Wo das Ende der Sklaverei begann
Roland Fryer ließ ein Problem nicht in Ruhe: Warum überleben weiße US-Bürger schwarze im Schnitt um mehrere Jahre? Schuld ist die Sklaverei. Seine These untermauert der Wirtschaftswissenschaftler mit einer Anekdote über Sklavenhändler, die die Gesichter der Schwarzen ableckten, ehe sie sie kauften. Pervers? Vielleicht! Aber auch zielführend: Die Reise von Afrika nach Amerika war grauenvoll, und nur gesunde "Fracht" hatte Chancen, sie zu überleben. Haupt-Todesursache war Dehydration. Eine hohe Salzkonzentration im Schweiß zeigte dem Händler an, dass der Sklave mehr Wasser im Körper halten konnte und die Reise eher überleben würde. Die sogenannte Salzsensitivität ist aber auch ein Zeichen dafür, dass jemand an Bluthochdruck leidet und eher an Herz-Kreislauf-Problemen sterben wird – ein Merkmal, das Sklaven an ihre Nachkommen weitergaben.
Die größte Völker-Verschleppung der Geschichte wirkt bis heute nach. Vor 200 Jahren raffte man sich am Wiener Kongress zur ersten Ächtung der Sklaverei auf. Im Februar 1815 verabschiedeten "alle zivilisierten Länder" eine Erklärung, in der der Sklavenhandel als "in allen Prinzipien der Humanität und der allgemeinen Moral zuwiderlaufend" verurteilt wurde.
"Ausgegangen ist das alles von den Briten, denn in Großbritannien hatte sich eine große Anti-Sklaverei-Bewegung formiert", sagt Historiker Thomas Just. Die Gegner bedienten sich auch heute noch wirksamer Widerstandsformen: Unterschriften-Aktionen und Konsum-Boykott. Eineinhalb der zwölf Millionen Briten unterzeichneten eine Bittschrift gegen den Sklavenhandel. Außerdem riefen sie auf, keinen Rohrzucker zu kaufen.
Humanismus spielte in der Sklavenfrage weniger eine Rolle als wirtschaftliche Überlegungen. Bis zu 400 verschleppte Afrikaner wurden je Schiff unter Deck eingepfercht, zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen. Meist waren sie angekettet, kauerten in ihren Exkrementen. Kam Land in Sicht, wurden die Gefangenen an Deck getrieben, gewaschen, rasiert und eingeölt, ihre Wunden übermalt.
Die Abolitionsbewegung machte schließlich Druck auf die britische Regierung. Die setzte in den Verhandlungen am Wiener Kongress auf zureden, zahlen und zwingen. "Die Sklaverei-Kommission tagte vier Mal", sagt Just. Ein hartes Stück Arbeit: "Spanien ließ sich die Unterschrift abkaufen, den Franzosen bot man eine Insel an, wenn sie die Sklaverei verbieten." Die Erklärung, die dann herauskam, war ein Text von höchster humanitärer Bedeutung, da die europäischen Staaten, erstmals, erkennen ließen, sich auch das Schicksal der gesamten Menschheit zu Herzen zu nehmen. Just: "Erstmals wurde nicht nur über Territorien, sondern auch über Menschenrechte verhandelt."
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