Karl und ich: Mode-Doyenne über ihre Begegnungen mit Lagerfeld
Er saß an dem Tisch, an dem schon Coco Chanel gearbeitet hatte. Einen besseren Platz hätte es nicht geben können, um Karl Lagerfeld kennen zu lernen. In der Rue Cambon in Paris Mitte der 1980er Jahre. 1983 hatte der Modeschöpfer dort als Kreativdirektor zu arbeiten begonnen. Hatte das großartige, aber nach dem Tod Coco Chanels 1971 etwas verstaubte Modehaus bereits wieder in lichte Höhen geführt.
Natürlich sprachen wir zuerst über seine aktuelle Mode. Doch als ich Karl Lagerfeld erzählte, dass ich aus Österreich stamme, begann er erstens sofort auf Deutsch zu sprechen. Und wechselte von sich aus auch das Thema. „Sie wissen ja, dass das Chanel-Kostüm seinen Ursprung in Salzburg hat.“
Ich: „Nein, weiß ich nicht. Bitte erzählen Sie mir davon.“
Aus erster Hand
Und so erfuhr ich aus erster Hand, dass Coco Chanel durch einen Verehrer 1954 nach Salzburg gekommen war. Durch die Uniform des Liftjungen in ihrem Hotel, einer jener typischen Lodenjacken mit Einfassung, wurde sie zum inzwischen weltberühmten Kostüm inspiriert. Ein Kleidungsstück, das untrennbar mit ihrem Namen verbunden ist.
Viele Jahre später, vor fünf Jahren, zeigte Karl Lagerfeld seine Métiers d’Art Kollektion für Chanel im Schloss Leopoldskron in Salzburg. Wieder durfte ich ihn interviewen. „Was erinnert Sie an Salzburg?“, begann ich meine Fragen. Der Modekaiser erwähnte natürlich die Geschichte des Chanel-Kostüms, die er mir schon erzählt habe. Dass er mit seiner ersten Model-Muse, Stella Tennant, im Schloss fotografiert hätte usw.
Brigitte R. Winkler über ihr erstes Treffen mit Karl Lagerfeld
„Aber Sie haben doch für Jürgen Flimms Inszenierung von Hugo von Hofmannsthal ,Der Schwierige’ bei den Salzburger Festspielen 1991 die Kostüme gemacht“, ergänzte ich. Darauf Karl Lagerfeld wie aus der Pistole geschossen: „Ach, das habe ich jetzt ganz vergessen. Ich bin so ein schlechter Museumsdirektor meiner eigenen Vergangenheit.“
Was für ein Vergnügen, was für eine Freude jedes Mal, sich mit diesem genialen Formulierer zu unterhalten. Dafür wartete ich nach jeder seiner Shows, egal ob Haute Couture, Prêt-à-Porter, Chanel, Fendi, Chloé oder seiner eigenen Modemarke, bis er die berühmtesten Gäste begrüßt, die wichtigsten Interviews hinter sich gebracht hatte. Dann wurde – auf Deutsch natürlich – gescherzt und gespottet. Über dumme Fragen von uninformierten Journalisten zum Beispiel. Die Karl zuvor aber mit höchster Eleganz und zumeist unbemerkt vom Fragenden vernichtend beantwortet hatte.
Wie aufbauend, wie erfrischend, wenn man selbst vom Mode-Genie ein Kompliment zu hören bekam. Als mich eine Kollegin aus Japan bat, mit ihrem Handy ein Foto von Lagerfeld und ihr zu machen, sagte ich gerne zu. Und Karl: „Können Sie so gut fotografieren, wie Sie schreiben?“
„Ich werd’s versuchen“, sagte ich geschmeichelt und freute mich. Als ich wiederum einst nach einer Couture-Show den Kollegen von der FAZ, Alfons Kaiser, bat, mich mit dem Modekaiser zu fotografieren, bekam ich erneut etwas Wunderbares zu hören: „Wissen Sie, Frau Winkler ist meine Lieblingsjournalistin aus Österreich.“
Über seine Kindheit verriet mir Karl Interessantes und Trauriges: Da er aus einem reichen Haus stammte, war es für ihn keine Sache, armen Leuten etwas zu geben. „Meine Mutter hat uns Kindern verboten, das wir einem Bettler auf der Straße selbst das Geld gaben. Wir mussten es jemandem geben, der das für uns erledigte. Um nicht dem Hochmut des Besitzenden zu verfallen.“
Seine Mutter sah er selten. Sie kam zwar täglich in sein Zimmer, allerdings nur für fünf Minuten. In dieser kurzen Zeit versuchte der kleine Sohn ihr alles zu sagen, was er ihr unbedingt sagen wollte. Daher wohl seine unendlich rasche Formulierkunst.
Keine Hoffnung mehr
Als Karl der Große vergangenen Jänner nicht wie immer in den Saisonen davor zur Dior Homme Show kam und in der ersten Reihe Platz nahm, befürchtete ich schon Ungutes. Als er sich wenige Tage später nach seiner Chanel Haute Couture Show auch nicht zeigte, um wie gewohnt bejubelt zu werden, wurde die Furcht noch größer.
Am kommenden Donnerstag findet in Mailand wieder die Fendi-Modeschau statt. An der Lagerfeld seit 1965 innovativ beteiligt ist. Wo sich am Schluss immer Silvia Venturini-Fendi und er zeigten. Ich machte mir die größten Hoffnungen, dass der Modekünstler bis dahin seine Müdigkeit, seine Schwäche überwunden hat und wir ihn wieder backstage besuchen könnten.
Schlimmer und endgültiger kann eine Hoffnung nicht zunichte gemacht werden. Adieu, Karl!
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