Snowboard-Star Benjamin Karl: „Ich bin sicher nicht jedermanns Liebling“
Benjamin Karl darf man getrost als Mister Snowboard bezeichnen. Der 38-jährige Niederösterreicher besitzt sämtliche Trophäen, die es in diesem Sport zu gewinnen gibt. In diesem Winter sicherte sich der Olympiasieger und fünffache Weltmeister zum vierten Mal in seiner Karriere den Gesamtweltcup.
KURIER: Wie behält man sich über einen so langen Zeitraum den Erfolgshunger?
Benjamin Karl: Indem man sich immer wieder darauf besinnt, dass man den geilsten Job auf der Welt hat. Viele meiner Freunde sind Unternehmer oder Gastronomen und alle hadern über das Personal und die Kosten. Ich bin, wenn man so will, meine eigene Firma, erspare mir aber diese Probleme. Ich tu’ das, was mir am meisten Spaß macht und darf mich hauptberuflich um meinen Körper kümmern. Gibt es was Schöneres, als für sich selbst zu arbeiten?
Hatten Sie schon immer diesen Zugang?
Natürlich nicht. Dieses Bewusstsein, dass es ein Privileg ist, so zu leben, ist mit dem Alter gewachsen. Als Junger fehlt dir die Lebenserfahrung, dass du das wirklich so schätzen kannst.
Was treibt Sie neben dem Spaß, an Ihrem Beruf, sonst noch an?
Das schwierigste an meinem Job ist es, die Motivation und das Feuer zu behalten. Immer dran bleiben, immer noch mehr zu wollen – das erfordert viel Energie und vor allem viel Disziplin. Mir tritt keiner in den Arsch, wenn ich im Sommer nichts trainiere. Ich lebe komplett in Eigenverantwortung. Mir hilft es dabei, wenn ich mir extrem hohe Ziele setze. Das treibt mich dann immer an.
War der Gewinn im Gesamtweltcup denn Ihr erklärtes Saisonziel?
Den Gesamtweltcup hatte ich schon seit der letzten Saison im Auge. Damals habe ich schon sehr viel Zeit in dieses Projekt investiert und viel Engergie in die Entwicklung der Boards gesteckt, damit es heuer so funktioniert, wie es funktioniert. Das haben viele nicht verstanden.
Wieso das?
Was ich mir alles anhören musste: Du hast ja mit dem Brettl eh bei Olympia gewonnen, was musst du da noch Zeit investieren und was entwickeln? Das Brettl funktioniert ja super.
Verraten Sie’s: Warum mussten Sie da noch entwickeln?
Weil ein Formel-1-Rennstall mit dem Auto vom letzten Jahr auch nichts gewinnen wird. Ich habe wirklich in der letzten Saison bei den Rennen sehr viel getestet im Wissen, dass es wohl nicht reichen wird, um ganz vorne mitzufahren. Aber mir ging es um den heurigen Winter. Ich wollte einfach nichts dem Zufall überlassen.
Sie wurden 2022 in Peking endlich auch Olympiasieger: Was hat dieses Olympia-Gold mit Ihnen gemacht?
Der Olympiasieg bringt mir in einer gewissen Weise Seelenfrieden. Weil es das einzige Ziel war, das ich noch nicht erreicht hatte. Und zu so einer Karriere, wie ich sie hingelegt habe, gehört der Olympiasieg halt einfach dazu. Ohne diese Goldmedaille würde etwas fehlen.
Fahren Sie seither befreiter?
Leider bin ich dadurch nicht lockerer geworden. Die ersten drei, vier Monate nach Olympia war ich gelöster und nahbarer, sagen Freunde. Da habe ich das wirklich genossen. Aber im Sommer hatte ich schon wieder die üblichen Gedanken im Kopf. Bei mir dreht sich alles darum: Wie kann ich schneller und noch besser werden.
Sind Sie ein Getriebener?
Den größten Fehler, den du als Sportler machen kannst, ist, wenn du anfängst, zufrieden zu werden. Dann hörst du auf, dich zu entwickeln und gut zu sein. Als Sportler musst du immer getrieben und unzufrieden sein, sonst geht nichts mehr weiter.
Sie haben Ihre Ziele immer klar und offensiv ausgesprochen . Warum setzen Sie sich selbst so unter Druck?
Weil ich nur unter Druck funktioniere.
Wie ist das zu verstehen?
Je unwichtiger mir ein Rennen ist, desto schlechter bin ich. Ich brauche einfach diesen Druck. Mir ist schon klar, dass das ein ungewöhnlicher Zugang ist. Die meisten Leute funktionieren besser, wenn sie es lockerer nehmen und sich ablenken können. Bei mir löst der Druck zwar eine innere Unruhe aus, das ist echt ein ungutes Gefühl. Aber zugleich weiß ich, dass mir das gut tut und mir hilft, besser zu sein.
Haben Sie schon immer so getickt?
Das hat den Ursprung wahrscheinlich in meiner Jugend. Als ich aus Niederösterreich in die Skihandelsschule nach Schladming gegangen bin, hat meine Mama zu mir gesagt: ,Bua, wenn du einmal sitzen bleibst, dann war’s das mit deiner Karriere. Weil wir es uns dann finanziell nicht mehr leisten können.’ Das hat mich sehr geprägt.
Zugleich machen Sie sich angreifbar. Manche werden sich womöglich freuen, Sie scheitern zu sehen.
Da habe ich einen Vorteil. Mir ist es scheißegal, was die anderen über mich sagen. Ich bin sicher nicht jedermanns Liebling, es ist aber auch nicht mein Anspruch, eine Million Freunde zu haben.
Sie werden heuer 39, gibt es ein Pensionsalter für Snowboarder?
Beim Weltcup in Polen sind Andreas Prommegger und Roland Fischnaller im Finale gegeneinander gefahren – die sind beide 43. Das motiviert mich schon. Da bleibt mir also noch genug Zeit.
Karriere
Benjamin Karl (*16. 10. 1985) hat im Snowboardsport viele Meilensteine gesetzt, seit er 2004 im Weltcup sein Debüt gab
Erfolge
Der Niederösterreicher, der in Lienz lebt, feierte 22 Weltcupsiege und gewann vier Mal den Gesamtweltcup.
2022 wurde er Olympiasieger, dazu kommen noch Silber (2010) und Bronze (2014)
5
WM-Goldmedaillen
konnte der Routinier bereits gewinnen. 2009 wurde er das erste Mal Weltmeister, das letzte Mal 2021.
Gehen Ihnen nicht langsam die Ziele aus?
Ich muss mich einfach weiterhanteln und weiter motivieren und mir langfristige Ziele setzen. 2026 ist wieder Olympia, ein Jahr später haben wir eine Heim-WM. Und mein Trainer hat mir gemeint, dass es erst zwei Leute gegeben hat, die in einer Saison alle drei Kristallkugeln geholt haben. Auch das ist ein schönes Ziel.
Haben Sie eigentlich einen Plan B?
Ich hatte noch nie einen Plan B. Wenn du in Salzburg wegfährst und du gibst ins Navi gleichzeitig Innsbruck und Wien ein, dann wirst du ein Ziel nicht erreichen. Genau so ist es mit meinem Mindset. Du kannst nur eine Sache gescheit machen im Leben. Und wenn das vorbei ist, konzentrierst du dich auf das nächste und machst es dann gescheit.
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