Zum Niederknien: Politische Gesten erstmals bei Olympia erlaubt
Mittwoch um 9.30 Uhr MESZ, in Japan war es 16,30 Uhr, wurde das erste Fußballspiel bei den Olympischen Spielen in Tokio angepfiffen. Zwei Tage vor der Eröffnung spielte Großbritannien in Sapporo gegen Chile. Vor Anpfiff knieten sich die britischen Fußballerinnen nieder, die Südamerikanerinnen taten es ihnen gleich. Nach den rassistischen Anfeindungen gegen Englands tragische EM-Helden wollte das „Team GB“ dieses Zeichen gegen Rassismus setzen. Offensichtlich hat sich das Historische dieser Szene nicht bis zu den Fotoagenturen durchgesprochen. Erst eine halbe Stunde nach Schlusspfiff gingen die Bilder weltweit an die Medien.
Charta 50 hat ausgedient
Politischer Protest und Olympische Spiele war in der Geschichte der Spiele stets ein heikles Thema. . Laut Regel 50 der olympischen Charta des IOC sind bei Olympia jegliche Demonstrationen sowie politische, religiöse oder rassistische Botschaften untersagt.
1968 reckten die dunkelhäutigen US-Leichtathleten Tommie Smith und John Carlos bei der Siegerehrung die Faust mit einem schwarzen Handschuh in die Höhe – das Zeichen der „Black-Power-Bewegung“. Die beiden wurden von Olympia ausgeschlossen und hatten jahrzehntelang mit Repressalien zu kämpfen. 53 Jahre später knien die Sportler nieder in Erinnerung an George Floyd, der nach rassistischer Polizeigewalt gestorben ist. Manche Sportler strecken die Faust in die Luft als Anlehnung an den Protest von Smith und Carlos.
Für den US-amerikanischen IOC-Präsidenten Avery Brundage war es damals eine „üble Demonstration gegen die amerikanische Flagge durch Neger“. Brundage, der 1936 Präsident des US-amerikanischen Olympischen Komitee war, hatte nichts dagegen einzuwenden, den Hitlergruß zu zeigen, da es sich um einen nationalen deutschen Gruß zu dieser Zeit gehandelt habe.
Bei den Olympischen Spielen 1980 hatte ein Österreicher für Aufregung gesorgt. Der Segler Wolfgang Mayrhofer hatte Silber geholt und befestigte kurz vor der Medaillenübergabe eine Trauerschleife um den Oberarm. Der heutige Professor an der Wirtschafts-Uni Wien protestierte damit gegen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan. Deshalb hatten etliche westliche Staaten die Spiele in Moskau boykottiert.
Neue Richtlinien
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat vor den Spielen in Tokio neue Richtlinien veröffentlicht, die das langjährige Verbot politischer Proteste bei Olympischen Spielen aufweichen. Die Sportler dürfen sich nun vor den Begegnungen hinknien, um auf rassistische Ungerechtigkeit hinzuweisen, sie dürfen darüber mit Medien sprechen und ihre Ansichten online posten, sowie bei Pressekonferenzen Kleidung mit einem Protest-Slogan tragen. Während der Wettkämpfe, der Siegerehrungen und im Olympischen Dorf sind politische Statements laut IOC aber weiterhin verboten.
Die IOC beschloss die Aufweichung im Dialog mit der Athletenkommission.
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