Dieser Mann plant Fashion Shows um 10 Millionen Euro
Es sind die letzten Sekunden vor dem Beginn einer Modenschau, die das Adrenalin bei ihm hochschnellen lassen. Sobald die Lichter ausgehen und Alexandre de Betak "Go!" in sein Headset ruft, laufen die Models los. Hat sich die Mühe der vergangenen Monate ausgezahlt? Die kommenden Minuten werden es zeigen.
Seit mehr als 25 Jahren produziert der Franzose Fashion Shows auf der ganzen Welt. Von der Location über die Beleuchtung bis zur Musik ist der "Fellini der Mode", wie er von vielen genannt wird, für die perfekte Inszenierung einer Kollektion verantwortlich. Heute, Donnerstag, startet in New York die Fashion Week, bei der seine Arbeit wieder zu bewundern sein wird.
Dass de Betak heute zu den wichtigsten Fädenziehern der Branche gehört, ist einer Mischung aus Zufällen und viel Selbstvertrauen zu verdanken. Als 17-Jähriger lernt er die spanische Designerin Sybille Sorondo kennen und fängt als Aushilfe in ihrem Atelier an. Als ihm nebenan die Redaktion eines Modemagazins auffällt, kommt ihm die zündende Idee: Innerhalb von zehn Minuten überzeugt der Jugendliche bei einem spontanen Besuch die Chefredakteurin zu einem Cover-Shooting mit Sorondos Mode. Er selbst fungiert als künstlerischer Leiter.
Bereits vor seinem 18. Geburtstag wird ihm ein Job als PR-Leiter einer Agentur angeboten und nur ein Jahr später gründet der Franzose schließlich seine eigene Firma, um sich auf die Produktion von Modenschauen zu spezialisieren. Ab diesem Zeitpunkt nimmt de Betaks Karriere an Fahrt auf. 1993 findet in New York die erste Fashion Week statt und der Franzose macht sich mit seinen außergewöhnlichen Shows schnell einen Namen. Heute sagen Branchengrößen wie Sidney Toledano vom Luxuskonzern LVMH über ihn: "Er ist der Beste."
XL-Werbeffekt
Ein Blick auf die vielen Shows der vergangenen Jahrzehnte zeigt, warum: Für das Modelabel Rodarte ließ er verschiedenste Leuchtstoffröhren mit Pflanzen und Erde kunstvoll zu einem Laufsteg arrangieren, bei John Galliano stattete de Betak die Models mit eigenen Licht- und Musikquellen aus. Er war der erste Produzent, der 2000 einen Webcast für eine Victoria’s Secret Show einrichten ließ, um Fans an der Anreise der Models mittels Concorde teilhaben zu lassen. Die Website brach zusammen, der Werbeeffekt war gigantisch. De Betaks Kreativität scheint unerschöpflich.
"Inspirationen finde ich überall", sagt der Franzose im Gespräch mit dem KURIER. "Ich habe ein sehr ereignisreiches Leben. Manchmal suche ich in Büchern oder online. Doch manchmal ist es etwas, das nichts mit der Branche zu tun hat." Es sei sehr wichtig, für alles offen zu sein. Eine große Herausforderung bei seiner Arbeit: In den meisten Fällen hat der Designer, mit dem das Bureau Betak zusammenarbeitet, die Kollektion noch nicht entworfen. Obwohl der Produzent und sein Team kein einziges Kleidungsstück zu Gesicht bekommen, fügen sich diese am Tag der Präsentation wie das letzte fehlende Puzzle-Teil in die von ihm kreierte Szenerie. "Man muss sicherstellen, dass die Show zur Geschichte der Marke passt", so de Betak. "Je länger die Zusammenarbeit, desto besser kennt man einander."
Blumenwände
Zu seinen treuesten Kunden gehört das Luxusmodehaus Dior. Seit 1999 arbeitet de Betak für das Unternehmen, besonders gerne erinnert er sich heute an seine Ideen für Raf Simons, der von 2012 bis 2015 Chefdesigner war. Für eine Haute-Couture-Show wurden die Wände des Pariser Rodin Museums mit tausenden weißen Orchideen dekoriert (siehe oben). Sogar bei der Außenfassade überlässt der 49-Jährige nichts dem Zufall. Statt auf dem Roten Platz in Moskau ein Zelt aufzustellen, wurde 2013 eine Dior-Spiegelbox kreiert, die die Umgebung reflektierte.
Kosten für eine Modenschau dieser Größenordnung: bis zu zehn Millionen Euro. Über 1000 Shows hat der Franzose bis dato gemacht, doch mit der steigenden Popularität der sozialen Medien, müsse man nun umdenken. "Die Menschen sind müde und gelangweilt vom immerzu gleichen System", sagt der Franzose. Heute müssten Modenschauen mediale Ereignisse sein, die man in Echtzeit online mitverfolgen kann. Alexandre de Betaks nächstes Ziel ist wenig überraschend ein hochgestecktes: eine Kollektions-Präsentation im Weltall.
Buchtipp: In „Betak Fashion Show Revolution“ (Phaidon Verlag, 292 Seiten, 92 Euro) wird ein Überblick seiner Arbeit gegeben.
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