Ein Weltkrieg macht Fortschritt

Ein Weltkrieg macht Fortschritt
Der erste industrialisierte Krieg war auch ein Wettlauf von Forschung und Technik.

Eigentlich war es nichts als Vogelkot, zusammengekratzt in der Wüste Chiles, doch genau der war jetzt im Herbst 1914 nicht mehr zu bekommen. Die britische Seeblockade hatte das deutsche Reich und dessen Rüstungsindustrie von einem ihrer wichtigsten Rohstoffe abgeschnitten. Der sogenannte Chilesalpeter war die Grundlage für die Produktion von Sprengstoffen und Munition, und von der brauchte die Artillerie der Mittelmächte täglich Tonnen.

Im September 1914 wurde Carl Bosch, stellvertretender Direktor der BASF deshalb ins Kriegsministerium zitiert. Die Zusage, die der Chemiker den versammelten Militärs dort machte, sollte als „Salpeterversprechen“ Kriegsgeschichte schreiben. Von nun an sollten die Sprengstoffe für die deutsche Artillerie nicht mehr aus Vogelkot, sondern durch eine neuartige Synthesetechnik in den BASF-Labors hergestellt werden.

Ein Weltkrieg macht Fortschritt
Die deutsche Chemie, damals weltweit führend, sollte aber mit ihren Leistungen nicht nur millionenfachen Tod, sondern nach dem Krieg auch friedlichen Fortschritt möglich machen. Von den Sprengstoffen hin zu einer neuen Generation von chemischen Düngemitteln war es nur ein kleiner Schritt.

Doch die Herausforderungen des ersten industriellen Krieges sollten nicht nur die chemische Industrie und Forschung vorantreiben.

In den technischen Hochschulen, auch der k. u. k.-Monarchie, die ihre Forschungen bald völlig auf den Krieg ausgerichtet hatten, wurden neue Techniken und Materialien perfektioniert. Der Krieg gegen Italien in den Alpen machte den Transport in Gipfelhöhen durch unwegsames Gelände notwendig. Die Lösung waren Seilbahnen, wie es sie in dieser Länge und dieser Leistungsfähigkeit noch nicht gegeben hatte. Ähnlich innovativ war man beim Eisenbahnbau. Hier ging es vor allem darum, Material auf rasch eingerichteten Strecken möglichst nah an die Front zu bringen. Eigene Eisenbahntruppen waren nur damit beschäftigt, diese Schmalspurbahnen in kürzester Zeit zu errichten und zu betreiben.

Luftpost

Noch rasanter war die Entwicklung in der Luftfahrt. Flugzeuge, vor Beginn des Krieges von den Militärs noch als Lachnummer abgetan, wurden gegen Ende des Krieges zur ernsthaften Waffe. Neue Propeller, Motoren, aber auch der Flugfunk wurden im Krieg entwickelt, die filigranen Konstruktionen aus Holz und Stoff wurden durch Leichtmetall-Bauweise abgelöst. All das machte die Flieger so leistungsfähig, dass sie nach dem Krieg erstmals großflächig für Lufttransporte, etwa die Luftpost, eingesetzt werden konnten.

Mit Erfindungsreichtum versuchte man auch Versorgungsengpässe zu umgehen und die Not der Zivilbevölkerung zu lindern. Ersatzstoffe für alles, was es an Nahrung und Kleidung nicht mehr gab, wurden hergestellt. Man schickte Uniformen aus Brennnesselfasern an die Front und steckte Bräutigame in Anzüge aus Papier. Vom Kunsthonigpulver bis zur Teerum-Essenz gab es für Hunderte Lebensmittel Ersatzstoffe. Das ging soweit, dass man gegen Kriegsende sogar Suppen aus Steckrüben – andere Gemüse gab es nicht mehr – mit Ersatzstoffen zu strecken versuchte. Die Hungersnot in Wien konnte ein Mittel namens „Brassicum“, das nur noch aus Wasser und Zellulose bestand, allerdings nicht lindern.

Forschung im Krieg

Medizin

Verletzungen und psychische Schäden bisher ungeahnten Ausmaßes ermöglichen Ärzten Erkenntnisse über Funktionen des Körpers, etwa der Hirnregionen.

Chemie

Die Herstellung von Kampfstoffen, aber auch von Ersatzstoffen für fehlende Nahrungsmittel treibt die chemische Forschung voran.

Nachrichtentechnik Die drahtlose Telegrafie über Funk wird für Kriegseinsätze, etwa bei der Marine, perfektioniert, neue Verschlüsselungstechniken entwickelt.

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