Zum Schreien: Die Skispringer testen ein fragwürdiges Wettkampfformat

FIS Ski Jumping World Cup - Four Hills Tournament
Beim Sommer-Grand-Prix wird ein neuer Modus getestet, der mehr Spannung bringen soll. Oder geht es auch darum, die Dominanz der Österreicher zu brechen?

Auf einmal beginnt Andreas Widhölzl zu stammeln und er gerät ins Strudeln wie ein Skispringer bei Windturbulenzen.  „Puh, jetzt muss ich genau überlegen.“ 

Das neue Wettkampfformat, das die Skispringer am Wochenende beim Auftakt des Sommer-Grand-Prix in Courchevel testen, ist dem österreichischen Cheftrainer noch nicht wirklich geläufig. „Ich hab’s mir ehrlicherweise nur einmal durchgelesen.“

Schräge Idee

Aber wer kann es Andreas Widhölzl schon verdenken? Die Idee, die FIS-Direktor Sandro Pertile geboren hat, um frischen Wind ins Skispringen zu bringen, hört sich nicht nur kompliziert und konstruiert an, es stellt sich auch schon vor der Premiere die Frage, ob Fans und Springer wirklich auf diesen Modus fliegen werden.

NORDISCHE SKI-WM 2025: PK ÖSV SKISPRINGEN MÄNNER: WIDHÖLZL

ÖSV-Skisprungcoach Andreas Widhölzl

Gruppen-Modus

Das Format in Kurzform: Die 50 Springer werden anhand der Ergebnisse in der Qualifikation in zehn Fünfergruppen eingeteilt und bestreiten so den ersten Durchgang. Die jeweils zwei besten Springer jeder Fünfergruppe schaffen den Einzug in den Finaldurchgang, dazu kommen noch die fünf besten Lucky Loser.

Das Finale beginnt dann bei null, die Punkte aus dem ersten Durchgang werden nämlich gestrichen. Der Sieger wird nur mehr in einem Sprung ermittelt. Der Weltverband FIS erhofft sich so mehr Spannung für den Finaldurchgang.

Zufallssieger

Tatsächlich dürfte dieses Format wohl eher dem Zufall Tür und Tor öffnen. Es hat schon seinen Sinn, dass das Skispringen bislang in zwei Wertungsdurchgängen durchgeführt wurde.

Wind und Wetter spielen in diesem hochsensiblen Sport eine immense Rolle. Bei zwei gewerteten Sprüngen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich die stärksten Springer durchsetzen und es zu einem halbwegs fairen Wettkampf kommt.

Entscheidet sich der ganze Bewerb, wie bei dem neuen Format, nur in einem Sprung, dann sind Zufallssieger garantiert. Kann das im Sinne des Sports sein?

Der Weltverband FIS erhofft sich mehr Spannung. Und tatsächlich mag der Skisprung-Weltcup in den letzten beiden Saisonen manchen Fans monoton vorgekommen sein. Die Österreicher hatten die Lufthoheit und dominierten den Sport nach Belieben.

Dreifachsieg bei der Vierschanzentournee (Daniel Tschofenig vor Jan Hörl und Stefan Kraft), Dreifacherfolg im Gesamtweltcup, 46 Podestplätze, neuer Punkterekord – das sind die imposanten Zahlen der letzten Saison.

Ob ein neues Format den österreichischen Überfliegern die Flügel stutzt?

„Wir nehmen alles sportlich und wie es kommt. Außerdem ist dieses Format eh noch in der Testphase“, sagt Andreas Widhölzl.

Verletzungspech

Der Cheftrainer und seine Topstars werden die Premiere am Sonntag in Courchevel ohnehin nur aus der Beobachterrolle verfolgen. Der ÖSV ist nur mit der zweiten Garde in Frankreich vertreten, das Nationalteam verzichtet geschlossen auf das Antreten und wird auch die kommenden Bewerbe in Wisla und Rasnov auslassen.

„Wir hatten bisher noch keinen einzigen Trainingskurs mit der kompletten Mannschaft, weil immer wieder Leute verletzt waren. Deshalb macht es auch keinen Sinn, dass wir in den ersten Bewerben mitspringen erklärt Widhölzl.

Aktuell hat der Tiroler Erfolgscoach zwei Sorgenkinder in seiner Mannschaft: Gesamtweltcupsieger Daniel Tschofenig ist – wie schon im vergangenen Sommer – mit einer Muskelverletzung außer Gefecht und wird erst Ende August wieder ins Sprung-Training einsteigen. 

Stefan Kraft wird wiederum von Knieproblemen geplagt, der Routinier konnte in der gesamten Vorbereitung bislang noch keinen Sprung absolvieren. Auch Jan Hörl wurde im Training von Wehwehchen ausgebremst.

Der Fokus der Österreicher richtet sich deshalb auf den Sommer-Grand-Prix-Bewerb Mitte September in Predazzo (ITA). 

Es ist die erste Gelegenheit, um Bekanntschaft mit der neuen Schanze im Fleimstal zu machen, auf der im Februar 2026 um Olympia-Medaillen gesprungen wird. „Man kann davon ausgehen, dass dort auch international alle Stars dabei sind, weil keiner die Schanze kennt“, sagt Cheftrainer Andreas Widhölzl.

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