Die Berge lassen ihn nicht los

Norman Dyhrenfurth bei Dreharbeiten für den Expeditionsfilm "Dhaulagiri" 1960
Die Gipfel rufen: Nach Lhotse und Dhaulagiri gibt Dyhrenfurth sein bürgerliches Leben auf.

1953 ging eine Nachricht um die Welt: Der Neuseeländer Edmund Hillary und sein Kamerad Tenzing Norgay schaffen es am 29. Mai als erste Menschen auf den Gipfel des Mount Everest. Sie gehen in die Geschichte ein und lösen gleichzeitig das große Rennen um die vierzehn Achttausender aus.

Auch Norman Dyhrenfurth, heute eine Bergsteigerlegende, versucht zu diesem Zeitpunkt, eine eigene Himalaja-Expedition auf die Beine zu stellen. 1918 in Breslau geboren, emigrierte er 1937 in die USA. Zu seinem Vater Günter, Bergsteiger und Himalaja-Experte, hält er Briefkontakt. Dieser informiert ihn 1953 über die Expeditionspläne der Forscher in Europa. Für den jungen Dyhrenfurth ist die Situation fast aussichtslos, die Genehmigung durch die nepalesische Regierung lässt auf sich warten. Erst auf seinen dritten Antrag erhält er am 27. Januar 1955 einen positiven Bescheid.

Begleitet wird er von Ernst Senn und Erwin Schneider. Drei Amerikaner und zwei Schweizer machen das internationale Team, nach Ende des Monsuns, komplett. Das Ziel der Truppe: die Erstbesteigung des Lhotse (8516 Meter), dem vierthöchsten Berg der Welt. Zudem plant Norman Dyhrenfurth einen Dokumentarfilm über das Leben und die Kultur der Sherpas.

Zunächst gelingt es der Drei-Mann-Expedition, das Solo-Khumbu-Gebiet zu erkunden und auf Skiern den Khumbu-Gletscher mit seinen Abbrüchen zu durchqueren. Dieser gilt als gefährlichster Teil des Normalweges zu Mount Everest und Lhotse. Er wurde bisher nur drei Mal von Großexpeditionen überwunden.

Angriff auf den Lhotse

Die Berge lassen ihn nicht los
Norman Dyhrenfurth (4. von rechts) bei der Expedition auf den Lhotse 1955
Mit Ende der Monsunzeit wagt die Gruppe den Angriff auf den Lhotse. Allerdings schneit und stürmt es in der ersten Oktoberwoche fast täglich. „Es ist kalt und windig, aber ganz klar (...) Langsam gehen sie aufwärts, und ich filme sie, so gut es bei der Kälte und dem Wind mit steifen Fingern geht“, schreibt Dyhrenfurth. Doch die Wetterverhältnisse werden nicht besser. Zudem setzen heftige Winterstürme ein. Am 10. Oktober vermerkt er in seinem Tagebuch: „Wir sind an der Grenze dessen, was ein Mensch aushalten kann“. Ein knappes Monat später, am 6. November 1955 übermittelt er Vater Günter ein Telegramm: „Erreichten 8100 Meter. Frühzeitige Winterstürme erzwangen Rückzug ohne Verluste.“

Kurz nach seiner Rückkehr plant Dyhrenfurth die nächste Expedition, aber die Genehmigung für das Himalajagebiet ist bereits an eine andere Forschergruppe vergeben. Der 37-Jährige kehrt zunächst in seinen bürgerlichen Beruf zurück, als Leiter der Filmabteilung des US-amerikanischem Flugzeug- und Raketenherstellers Convair Astronauts. Statt Berge und Menschen werden Produktion, Tests und Abschüsse von Raketen gefilmt. Immerhin ist es eine gut bezahlte Stelle, denn die Expedition hat Dyhrenfurth viel Geld gekostet. Seine Vorträge und der Sherpa-Film „Solo Khumbu“ ziehen zwar ein großes Publikum an, können aber seine finanzielle Lage nicht bessern. Bessere Zeiten brechen erst 1958 an.

Die Berge lassen ihn nicht los
Norman Dyhrenfurth bei der Expedition auf den Lhotse 1955
Dyhrenfurth nimmt an der vom US-Millionär Tom Slick finanzierten Suche nach dem Yeti teil(mehr dazu morgen). Davon zurück moderiert er auf einem amerikanischen Regional-Sender die wöchentliche Fernseh-Show „Expedition“. Es sollte noch fünf Jahre dauern, bis er erneut eine Expedition unternimmt. 1960 begleitet er als bergsteigender Kameramann die Schweizer zum Dhaulagiri(8167 Meter), dem siebthöchsten Berg der Welt. Die Erstbesteigung gelingt, doch nach seiner Rückkehr ist er als Fernsehmoderator ersetzt worden, seine Stelle bei Convair ist ebenfalls weg.

Von Wut gepackt, beginnt Dyhrenfurth die Organisation der American Mount-Everest-Expedition vorzubereiten. Die Überschreitung des Everest 1963 wird Reinhold Messner später zu den großen Taten des Alpinismus zählen.Lesen Sie morgen: Die Jagd auf den Yeti

Buchtipp: Günter, Hettie, Norman Dyhrenfurth – Zum dritten Pol von Andreas Nickel; AS Verlag 2007; 26,80 Euro

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