Totales Chaos: Liensberger holt doch das 100. ÖSV-Gold

Geteilte Freude: Liensberger und Bassino
Wie die 23-jährige Vorarlbergerin im Parallelrennen nachträglich zur Weltmeisterin erklärt wurde.

Die überraschende Frohbotschaft, dass sie sich ab sofort Weltmeisterin nennen darf, wurde Katharina Liensberger mitten im Interview mit den österreichischen Journalisten ins Ohr geflüstert. Eine gute halbe Stunde war seit dem Finale des Parallelrennens vergangen, jeden Moment sollte die FIS-Fanfare für die Medaillenzeremonie erklingen, als sich der Damen-Cheftrainer Christian Mitter bei der Vizeweltmeisterin unerwartet via Funk meldete.

„Laut Reglement gibt es im Finale Ex-aequo-Platzierungen. Das heißt, du bist Weltmeisterin.“

Wie bitte? Was jetzt?

Der entgeisterte Blick von Katharina Liensberger in diesem Moment sprach Bände. „Wirklich? Oh Gott“, entfuhr es der Vorarlbergerin. Und auch die anwesenden Journalisten, die gerade Ohrenzeugen dieses goldenen Funkspruchs wurden, wussten nicht, was sie von dieser dramatischen Wende halten sollten. „Das ist ja megacool, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, stammelte Liensberger, als sie sich wieder ein wenig gefasst hatte. „Ich kenn’ mich ehrlich grad überhaupt nicht aus.“

ÖSV-Intervention

So wie Katharina Liensberger erging es allen angesichts des närrischen Treibens am gestrigen Faschingsdienstag rund um die WM-Premiere des Parallelrennens. Marta Bassino und Katharina Liensberger waren im zweiten Finallauf zeitgleich über die Ziellinie gerast. Trotzdem wurde auf der Anzeigetafel sofort der Italienerin der Sieg zugesprochen. „Ich habe nur 00:00 stehen gesehen und mir gedacht: Oh, wir waren gleich schnell. Ich habe ja die Regeln nicht gekannt“, sagte Liensberger.

In den ersten Interviews wunderte sich die 23-Jährige zwar noch, weshalb Marta Bassino zur Weltmeisterin erklärt wurde, doch ihre Freude über die erste Einzelmedaille war deutlich größer als die Enttäuschung über die Entscheidung. „Silber freut mich mega. Scheinbar muss die Goldmedaille eben noch ein bisschen warten.“

Und tatsächlich sollte Katharina Liensberger nur mehr wenige Augenblicke auf die Goldmedaille warten müssen. Während sie sich in den Interviews noch über das schwer nachvollziehbare Regelwerk wunderte („vielleicht ändert man die Regeln ja für die Zukunft, das wäre schön“), hatte ÖSV-Sportdirektor Toni Giger im Hintergrund längst das FIS-Handbuch durchforstet und unverzüglich beim Weltverband interveniert. „Im Regelwerk steht es nämlich anders“, berichtet Trainer Christian Mitter. „Es gibt ja auch beim Super-G Ex-aequo-Weltmeister. Alles andere wäre ja auch völlig unlogisch.“

Unmittelbar nach dem Finale hatte sich der Damen-Chef wie im falschen Film gefühlt. Nach all den Rückschlägen und den vielen Verletzungen, die sein Team in diesem Winter ereilt hatten, „hätte das wie die Faust aufs Auge zu unserer Saison gepasst“, sagte der Steirer. „Vor dem Rennen hätte ich mich über Silber gefreut, aber so ist dieses Gold jetzt eine Befreiung.“

Jubiläum

Für das gesamte Damenteam, das in den ersten drei WM-Bewerben leer ausgegangen war. Aber vor allem auch für Katharina Liensberger, die sich mit der Goldmedaille „einen Kindheitstraum erfüllte. Ich kann es nicht glauben, aber es ist wirklich.“

Und es war nicht irgendeine Goldmedaille, die Katharina Liensberger in diesem turbulenten Rennen gewann, die Vorarlbergerin bescherte dem ÖSV den 100. Titel bei Ski-Weltmeisterschaften.

Die Umstände für dieses Jubiläums-Gold für Rot-Weiß-Rot waren freilich alles andere als weltmeisterlich: Diese Premiere des Parallelrennens ist vor allem eine Peinlichkeit für die FIS. Es wäre eigentlich nicht zu viel verlangt, dass die Verantwortlichen beim Weltverband zumindest die eigenen Spielregeln kennen.

Kommentare