben kann. Aber nur, wenn wir uns auf das Spiel gegen Brasilien nicht mehr allzu viel einbilden.“

Optimisten

Deutschlands Fußball-Prominenz kann es sich wie immer nicht verkneifen, ihrem Optimismus freien Lauf zu lassen. Allen voran das Sprachrohr der längst vergangenen, guten Zeiten: 2:0 werde man gewinnen, meint Franz Beckenbauer. Ex-Nationalkeeper Jens Lehmann lobt die gute Organisation im deutschen Team und erwartet einen „klaren Sieg“. Außerdem sei Manuel Neuer noch nicht an seinem Zenit angelangt. „Seine besten Jahren kommen erst noch“, meint Lehmann.
Die Deutschen sind zuversichtlich. Und das mit aller Gründlichkeit.

Es war der Traum eines kleinen Buben. Einmal Weltmeister sein. Lionel Messi hat den Traum niemals aus den Augen verloren. Auch wenn der Kleine mittlerweile ein ganz Großer ist. „Es gibt nichts besseres für einen Fußballer, als Weltmeister zu werden, es ist etwas, wovon du als Kind träumst, und es hört nie auf“, sagte der 1,69 Meter große Edeltechniker vor ein paar Tagen. Alles andere hat er der mittlerweile 27-Jährige ohnehin schon gewonnen. Unter anderem drei Mal die Champions League, vier Mal ist er zum Weltfußballer gewählt worden, häufiger als jeder andere. Und dennoch ist das Werk unvollendet. Das kann Lionel Messi am Sonntag ändern. Er muss es tun. Für seine Landsleute, er wird in die Pflicht gerufen. Wie damals Diego Maradona, der im Gegensatz zu Messi weiß, wie es sich anfühlt, den wichtigsten Titel zu holen: 1986 führte er Argentinien zum WM-Sieg nach einem verdienten Finalerfolg über Deutschland.

28 Jahre sind seither vergangen. Das lange Warten soll im fußballverrückten Land nun ein Ende haben. Auch Maradona selbst sieht dies so: „Messi wird es richten. Er wird das Spiel entscheiden“, sagte er in der Sendung „De Zurda“ (Mit links) des venezolanischen TV-Senders Telesur. „Wer den Besten auf dem Spielfeld hat, und das sind wir, der wird die Partie gewinnen“, erklärte der 53-Jährige. Zugleich bestritt Maradona, dass es eine Rivalität zwischen ihm und dem Torjäger des FC Barcelona gebe. „Wir sind und bleiben Freunde. Wenn Messi am Sonntag den Pokal in die Höhe stemmen und damit Maradona übertreffen will, rolle ich für ihn den roten Teppich aus“, sagt er.

Weltmeister gesucht!
epa04300958 Lionel Messi of Argentina prepares for a free kick during the FIFA World Cup 2014 quarter final match between Argentina and Belgium at the Estadio Nacional in Brasilia, Brazil, 05 July 2014. (RESTRICTIONS APPLY: Editorial Use Only, not used in association with any commercial entity - Images must not be used in any form of alert service or push service of any kind including via mobile alert services, downloads to mobile devices or MMS messaging - Images must appear as still images and must not emulate match action video footage - No alteration is made to, and no text or image is superimposed over, any published image which: (a) intentionally obscures or removes a sponsor identification image; or (b) adds or overlays the commercial identification of any third party which is not officially associated with the FIFA World Cup) EPA/ROBERT GHEMENT EDITORIAL USE ONLY

Sehnsüchte

Vor acht Jahren in Deutschland war Messi noch nicht so weit, dass er die Sehnsüchte seines Landes alleine hätte erfüllen können. Er war Teil einer Mannschaft, die im Viertelfinale gegen Deutschland ausschied. Vor vier Jahren in Südafrika war er dann aber bereits der Messi(as), der Argentinien zum heiligen Gral führen sollte – noch dazu mit Maradona als Trainer. Auch dieses Unternehmen ging schief: Argentinien wurde im Viertelfinale von Deutschland gedemütigt. Messi und Maradona, eigentlich war das ein Desaster.

Jetzt ist er aber endgültig der Boss. Lionel Messi soll die Taktik und mitunter gar die Aufstellung diktieren und so selbst Trainer Alejandro Sabella überstimmen, behaupten argentinische Journalisten. Reine Theorie. Wahr ist auf jeden Fall, dass Sabello Loblieder auf seinen Star singt. „Messi ist das Wasser in der Wüste.“ Oder: „Die Mannschaft muss so spielen, dass Messi sich wohlfühlt.“ Ob die Gegner auch so spielen? Der heutige Sonntag könnte der Tag sein, an dem sich Argentinien mit diesem schmächtigen Burschen aus Rosario versöhnt. Mit dem Wunderknaben, der das Versprechen des dritten WM-Titels einlöst. Damit wäre auch sein Werk vollendet.

Deutschland gegen Brasilien war vieles, aber kein WM-Klassiker. Deutschland gegen Argentinien ist aber auch das: Das Finalspiel ist das siebente Duell der beiden Länder bei einer WM-Endrunde, so oft spielten nur auch Brasilien und Schweden gegeneinander. Diese Partie gab es in einem Finalspiel nur einmal (1958), während Deutschland und Argentinien schon zum dritten Mal den Weltmeister ausspielen. Auch das ist ein WM-Rekord. Der KURIER wirft einen Blick zurück auf die bisherigen zwei Finalspiele ...

WM 1986
Ins Finale in Mexiko City ging Argentinien als ähnlich großer Favorit wie Deutschland in das heutige. Die DFB-Elf war in dieses nach internen Querelen gestolpert. Torhüter Stein hatte Teamchef Beckenbauer einen „Suppenkasper“ genannt und wurde nach Hause geschickt. Argentinien hatte hingegen dank Maradona überzeugt. Den Superstar wollten die Deutschen ausschalten, das gelang dem Duo Matthäus und Eder auch. Trotzdem lagen die Argentinier nach einer Stunde 2:0 in Führung, ließen es dann aber in der Mittagshitze von Mexiko City gut sein – zu früh. Rummenigge und Völler brachten die Deutschen zurück. Doch sechs Minuten vor Schluss blitzte doch noch Maradonas große Klasse auf, seinen Traumpass verwertete Burruchaga zum 3:2.

WM 1990
Erstmals gab es eine Finalrevanche. Die Teamchefs waren mit Beckenbauer und Bilardo ident. 1990 hatten aber die Deutschen souverän agiert, während die Argentinier glücklich so weit gekommen waren. Das Endspiel in Rom gilt als eines der schwächsten der WM-Historie. Die ersatzgeschwächten Argentinier (ohne vier gesperrte Spieler) taten gar nichts für das Spiel. Dazu neutralisierte Buchwald Kapitän Maradona. Erstmals wurde in einem Finale mit dem Argentinier Monzón ein Spieler ausgeschlossen. Die Entscheidung fiel aus einem umstrittenen Elfmeter, den Brehme sicher verwandelte (85.). Danach verloren die Argentinier die Nerven, mit Dezotti sah noch ein Spieler Rot.

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