Neuer Terror, alter kalter Krieg: Was 2014 bewegte

Der Flug MH 17 - Symbol eines Konfliktes, der West und Ost vergangenes Jahr neu definierte.
Russland ließ den Westen frösteln, IS stellte ihn vor neue Herausforderungen - und zwei Flugzeugunglücke ließen viele Fragen offen. 2014 im Rückblick.

Hundert Jahre Ausbruch des Ersten Weltkriegs, 25 Jahre Mauerfall – 2014 war ein Jahr des Gedenkens und Erinnerns. Und es war ein Jahr, in dem alte Konflikte plötzlich vergessen geglaubte Ängste heraufbeschworen haben. Von Syrien aus erschütterten die Terroristen des Islamischen Staates die Welt mit einer Brutalität, die seit 9/11 nicht mehr so präsent war.

Von Moskau aus wehte über die Ukraine bis weit in den Westen der Hauch des totgeglaubten kalten Krieges. Und dass die Welt in völliger Hilflosigkeit mitanschauen musste, wie sowohl über der Ostukraine als auch im pazifischen Ozean Flugzeuge plötzlich zu völlig unerklärlichen Todesfallen wurden, ließen einen glauben, man sei zurückkatapultiert in eine lang zurückliegende Ära – vor Technisierung und Überwachung, vor einer völlig vernetzten Gesellschaft mit beinahe gläsernen Menschen.

Diese drei Momente dieses Jahres haben wir herausgegriffen, um das ablaufende Jahr weltpolitisch zu beschreiben.

Wer mehr zum Thema 1914 lesen möchte - hier geht es zur KURIER-Serie, Hintergründe zum Wendejahr 1989 finden Sie im KURIER-Mauerfall-Blog.

Drei Monate lang Ausharren, in der Eiseskälte des ukrainischen Winters, in der Hoffnung auf ein besseres Leben: Seit November 2013 hielten die Demonstranten den Kiewer Maidan besetzt, um ihrem Präsidenten zu sagen, dass es so nicht weitergehen könne. Viktor Janukowitschs Politik der Anbiederung an Moskau, getragen von einer korrupten Machtelite, ließ die ukrainische Bevölkerung auf die Barrikaden steigen.

Mittlerweile ist der Aufstand verebbt, der Zorn einer dauernden Angst gewichen. Denn was mit Volkszorn und Hoffnung auf eine demokratischere Ukraine begonnen hat, hat sich nun zu dem gewandelt, wovon die Welt spätestens 1991 Abschied genommen hatte: Der eisige Hauch des Kalten Krieges ist plötzlich wieder spürbar.

Ungeklärte Todesschüsse

Der Moment, der dorthin führen sollte, geschah am 18. Februar. Erstmal waren Schüsse am Kiewer Unabhängigkeitsplatz gefallen, mehr als 80 Menschen ließen in den Tagen danach ihr Leben. Der ungeliebte Staatschef floh, fand Unterschlupf im angrenzenden Russland; jener Schutzmacht, die ab diesem Zeitpunkt das Geschehen in der Ukraine bestimmen sollte. Dort ist Janukowitsch bis heute – Aufklärung über die Todesschüsse gibt es bis dato keine.

Dafür wurden andernorts Tatsachen geschaffen. In Kiew kam die Opposition an die Macht, mit wohlwollender Unterstützung Brüssels und der USA. Die Krim, bereits kurz nach dem Umsturz in Kiew in russischer Hand, entschied sich per fragwürdigem Referendum zur Abspaltung. Die Ostukraine wollte es ihr gleichtun und sich zu Neurussland machen, Kiew ließ das nicht zu. Seither schwelt der Konflikt und findet kein Ende. Unzählige Gräber auf ukrainischem und russischem Boden zeugen davon.

Kein Krieg, kein Abschuss

Moskau kommentiert diese Tode nicht. Offiziell führt der Kreml auch keine bewaffnete Konfrontation in einem anderen Land; der Absturz der Passagiermaschine MH17, bei dem knapp 300 Menschen ihr Leben verloren, soll schließlich auch nicht auf das Konto der Separatisten gehen, sondern möglicherweise das Werk der ukrainischen Regierung sein. Aufgeklärt ist der Fall bis heute nicht.

Die Aussagen des Kreml sind seit Beginn der Krise die gleichen. Man setze alles daran, die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine zu schützen, heißt es. Auch in allen internationalen Verhandlungen wird das betont – ein Schelm, wer anderes dächte. Moskau agiert auf dem glatten Parkett der Diplomatie so, wie man es vom Kreml der Sowjetzeit gewohnt war. Polternd, Verhandlungen abbrechend, den wirtschaftlichem Einfluss geltend machend. Dass die Medien in Russland in martialischer Sprache den Konflikt anheizen, gegen die „Faschisten in Kiew“ und das „Schwulenparadies Europa“ hetzen, ist die dazu passende gegebene Rhetorik, die die Gräben noch tiefer machen sollen.

Muskelspiele

Brüssel und die USA setzen einstweilen auf Sanktionen, um Putins Drohgebärden zu antworten. Das schmerzt Moskau zwar, die leeren Regale in den Geschäften beweisen es. Der Ton aus Moskau wird dadurch aber immer noch rauer: Großprojekte mit Europa - wie etwa zuletzt die Pipeline South Stream - werden kurzerhand abgesagt und mit anderen Partnern abgewickelt. Moskau macht nun lieber Geschäfte mit der Türkei.

Der Kalte Krieg ist wieder da, mit Moskau ist zu rechnen, lässt man den Westen subtil wissen. Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine sind die traurigen Zeugen dieser eiskalten Politik.

Die aktuellen Ukraine-Reportagen von Stefan Schocher und Jürg Christandl finden Sie hier.

Der Alltag in Trümmern

Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS, früher auch ISIS oder ISIL) stand Anfang des Jahres noch im Schatten der bis dahin weitaus bekannteren El Kaida. Das änderte sich im Juni 2014 schlagartig: Damals rief Anführer Abu Bakr al-Baghdadi im Nordwesten des Irak und Osten Syriens ein Kalifat aus. Durch eine blutige Bildsprache, Enthauptungen und schnelle militärische Erfolge erlangte die Terrororganisation in den folgenden Monaten schnell an internationaler Bekanntheit. Vor allem die Rekrutierung europäischer Dschihadisten ließ den IS in heimischen Medien präsent werden.

Hinter den menschenverachtenden Taten steht eine straff gegliederte Organisation. Von ihrer Hochburg im syrischen Rakka aus regiert die Terrorgruppe die besetzten Gebieten wie einen Staat, inklusive eigener Gerichtsbarkeit, Steuersystem und lukrativer Schattenwirtschaft.

Macht ist auch eine Geldfrage

Neben der instabilen innenpolitischen Lage in Syrien und im Irak sind zwei Faktoren für den wachsenden Erfolg der Dschihadisten ausschlaggebend. Zum einen, agieren sie überaus effizient wenn es um Bildsprache und Propaganda geht (Beispiele siehe Bildergalerie). Zum anderen, verfügt der IS über immense finanzielle Mittel.

So soll die Terrorgruppe bei der Eroberung von Mossul 420 Millionen US-Dollar der irakischen Zentralbank erbeutet haben, womit sie auf einen Schlag als reichste Terrorgruppe der Welt galt. Insgesamt wird dem IS ein Vermögen von 2 Milliarden Dollar nachgesagt. Dieses soll er durch Plünderungen, Lösegeldzahlungen und den Verkauf von Öl, Waffen und Fahrzeugen erlangt haben. Die Menschen im "Kalifat" müssen außerdem Steuern abtreten.

Sunniten in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar sollen den IS finanziell unterstützen. Beweise dafür gibt es nicht.

Klar ist: Durch die effiziente Marken-Stilisierung hat der IS Sympathisanten in aller Welt – und diese sind durchaus zahlungsfreudig. Wieviel Geld aus dem Ausland ins Kalifat fließt, bleibt aber schwer abzuschätzen.

Der Krieg der Bilder

Auf diese Frage gibt es keine Antwort.

Am 8.März verschwindet über Nacht eine Passiermaschine der Malaysian Airlines mit 239 Passagieren und Crewmitgliedern an Bord über dem Südchinesischem Meer. Ein Absturz von Flug MH 370 wird vermutet, aber wo?

Das Flugzeug war unterwegs von Kuala Lumpur nach Peking. Nach der nächtlichen Pilotenabmeldung über dem Meer riss der Funkverkehr ab, das Flugzeug verschwand vom Radar. Seitdem gibt es keine Spur der 239 Menschen an Bord, zwei Drittel stammten aus China. Mehrere Passagiere und Crewmitglieder standen im Zuge der Suchaktion im Fokus polizeilicher Ermittlungen, herausgekommen ist dabei kaum etwas. Die Verdachtsmomente erhärteten sich weder gegen den Co-Piloten, der unter Verdacht stand, die Kommunikationsgeräte ausgeschaltet zu heben, sowie bei zwei Passagieren mit gestohlenen Pässen, darunter auch ein österreichisches Dokument.

Verworrene Suche

Nicht einmal die Flugroute kann bis heute eindeutig festgemacht werden. Zuerst wurde zwischen Malaysia und Indonesien gesucht, schließlich wurde das Suchgebiet auf Straße von Malakka erweitert. Dann folgte der nächste Schock für die Angehörigen: Erst nach wochenlagen Satellitenauswertungen kam heraus, dass die Maschine umgedreht haben soll, noch mindestens sieben Stunden Richtung Süden auf Autopilot flog und dann vermutlich abstürzte, als der Treibstoff ausging. Das Suchgebiet erstreckt sich seither westlich von Australien auf den Indischen Ozean. Die Ursache für den Kurswechsel bleibt bis heute unbekannt.

Inzwischen haben einige Angehörige die Fluggesellschaft geklagt, und Malaysian Airlines steht, nicht zuletzt auch wegen der zweiten Flugzeugkatastrophe im Juli im Osten der Ukraine, vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Allerdings wollen die australischen Suchtrupps nicht aufgeben. 2015 soll die Suche weitergehen.

Immer wieder verschwanden Flugzeuge

Die gesammelten Rückblicke der Ressorts finden Sie unter kurier.at/2014.

Kommentare